Die Ungewöhnliche
Von Klein auf wollte sie die Welt retten. Ab Herbst studiert sie Mathe. Sophie Baumgartner aus Jenesien ist vor Kurzem volljährig geworden. Sie findet Schule cool, ihre Professoren toll, schert sich nicht um Marken oder Kleider, singt im Gospelchor und kümmert sich um die Jüngeren am Bozner Franziskanergymnasium. Die Hälfte ihres Lebens hat sie dort verbracht, 300 Schülerinnen und Schüler gehen täglich ein und aus. Sie wird sie vermissen. Über die gelungene 60-seitige Schülerzeitung freut sie sich – sie war eine der drei Hauptredakteurinnen. Griechisch liegt ihr, dem jüngeren Bruder gibt sie wöchentlich Nachhilfeunterricht. Vor drei Monaten belegte sie in dieser Sprache beim Gesamttiroler Fremdsprachenwettbewerb Platz drei.
Die klassisch humanistische Ausbildung erlaube es ihr, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, „bevor sie mich tiefer betreffen“, sagt Sophie Baumgartner. Kant zu lesen, hilft ihr. Zu erfahren, dass sich Aristoteles schon im vierten Jahrhundert vor Christus mit Logik, Naturlehre, Metaphysik und Ethik beschäftigte, beruhigt sie: Das zeige die Beständigkeit der menschenbewegenden Anliegen. Die Klugheit und den Witz aus den pessimistischen Werken Giacomo Leopardis herauszufiltern, liegt ihr. Friedrich Nietzsches Aussage „Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen“, relativiert in ihrer Wahrnehmung vieles. Themen rund um Gewissen und Leid beschäftigen sie oft, im Pausenhof diskutiert sie gerne darüber mit den Lehrpersonen.
Von Kinderfragen und erwachsenen Antworten
Schon als Kind saß Sophie Baumgartner bei den Sitzungen des Bozner Weltladens neben ihrem Vater. Er war Vorstandsmitglied. Die Grundschülerin stellte kritische Fragen und wurde zum Zuhören aufgefordert. Seit sie volljährig ist, nimmt sie selbst an den Sitzungen teil. „Wir sind in eine privilegierte Zeit hineingeboren“, sagt sie und vergleicht mit dem Leben der Frauen vor 50 Jahren: „Die heutige Freiheit in Europa bedeutet Verantwortung und Pflicht zugleich.“
„Kultur ist Verbindung mit den Menschen“, sagt Sophie Baumgartner. Die Maturantin versorgt ihre Mitschüler mit der schulinternen Gruppe „GlokoMotiven“ einmal im Monat mit einer fairen Pause samt lokalen, selbstgemachten und fair gehandelten Produkten, stellt passende Quizfragen und macht Powerpoint-Präsentationen für die digitale Schul-Pinnwand, um die Inhalte zu vertiefen. Mit dem Erlös aus dem Verkauf unterstützen die „GlokoMotiven“ die Kinderkrebshilfe „Peter Pan“ und Mädchenprojekte im globalen Süden. Ihr Turnlehrer Michael Mair ist die treibende Kraft. Er motiviert die jungen Menschen zu Eigeninitiative und zum Einkauf im Weltladen.
Der Weltladen, sagt Sophie, sei etwas für faule Leute. Dort sei alles zu finden, was man brauche: von hochwertigen Lebensmitteln über Kunsthandwerk bis hin zu einzigartigem Schmuck, zu Kosmetika und edler Bekleidung. Wenn sie ein Geschenk braucht, geht sie in den Weltladen und ist jedes Mal aufs Neue fasziniert vom vielfältigen Angebot. Fairer Handel sei kein großes Ding, sagt sie und der Einkauf im Weltladen das Mindeste, was jeder von uns tun könne. Die Produzenten würden davon nicht reich, könnten aber in Würde leben und für sich und ihre Kinder sorgen.
Dass der Kolonialismus bis in die heutige Zeit herauf wirkt und Menschen sich aufgrund von Hautfarbe und Herkunft über andere erheben, gibt der jungen Frau zu denken. „Solche Haltungen kann man nicht von einem auf den anderen Tag ablegen“, sagt sie. Weder Katastrophen noch Kriege würden sie verändern, einzig kontinuierliche Information und Sensibilisierung wirke nachhaltig. Dafür will sie sich auch weiterhin engagieren. Mit Mathe lasse sich das in Einklang bringen.
(Maria Lobis)
Vielen Dank an Frau Lobis für
Vielen Dank an Frau Lobis für die angenehm zu lesenden, warmherzigen und anregenden Beiträge! Die Beiträge sind für mich eine willkommene Abwechslung und eine Bereicherung!
Bravo und herzlichen Dank!