Cronaca | Justiz
Unvergessliche Tenti
Foto: Salto.bz
Katia Tenti hat eine eigene Vorstellung von Recht und Gerechtigkeit.
Nur so lässt sich der juridische Feldzug erklären, den die ehemalige Ressortdirektorin von Landesrat Cristian Tommasini führt.
Am 21. März 2022 hat Tenti über den renommierten Bozner Anwalt Giancarlo Massari am Landesgericht Bozen einen Dringlichkeitsantrag (ex Art.700) gegen insgesamt elf Medien hinterlegt. Die Klage richtet sich gegen die Tageszeitung, die Wochenzeitung FF, den Corriere della Sera, VB33, Buongiorno Südtirol, die regionale RAI, Sky Italia, drei süditalienische Medienhäuser und gegen Salto.bz.
Auffallend dabei: Der Medienkoloss Athesia und seine Presseprodukte sind von der Klage nicht betroffen. Der Zufall will es, dass Tentis Anwalt seit Jahrzehnten der Hausanwalt der Ebner-Zeitung „Alto Adige“ ist.
Das Ansinnen: Die Klägerin verlangte die umgehende Löschung aller Artikel, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen, den Prozess und ihre Verurteilung erschienen sind. Die Geschichte ist bekannt. Tenti und ihr damaliger Lebensgefährte, der Bozner Unternehmer Antonio Dalle Nogare, waren im Zusammenhang mit einer Ausschreibung zum Bau von 100 Wobi-Wohnungen in Bozen in den Fokus der Justiz geraten. Beide sind inzwischen über drei Instanzen rechtskräftig verurteilt. So hat das Kassationsgericht erst am 23. November 2021 die Verurteilung von Katia Tenti wegen des Verrates von Amtsgeheimnissen (rivelazione di segreto d’ufficio) und Störung eines Wettbewerbes (turbativa d’asta) zu zwei Jahren Haft bestätigt.
Katia Tenti beruft sich jetzt auf das sogenannte Recht auf Vergessenwerden (diritto all´oblio). Sie verlangt in dem Eilantrag die umgehende Löschung aller Artikel. Als Hauptgrund für diese Forderung gibt die Landesbeamtin an, dass sie im Mai 2022 ihren dritten Roman veröffentlichen werde und diese Artikel den Absatz ihres Werkes schmälern könnten.
Das Urteil
Während des Verfahrens traten einige prozedurale Nachlässigkeiten der Klägerin zu Tage. So fehlt in der Klage eine vollständige Aufstellung der Artikel und Beiträge, deren Löschung bzw. Deindexierung (die Artikel sollten so in den Onlinesuchmaschinen nicht mehr aufscheinen) die Klägerin beantragt. Auf diesen Umstand weist auch der Bozner Zivilrichter Alvise Dalla Francesca Cappello hin.
Capello hat jetzt in seiner Verfügung die Klage von Katia Tenti in allen Punkten abgewiesen. Im Urteilsspruch geht der Richter mit der Klägerin dabei hart ins Gericht:
„La ricorrente difatti è stata capo di dipartimento della Provincia di Bolzano e le notizie di cui si chiede la rimozione riguardano una serie di procedimenti giudiziari nei quali la Tenti è stata coinvolta e che si riferivano ad illecite interferenze in una procedura di evidenza pubblica bandita per la costruzione di diversi alloggi di edilizia sociale, con relativo danno erariale e la condanna della Tenti per i reati di rivelazione di segreto d’ufficio e turbativa d’asta. L’ultima di queste vicende, come esposto dalla stessa ricorrente, si è conclusa il 23 novembre 2021 (4 mesi prima del deposito del ricorso) con il rigetto del ricorso in Cassazione contro le sentenze di condanna pronunciate dai giudici di merito.
Ora, la ricorrente evidentemente ritiene esservi un improprio automatismo tra l’effetto di natura processuale del passaggio in giudicato della sentenza e la perdita d’interesse della notizia per il pubblico delle testate giornalistiche, sostanzialmente pretendendo che i giornali online provvedano alla cancellazione/deindicizzazione dei propri articoli riguardanti una determinata vicenda processuale per il solo fatto che questa si è “esaurita” essendo esperiti i mezzi d’impugnazione contro i provvedimenti giudiziari. Questa pretesa non ha ragione d’essere, per il solo fatto che, come emerge da tutti i precedenti giurisprudenziali poc’anzi sintetizzati, il diritto all’oblio, anche solo per il significato letterale del termine (oblio infatti, in senso letterale, è da intendersi come il processo naturale di perdita dei ricordi per attenuazione della memoria causato, genericamente, dal passare del tempo tra l’esperienza vissuta e l’atto del ricordo), sussiste laddove sia trascorso un apprezzabile lasso temporale tra la notizia pubblicata e la richiesta di cancellazione.
Il diritto all’oblio sussiste laddove sia trascorso un apprezzabile lasso temporale tra la notizia pubblicata e la richiesta di cancellazione.
Le vicende processuali hanno ancora un interesse attuale proprio per la ridottissima distanza temporale dalla conclusione definitiva del processo e riguardano un personaggio che, pur non avendo più posizioni dirigenziali, è pur sempre attivo nell’amministrazione Provinciale (lavora presso l’Ufficio Sviluppo della cooperazione della Provincia di Bolzano) ed è anche una scrittrice che ha pubblicato e sta per pubblicare, come emerge dal ricorso, con editori che hanno una rilevante diffusione sul territorio nazionale (Marsilio e Mondadori).
Ma ancor più di questo va considerato che i fatti alla base del procedimento in cui é stata coinvolta (la realizzazione di alloggi di edilizia agevolata) attengono ad una questione, cioè quella abitativa, che nella Provincia di Bolzano è tutt’altro che di scarso interesse pubblico e anzi è di strettissima attualità. Infine, tali circostanze hanno ancora un’influenza su quella che può essere la percezione del pubblico rispetto all’affidabilità e alla correttezza dell’operato della pubblica amministrazione e la loro permanenza pertanto non è arbitraria, risponde ancora ad un interesse informativo che è in conclusione (ad oggi) preponderante rispetto al diritto contrapposto dalla ricorrente.“
Die 50.000-Euro-Klage
Die richterliche Verfügung ist eine Niederlage in allen Punkten. Vor allem aber wird der Ausflug in das angestrebte Vergessenwerden für Katia Tenti teuer. Weil die Klage augenscheinlich unbegründet ist, hat Richter Alvise Dalla Francesca Cappello die Klägerin auch zu Erstattung der Anwaltsspesen der Beklagten verurteilt. Bei elf Prozessgegnern kommt so eine Summe von rund 30.000 Euro zusammen.
Doch damit dürfte das Gerichtskapitel noch nicht ganz abgeschlossen sein. Denn Katia Tenti geht seit einem halben Jahr auch auf einer anderen Front gegen Salto.bz vor.
Im November 2021 wurden der Autor dieser Zeilen und Salto.bz vor der Anwaltskammer zu einem Mediationsverfahren geladen. Es ist der erste Schritt zur Einreichung einer Zivilklage. Auch hier von Giancarlo Massari vertreten, beanstandet Katia Tenti die Berichterstattung über ihren Fall und den Prozess (Salto.bz hat als erstes Medium über die Affäre berichtet).
In den bisherigen Einlassungen werden aber weder Artikel noch konkrete Beispiele genannt, die den Vorwurf der Rufschädigung der rechtskräftig verurteilten Landesbeamtin und Krimiautorin untermauern würden. Es gehe laut Klägerin und ihres Anwalts um die „Gesamtdarstellung“. Die Forderung: 50.000 Euro an Schadenersatz.
Salto.bz hat das Mediationsverfahren platzen lassen. Katia Tenti will deshalb jetzt die angekündigte Zivilklage beim Landesgericht einreichen. Offiziell wurde aber noch nichts zugestellt.
Wackeliger Arbeitsplatz?
Katia Tenti arbeitet auch heute noch als Landesbeamtin. Die ehemalige Ressortdirektorin ist einfache Sachbearbeiterin im Amt für die Entwicklung des Genossenschaftswesens.
Nach der Verurteilung in erster Instanz hatte man der hohen Beamtin verständlicherweise den Führungsauftrag entzogen. Außerdem wurde Tenti versetzt.
Mit der Anklageerhebung wurde auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Laut Kollektivertrag, geltenden Gesetzen und mehreren Urteilen des Kassationsgerichtes kann dieses Verfahren – vor allem bei diesen beiden Strafbeständen - durchaus in einer Kündigung aus dem öffentlichen Dienst enden.
Wie vorgesehen, wurde das Disziplinarverfahren gegen Katia Tenti aber bis zum Ende der Prozesse ausgesetzt. Weil die Landesbeamtin zudem für einige Zeit in den Wartestand ging, ist diese Geschichte anscheinend in Vergessenheit geraten.
Vor einigen Wochen hat Paul Köllensperger aber eine Landtagsanfrage eingebracht. Das Team K erkundigt sich darin nach dem Stand der Dinge im Fall Tenti. Die Antwort steht noch aus.
Sicher ist: Das Disziplinarverfahren muss mit der rechtmäßigen Verurteilung wieder aufgenommen und zu Ende geführt werden. „Unsere Ämter werden auf jeden Fall nach den geltenden Bestimmungen vorgehen“, versichert der Generaldirektor der Landesverwaltung Alexander Steiner.
Am Ende könnte einige alte Artikel für Katia Tenti deshalb noch das kleinste Problem sein.
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es wäre interessant den
es wäre interessant den "diritto di oblio" also das Recht vergessen zu werden, bei gewissen Politikern (siehe z. B. Berlusconi) in seiner Tragweite, bzw. tatsächlichen Anwendung, zu überprüfen.