Società | Fachkräftemangel

Brain Drain - jetzt ist es amtlich

Was Stefan Luther und Philipp Achammer kürzlich  vorstellten, ist eine gesellschaftspolitische Bombe: Jährlich verlassen tausend junge Leute Südtirol.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Die Abwanderung von jungen Menschen hat dramatische Ausmaße angenommen: Von zehn im Ausland beruflich ausgebildeten Südtiroler:innen bleiben gleich acht dort, zwei von zehn finden den Weg zurück über den Brenner. Das sind die neuesten Zahlen aus dem Amt für Arbeitsmarktbeobachtung.

Seit Jahren ist die Abwanderung junger Südtiroler:innen ins Ausland besorgniserregend. Dieses Phänomen hat sich in den letzten zehn Jahren laufend verstärkt, die warnenden Zurufe aus befreundeten Familien einerseits und das händeringende Suchen von Arbeitgebern nach Mitarbeitenden andererseits zeigten diesen Trend deutlich auf. Oft und oft hatte es nach abgeschlossener Ausbildung geheißen: „Bis ich in Südtirol einen guten Job bekomme, bin ich in Österreich oder Deutschland oder sonstwo schon dreimal angestellt.“

Dies trifft vor allem und leider immer häufiger auf Mangelberufe wie Medizin, Pflege und Bildung zu. Aber nicht nur, Informatikerinnen, Ingenieure, Agronominnen oder Wirtschafsabsolventen werden ebenfalls von den Unis weg engagiert. Die Liste ist lang und wird jedes Jahr länger.

Die öffentliche Verwaltung spürte diesen Trend bereits vor rund zehn Jahren, sie war gewissermaßen das Fieberthermometer vom Brain Drain. Das hat mit den Hürden zu tun, bis Mann oder Frau die Voraussetzungen für einen Job in der öffentlichen Verwaltung beisammen haben: Anerkennung des Studientitels, Zweisprachigkeitsprüfung und Wettbewerb. Alles in allem ziehen da schon zwei Jahre ins Land. Zwei Jahre sind aber für junge Menschen eine halbe Ewigkeit.

Diesem Spießrutenlauf stehen verlockende Angebote aus Wien, München oder Zürich gegenüber. Unsere jungen Leute sind gut ausgebildet, meist deutscher Muttersprache, Englisch kein Problem und zusätzlich können sie mit Italienischkenntnissen punkten. Kurzum hervorragend für den Arbeitsmarkt geeignet. Sie werden umworben, zügig angestellt und auch gleich mit gutem Geld belohnt.

Und Südtirol hat das Nachsehen: Niedrige Löhne und hohe Mieten sind das eine,  Beziehungen und mehr Jobmöglichkeiten sind das andere. Gegen persönliche Beziehungen und den attraktiven Möglichkeiten von Metropolen kann die Provinz wenig ausrichten, gegen niedrige Löhne und hohe Mieten sehr wohl etwas.

Seit zehn Jahren müssen die öffentlich Angestellten darben: während massenweise Geld in Straßen und Seilbahnen gepumpt wird, müssen sich Lehrer:innen, Pflegerinnen oder Straßenwärter mit Brosamen begnügen. Jahrelang wurden Kollektivvertragsverhandlungen verschleppt, bis jetzt der Reallohnverlust 20 Prozent beträgt. Vor den Wahlen will die Landesregierung scheinbar nachbessern. Die Lücke von 20 Prozent ausbessern will die Landesregierung aber nicht.

Die Landesregierung als Arbeitgeberin für rund 40.000 Angestellte hätte lohnmäßig Maßstäbe setzen können: gute Löhne im öffentlichen Dienst ziehen gute Löhne in der Privatwirtschaft nach sich. Gute Löhne in der Schule und am Bau hätten den Exodus junger Menschen zwar nicht gänzlich verhindern aber doch bremsen können.

Jetzt haben wir den Brain Drain und den Brummschädel obendrein. Umsteuern geht nicht von heute auf morgen, aber die Weichen sind neu zu stellen: deutliche Anhebung des allgemeinen Lohnniveaus, rasche Politik für leistbares Wohnen durch gemeinnützige Bauträger und Förderung von Kreativbiotopen wie zum Beispiel die BASIS Vinschgau in Schlanders.