Martina De Zordo: "Ein doppelter Vertrauensmissbrauch"

Martina De Zordo, die Vorsitzende des Südtiroler Jugendrings, erklärt im salto.bz-Interview: "Eine solche Berichterstattung traumatisiert Opfer." Wahrscheinlich auf viele Jahre.

Frau De Zordo, Sie bemängeln fehlende Sensibilität der Medien in Bezug auf die Privatspähre von Kindern und Jugendlichen. Sie beziehen sich auf den Tagezseitungsartikel vom 24. Juni. Ein Vater, der seiner kranken Tochter, SMS  "mit sexistischem Inhalt und Porno-Videos" schickt.
Ja es geht um den Artikel. Und auch nicht. Einerseits ist dieser Artikel wirklich so gemacht, dass das nähere Umfeld der Person sofort erkennt, wer gemeint ist. Ein Gerichtsakt wird veröffentlicht, zwar schwarz hinterlegt die Namen, aber sensibel ist das nicht. Andererseits geht es nicht nur um die Tageszeitung, sondern um die Berichterstattung im Allgemeinen.

Medien gehen zu respektlos vor?
Auf jeden Fall. Daten, gerade von Kindern und Jugendlichen, müssen absolut diskret behandelt werden. Wenn private Informationen oder Dokumente in solcher Form in die Öffentlichkeit gelangen, dann ist das eine doppelte Belastung für die Betroffenen.

Inwiefern?
Unser Psychologe Michael Rainer von der Beratungsstelle Young + Direkt hat das treffend formuliert: "Wenn ein traumatisches Ereignis öffentlich dargestellt wird, dann bedeutet das für die Opfer meist eine zusätzliche Traumatisierung." Es geht einfach darum, dass das Vertrauen doppelt und dreifach missbraucht wird. Einmal von Ämtern, die Dokumente oder Daten freigeben, einmal von Privatpersonen, die sich vielleicht an die Medien wenden. Und dann natürlich die Medien selbst.

Es geht einfach darum, dass das Vertrauen doppelt und dreifach missbraucht wird. Einmal von Ämtern, die Dokumente oder Daten freigeben, einmal von Privatpersonen, die sich vielleicht an die Medien wenden. Und dann natürlich die Medien selbst.

Also eine Kette von Verantwortlichen, die nicht verantwortlich sind. Was ist für das Opfer schlimmer: der Missbrauch durch die Medien, oder durch die Behörden?
Das ist schwierig zu sagen. Es ist eine Aneinanderreihung von Aktionen und jeder trägt seinen Teil dazu bei.  Es gibt viele Jugendliche, die sich an young + direkt wenden und genau solche Fälle schildern. Jahre später ist ihr Vertrauen oft noch nicht stabil. Das ist ein sehr prägendes Ereignis.

Jahre später ist ihr Vertrauen oft noch nicht stabil. Das ist ein sehr prägendes Ereignis.

Der Schaden kann sich also auf Jahre auswirken?
Die Gefahr besteht zumindest. Und das ist ausreichend für mich, um Jugendliche, Minderjährige zu schützen.

Man könnte es also einen doppelten Mißbrauch nennen. Wahrscheinlich kein Einzelfall in der medialen Berichterstattung?
Leider nein. Wir versuchen immer wieder in diese Richtung zu sensibilisieren. Doch anscheinend sind Schlagzeilen wichtiger.

Wir versuchen immer wieder in diese Richtung zu sensibilisieren. Doch anscheinend sind Schlagzeilen wichtiger.

Wäre ein Ahndung der Medien sinnvoll? Was sagt die Kinder- und Jugendanwaltschaft dazu?
Wir haben schon vor drei, vier Jahren zu diesem Thema eine Eingabe bei der Kinder- und Jugendwaltschaft gemacht. Leider sind wir nicht gehört worden. Das Antrittsgespräch mit Frau Ladstätter, der neuen Kinder- und Jugendanwältin steht noch aus. Für uns steht fest: Wir werden das Thema der sensiblen Berichterstattung auf jeden Fall wieder aufs Tapet bringen.