Cultura | Konservatorium
Feindliche Übernahme
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Giacomo Fornari nimmt sich kein Blatt vor den Mund; „Die Professoren am Konservatorium sind sehr beunruhigt und die Lage ist angespannt“. Der Mozart-Experte und Direktor des Bozner Konservatoriums „Claudio Monteverdi“ ist dennoch zuversichtlich. „Ich hoffe, dass es jetzt zu einem echten Dialog kommt und wir im Sinne des Gesetzes den Übergang gemeinsam abwickeln können“, sagt Fornari zu salto.bz.
Es ist ein frommer Wunsch. Denn die Realität sieht anders aus. Seit eineinhalb Jahren hängt das Bozner Konservatorium in der Luft. Der Übergang der Musikhochschule an die Freie Universität Bozen ist per Gesetz mit 1. Jänner 2018 zwar formal erfolgt, doch auch 18 Monate später, weiß am Bozner Dominikanerplatz niemand wie das neue Gefüge wirklich ausschauen soll.
Denn was als nationales Vorzeigeprojekt gestartet war, hat sich inzwischen zu einem kulturpolitischen Machkampf entwickelt in dem es um persönliche Animositäten und Dünkel genauso geht, wie um die Grundsatzfrage, wer am Südtiroler Musikhimmel in Zukunft den Dirigentenstab in der Hand halten soll.
Im Zentrum des Streits steht dabei ein vertrauliches Dossier der Universität mit dem das Konservatorium zur Untersektion einer neuen Musikfakultät umfunktioniert und alle Professoren zu Lektoren degradiert werden sollen. „Es ist eine feindliche Übernahme“, sagt einer zu salto.bz, der die Pläne im Detail kennt.
Nacht- und Nebelaktion
Dabei war alles ganz anders angedacht. Seit Jahren diskutiert man in Italien eine Umwandlung und Eingliederung der staatlichen Konservatorien in die Universitäten. Es ist eine Idee, die dem langjährigen Präsidenten der Freien Universität Bozen Konrad Bergmeister, von Anfang an besonders gefällt.
Der musikaffine Bauingenieur geht dabei von einer Win-Win-Situation für beide Seiten aus. Das finanziell darbende Bozner Konservatorium würde in einen akademischen Rahmen gebettet und die Universität Bozen mit der Eingliederung der prestigeträchtigen Institution eine echte Musikfakultät dazubekommen.
Bergmeister gelingt es nicht nur die Landespolitik allen voran Landeshauptmann Arno Kompatscher für diese Projekt zu begeistern, er findet auch im damaligen Direktor der Konservatoriums, Heinrich Unterhofer, einen Mitstreiter und Befürworter dieser Operation.
Am Konservatorium selbst wird die Angliederung von der Mehrheit der Professoren eher skeptisch betrachtet. Zum einen sind die staatlichen Konservatorien besondere Biotope in denen eigene Gesetzmäßigkeiten gelten. Zum anderen ist der Lehrkörper am Dominikanerplatz traditionell mehrheitlich italienisch und die Aussicht einer Abnabelung vom Vater Staat und eine Angliederung an eine nichtstaatliche Universität stößt bei den Meisten eher auf Ablehnung.
Weil man aber davon ausgeht, dass eh nichts passieren wird, gibt es kaum öffentlichen Widerstand.
Weil man aber davon ausgeht, dass eh nichts passieren wird, gibt es kaum öffentlichen Widerstand.
Ende 2017 gelingt der SVP dann aber in einer Nacht- und Nebelaktion der unerwartete Durchbruch. Dem damaligen SVP-Parlamentarier Daniel Alfreider gelingt es am 27. Dezember 2017 im allerletzten Moment fünf Artikel in das Stabilitätsgesetz zu schmuggeln, mit denen der Übergang des Konservatoriums gesetzlich verankert wird. Und zwar sofort.
Fehlende Übergangsbestimmungen
Denn das Gesetz sieht vor, dass das Bozner Konservatorium mit 1. Jänner 2018 – also keine fünf Tage später - an die Freie Universität Bozen übergeht.
Inhaltlich wurden in dem Gesetz drei Kernpunkte festgelegt, die in der aktuellen Diskussion jetzt besondere Relevanz bekommen:
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Das Musikkonservatorium Claudio Monteverdi Bozen, Institut für höhere Kunst- und Musikausbildung, wird mit der Freien Universität Bozen zusammengelegt und führt die Bezeichnung Fakultät für Musik Konservatorium Claudio Monteverdi der Freien Universität Bozen”
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Die wirtschaftliche und dienstrechtliche Behandlung des Lehrkörpers und der Angestellten des Konservatoriums darf sich nicht verschlechtern (diritti aquisiti).
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Dem Staat dürfen durch den Übergang keine Mehrkosten entstehen.
Die Operation Konservatorium ist zwar gut gemeint aber von Anfang an schlecht gemacht. Es fehlt jede gesetzliche Übergangsbestimmung. Damit navigiert die Bozner Musikhochschule formal seit eineinhalb Jahren im luftleeren Raum. Das Konservatorium ist weder beim Staat noch bei Land oder bei der Uni Bozen.
Dass diese Situation im täglichen Leben zu ernsthaften Schwierigkeiten führt, musste etwa der Präsident des Verwaltungsrates des Konservatoriums, Hermann Berger, miterleben. Weil plötzlich eine klare rechtliche Grundlage für seine Institution und sein Amt fehlte, dachte Berger nach Informationen von salto.bz mehrmals an einen Rücktritt.
Ebenso erlebten die Professoren ihr blaues Wunder. Bisher wurde das Konservatorium in allen Rechtsstreitigkeiten von der Staatsadvokatur Trient vertreten. Seit Jänner 2018 ist es damit vorbei. Weil das Konservatorium nicht mehr staatlich ist kann die Staatsadvokatur weder Gutachten verfassen noch Rechtsvertretungen übernehmen.
Die Schubumkehr
Trotz dieser Schwierigkeiten war das Konservatorium in einer durchaus komfortablen Situation. Man hätte die Möglichkeit gehabt, ein entscheidendes Wort bei der Entstehung der neuen Musikfakultät mitzureden. Weil aber am Dominikanerplatz viel Skepsis und ein breiter Widerstand gegen diese Eingliederung besteht, lässt man diese Chance verstreichen.
Anfänglich kommt es zu einem Dialog vor allem zwischen Konrad Bergmeister und dem neuen Direktor Giacomo Fornari. „Mit Bergmeister gab es eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, sagt der Konservatoriumsdirektor heute.
Es ist Arno Kompatscher der mehrmals die verhärteten Fronten aufweicht und in gemeinsamen Treffen das Projekt vorantreibt. Am 4. Oktober 2018 kommt es zu einem Treffen mit dem Unterrichtsminister in Rom. Neben dem Landhauptmann nehmen daran Giacomo Fornari und der Rektor der Freien Universität Bozen Paolo Lugli teil.
„Die Umsetzung ist eine Herausforderung, da es sich dabei um die erste Fakultät für Musik in Italien handelt“, erklärte der Landeshauptmann nach dem Treffen. Der Unterrichtsminister habe deshalb erklärt, diesen Ablauf in Südtirol persönlich zu begleiten. „Ich bin zuversichtlich“, meinte Kompatscher, „dass die dazu nötigen Schritte innerhalb kurzer Zeit gesetzt werden können“.
Mit dem Ausscheiden von Konrad Bergmeister als Unipräsident verändert sich die Stimmung aber deutlich. Der Dialog zwischen Uni und Konservatorium kommt zum Erliegen. „Wir haben keine Informationen was passiert“, sagt Direktor Giacomo Fornari. Rektor Paolo Luigi betreut den Übergang jetzt als persönliches Projekt und hat dafür Rahmenbedingungen vorgegeben, die einer Schubumkehr gleichkommen.
Das Geheimpapier
Zum Ausdruck kommt das im Konzept, das die Universität jetzt für den Übergang und die Eingliederung des Konservatoriums ausgearbeitet hat.
Der Rektor hat für die Erarbeitung des Konzepts eine dreiköpfige Arbeitsgruppe aus der bildungswissenschaftlichen Fakultät Bricen beauftragt. Ihr gehören der Musikpädagoge und ehemalige Professor am Mozarteum in Salzburg Franz Comploi, der Brixner Vertragsprofessor und Musikhistoriker Paolo Somigli und die Trentiner Musikwissenschaftlerin Giulia Gabrielli, ebenfalls Forscherin an der Brixner Bildungswissenschaften, an.
Die Kommission hat jetzt ihre Arbeit abgeschlossen und das fertige Konzeptpapier dem Rektor vorgelegt. „Wir wissen weder von dieser Kommission“, sagt Giacomo Fornari zu salto.bz, „noch kenne ich den Inhalt des Konzepts“.
Dass man das Konzept an der Südtiroler Alma Mater wie ein Geheimpapier hütet, liegt am brisanten Inhalt. Nach Informationen von Salto.bz ist es kein Bauplan einer Eingliederung, sondern der Schlachtplan einer feindlichen Übernahme.
Denn die Professoren der Musikausbildung Brixen haben – nach klaren Vorgaben des Rektors – den Sinn des staatlichen Gesetzes völlig auf den Kopf gestellt. Demnach soll eine Musikfakultät geschaffen werden, in dem die derzeitige Brixner Universitätsstruktur den Ton angibt. Das Konservatorium soll als Art Unterfakultät in dieses neue Gebilde eingegliedert werden. Die amtierenden Professoren des Konservatoriums werden dabei keineswegs den Uniprofessoren – also Comploi & Co – gleichgestellt, sondern zu Lektoren degradiert.Einbetten und rechtfertigen will die Universitätsspitze diesen Handstreich in einen formalen Akt. Für die Schaffung der neuen Musikfakultät braucht es eine Änderung des Statutes der Freien Universität Bozen. Hier will man auch die Rahmenbedingungen für diese feindliche Übernahme festlegen.
Das Veto
Franz Comploi ist für manche am Dominikanerplatz seit langem ein rotes Tuch. Er vertritt nicht nur die Tradition der deutschen Musikvermittlung, dem Abgänger der Meraner LBA wird auch vorgeworfen, bereits vor Jahren die Ausbildung der Musiklehrer vom Konservatorium weg an die Uni Brixen gebracht zu haben. Giacomo Fornari widerspricht dieser Sichtweise: „Wir sind gut befreundet“.
Aber auch im Konservatorium sind die Pläne der Uni inzwischen durchgesickert. Es herrscht eine immer größer werdende Aufregung. „Man will das Konservatorium zerstören“, fasst ein Dozent die Entwicklung zusammen. Weil man den Ernst der Lage erkannt hat, haben einige Professoren über die Gewerkschaften jetzt direkt im römischen Unterrichtsministerium interveniert. Die Forderung: Rom soll eingreifen.
Der Direktor des Konservatoriums sieht das Ganze pragmatischer. „Wenn man uns das Konzept vorlegt, dann werden wir uns mit der Universität inhaltlich auseinandersetzen“.
Denn Fornari hat noch ein Ass im Ärmel, das man an der Unispitze anscheinend außer Acht gelassen hat. Im Gesetz steht, dass es für die Zusammenlegung die Zustimmung und das Einvernehmen des Konservatorium bedarf.
Der Konservatoriumsdirektor meint deshalb kategorisch: „Wir werden nur dann zustimmen, wenn das umgesetzt wird, was auch im Gesetz steht“.
Der Konservatoriumsdirektor meint deshalb kategorisch: „Wir werden nur dann zustimmen, wenn das umgesetzt wird, was auch im Gesetz steht“.
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Nun hat das begriffsstutzige
Nun hat das begriffsstutzige Land und die dumme und arrogante (hängt zusammen) Uni doch noch indirekt erreicht, was sie mit ihrem unsinnigen Diktat erreichen wollte: die Abschaffung des Konservatoriums. Sehr viele wertvolle und im Musikleben weitum bekannte Professoren wollen das sinkende Schiff verlassen, bevor es zu einer Degradierung durch die Uni kommt.