Politica | Justiz

Das Veto des Richterrates

Das oberste Gremium des italienischen Rechnungshofes spricht sich vehement gegen die von der SVP geplante Durchführungsbestimmung aus. Kommt es jetzt zur Zerreißprobe?
12_kommission.jpg
Foto: Presidenza del Consiglio dei Ministri
Die politischen Architekten der Operation dürften sich das Ganze einfacher vorgestellt haben.
Wenn sich am Montag in Rom die Zwölferkommission trifft, dann steht bereits zum zweiten Mal eine Durchführungsbestimmung auf der Tagesordnung, mit der ein nachhaltiger Umbau der regionalen Rechnungshöfe von Trient und Bozen erfolgen soll.
Von der SVP erdacht, sollte im Hochsommer still und leise eine Durchführungsbestimmung erlassen werden, mit der man die eindeutig unbequemste Kontrollinstanz endlich an die politische Leine nehmen will. Die beiden Länder Trentino und Südtirol wollen nicht nur das gesamte Personal der regionalen Rechnungshöfe übernehmen, sondern auch deren Organigramm nachhaltig verändern.
 

Richter auf Lebzeiten

 
Es geht dabei um die Kontrollsektion am Rechnungshof. Bisher wurden alle Richter am Rechnungshof über Wettbewerbe ernannt. Mit einer Ausnahme, die 2011 per Durchführungsbestimmung eingeführt wurde: Es gibt bisher einen Richter, der vom Land vorgeschlagen und im Einvernehmen mit dem Ministerratspräsidium ernannt wird. Dieser Richter bleibt fünf Jahre im Amt.

 
 
Jetzt soll das geändert werden. Unter dem Vorwand der Personalaufstockung sollen zukünftig zwei Richter der Kontrollsektion vom Landtag vorgeschlagen und vom Ministerratspräsidium ernannt werden. Damit vollzieht sich eine ähnliche Entwicklung wie am Verwaltungsgericht. Weg von den Berufsrichtern hin zu politisch ernannten Richtern. Eine Streitfrage dabei: Bisher musste der vom Land ernannte Richter gewisse Voraussetzungen erfüllen. Mit der neuen Durchführungsbestimmung ist das aber nicht mehr der Fall. Zudem ist vorgesehen, dass diese beiden Richter nicht mehr für fünf Jahre, sondern auf Lebzeit ernannt werden.
Da die Kontrollsektion des Rechnungshofes vor allem für die Prüfung der öffentlichen Körperschaften zuständig ist, etwa den Landeshaushalt, die Gebarung des Landtages oder auch die Rechnungslegung der Landtagsfraktionen, kommt das einem Paradigmenwechsel gleich.
Kritiker bemängeln zudem, dass durch die Übernahme des gesamten Personales durch das Land auch die ungeliebte Staatsanwaltschaft am Rechnungshof indirekt in die Abhängigkeit der lokalen Politik und Verwaltung gerät. 
 

Römischer Widerstand

 
Nachdem Salto.bz Anfang Juli die geplante „Aktion Züchtigung“ bekannt gemacht hat, gehen politisch die Wogen hoch. Bereits auf der Sitzung der Zwölferkommission am 6. Juli in Trient sollte die neue Durchführungsbestimmung in trockene Tücher gelegt werden. Doch dazu kam es nicht.
Auf der Kommissionssitzung am Montag in Rom will die SVP jetzt Nägel mit Köpfen machen. Doch genau das wird schwierig werden. Denn inzwischen ist der Widerstand gegen den Umbau deutlich größer geworden. „Wir werden an dem Text noch einige Änderungen vornehmen müssen“, erklärte Antonio Ilacqua, rechte Hand von Regionenminister Francesco Boccia, Mitglied der 12er- und Präsident der Sechserkommission gegenüber dem Corriere dell’Alto Adige am Sonntag.
 
 
Dabei hat man die geplante Durchführungsbestimmung bereits nachgebessert. So wurden inzwischen klare Voraussetzungen festgelegt, die jene Kandidatinnen und Kandidaten erfüllen sollen, die das Land ernennen will.
Dass es aber damit noch lange nicht getan ist, zeigt eine Entscheidung des obersten Gremiums der italienischen Rechnungshöfe.
 

Sorge und Verwunderung

 
Der Consiglio di Presidenza della Corte dei conti ist das oberste Gremium der italienischen Rechnungshöfe. Der Präsidialrat, dem Angelo Buscame vorsteht, setzt sich aus zehn Personen zusammen: sechs aktive Richter und Richterinnen des Rechnungshofes und vier Mitglieder, die vom Parlament (je 2 von Kammer und Senat) ernannt werden.
Auf seiner letzten Sitzung am vergangenen Dienstag, den 21. Juli, hat sich der Präsidialrat sehr kritisch mit der geplanten Durchführungsbestimmung befasst. Wie sehr den höchsten Richtern am Rechnungshof die Neuregelung gegen den Strich geht, geht aus einer Resolution hervor, die man jetzt der Regierung und der Zwölferkommission zukommen ließ.
Dort heißt es:
 
„In particolare, è motivo di preoccupazione l’omessa indicazione dei requisiti, professionali e anagrafici richiesti in capo ai magistrati di designazione politica e, sotto il profilo procedimentale, la mancata previsione dell'essenziale controllo sulla sussistenza dei medesimi requisiti da parte del Consiglio di Presidenza, organo di autogoverno formato da rappresentanti eletti dai magistrati e da rappresentanti eletti dal Parlamento.
In particolare, è motivo di preoccupazione l’omessa indicazione dei requisiti, professionali e anagrafici richiesti in capo ai magistrati di designazione politica.
Se la soluzione della nomina a tempo indeterminato sembra muovere nel senso del rafforzamento e dell’effettività del valore strategico dell'indipendenza, che deve sempre caratterizzare la funzione magistratuale, appaiono incoerenti non solo la previsione che pone gli oneri economici a carico della Provincia e la previsione del transito del personale amministrativo alle Amministrazioni provinciali, ma soprattutto lo stretto radicamento territoriale dei magistrati di nomina regionale o provinciale.“
 
Die Botschaft ist klar und deutlich und wird im Dokument am Ende noch einmal betont: Der oberste Richterrat will sich auf keinen Fall vom Land Südtirol die Kompetenz aus der Hand nehmen lassen, über die Voraussetzungen der Richter selbst zu entscheiden.
Damit aber wird es eng. Denn auch in der Zwölferkommission gibt es politischen Widerstand. Eine Kampfabstimmung könnte unter diesen Vorzeichen für die Erfinder dieser Bestimmung ordentlich in die Hose gehen.
Die SVP scheint hier die Rechnung ohne den Rechnungshof gemacht zu haben.
 

Die Resolution

 
Bild
Salto User
Günther Alois … Lun, 07/27/2020 - 07:01

Wenn man sieht mit welcher Arroganz und Prepotenz die SVP sogar gegenüber den Richter/innen Ernennungen meint vorgehen zu können,dann wird einem Angst und Bang!! FRECHHEIT PUR! Hättet ihr wohl gerne,den Rechnungshof auch noch zu kontrollieren,dass ihr mehr vertuschen könntet.

Lun, 07/27/2020 - 07:01 Collegamento permanente
Bild
Profile picture for user Felix von Wohlgemuth
Felix von Wohlgemuth Lun, 07/27/2020 - 11:14

Der oberste Richterrat des Rechnungshofes ist aber, was die politische Ernennung betrifft, auch kein Kind von Traurigkeit: Vier Mitglieder werden vom Parlament gewählt, der Präsident, der Vize-Präsident und der Generalstaatsanwalt hingegen von der Regierung ernannt…

Lun, 07/27/2020 - 11:14 Collegamento permanente
Bild
Profile picture for user Renate.Holzeisen
Renate.Holzeisen Lun, 07/27/2020 - 13:28

In risposta a di Felix von Wohlgemuth

Das stimmt so nicht! Nur der Präsident des Rechnungshofes wird von der Regierung aus einem Vorschlag bestehend aus fünf Kandidaten, und der vom Präsidialrat des Rechnungshofes unterbreitet wird, gewählt. Der Vizepräsident und der Generalstaatsanwalt am Rechnungshof werden vom Präsidialrat des Rechnungshofes auf der Basis eines Wettbewerbs ausgewählt. Die Ernennung durch die Regierung ist dabei ein rein formaler Akt der Rezeption der vom Präsidialrat des Rechnungshofes getroffenen Entscheidung. Übrigens: diese Art der Bestellung aufgrund eines im Rechnungshof anberaumten Wettbewerbs galt vor der Renzi-Regierung auch für den Präsidenten des Rechnungshofes. Man kann also nicht eine rein formalrechtliche Rezeption durch die Regierung einer aufgrund eines Wettbewerbs getroffenen Auswahl mit der von der SVP beabsichtigten direkten politischen Bestellung gleichsetzen!

Lun, 07/27/2020 - 13:28 Collegamento permanente