Politica | Stadtpolitik

Neue Klänge in Bozen

BM Spagnolli rudert in Sachen Live-Musik zurück. In Zukunft wird für Veranstalter vieles leichter und unbürokratischer. Nun geht's zurück auf's politische Parkett.

Als “Retter der Rockmusik”, wie Luigi Spagnolli vor exakt einem Jahr in den Medien bezeichnet wurde, wird der Bozner Bürgermeister wohl nicht in die Geschichte eingehen. Damals hatte er dem Miracle-Hill-Festival ein Gelände in der Bozner Industriezone zur Verfügung gestellt, nachdem die Veranstaltung am ursprünglichen Austragungsort in Völs am Schlern nicht mehr stattfinden durfte. Doch darüber hinaus war und ist Luigi Spagnolli nicht gerade als Fan von Live-Musik in seiner Stadt bekannt. Beweis dafür ist nicht zuletzt jene Verordnung, laut der für kleine Veranstaltungen mit bis zu 200 Besuchern und die um 24 Uhr enden, nicht nur eine Genehmigung der Gemeinde nötig ist, sondern zusätzlich auch eine Meldung beim Amt für Umwelt und Schutz des Territoriums gemacht werden muss. Von zahlreichen Seiten hagelte es im Herbst 2014 Kritik für Luigi Spagnolli. Die hat er offensichtlich nicht auf sich sitzen lassen. Denn vor drei Wochen, am 5. August, erlässt Bozens Erster Bürger eine weitere Verordnung, mit der die Anfang 2014 eingeführten und in der Musik- und Kulturszene als diskriminierend oder restriktiv bemängelten Maßnahmen zur Live-Musik widerrufen werden.


“Von der Ermächtigungspflicht befreit”

Vor allem in punkto “Lärmbelästigung” rudert der Bürgermeister zurück. Denn nun gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, für die, falls sie “keine besondere Lärmbelästigung” erzeugen und um 22 Uhr desselben Tages enden, keinerlei Genehmigung mehr eingeholt werden muss. Insgesamt betrifft diese Neuregelung 27 Lokale im Bozner Gemeindegebiet. Darüber hinaus werden für zahlreiche Veranstaltungen die Einschränkungen abgemildert. “Es wird für angebracht erachtet (…) die Auflistung der zeitweiligen Veranstaltungen zu aktualisieren, die sowohl im Inneren als auch außerhalb von Gebäuden stattfinden und die aufgrund der Dauer und Art keine besondere Lärmbelastung für das Umfeld darstellen”, liest man in dem zehnseitigen Beschlussdokument. Am besten kommt dabei die Bozner Industriezone davon. Dort ist auch nach 22 Uhr praktisch alles erlaubt, auch wenn “lärmerzeugende Anlagen eingesetzt werden oder jedenfalls eine beträchtliche Lärmeinwirkung auf die Umgebung erfolgt”.

Im restlichen Stadtgebiet sind automatisch alle Flashmobs genehmigt, die nicht länger als 30 Minuten “Beschallungsanlagen” verwenden sowie religiöse Veranstaltungen, Prozessionen oder Faschingsumzüge mit Musik und Gesang. Keine Genehmigungen braucht es in Zukunft auch für Veranstaltungen wie Eröffnungs- oder Jubiliäumsfeiern, die nicht mehr als ein Mal jährlich stattfinden, auf denen für höchstens für vier Stunden (nicht zwingend durchgehend) Musik gespielt wird und die um 22 Uhr enden. Auch zahlreiche Jugendzentren kommen in den Genuss der neuen Regelung. Für Straßenmusiker gilt nach wie vor: Sie müssen bei der Stadtpolizei eine Genehmigung einholen. (Die vollständige Auflistung finden Sie hier.)

Im Amt für Umwelt und Schutz des Territoriums erklärt man den Umschwenk: “Wir haben versucht, die Vorgehensweisen zu entbürokratisieren und den Veranstaltern dadurch das Leben nicht unnötig schwer zu machen”, heißt es. Was einzelne Proteste von Anwohnern angeht, zeigt man Verständnis. Doch will man den Organisatoren auch dabei entgegen kommen: “Für Veranstaltungen, die über den festgelegten Rahmen hinaus gehen, braucht es weiterhin eine Genehmigung. Doch sind aus der Vergangenheit weder Probleme der öffentlichen Ordnung noch mit der Nachbarschaft bekannt, wird diese in der Regel auch ausgestellt.” Eine kleine Revolution also, für Bozen und seinen Bürgermeister. Für den stehen in den nächsten Tagen aber noch weitere Rettungsaktionen an.


Von der Musik in die Politik

Am Donnerstag Abend tritt der Bozner Gemeinderat zum ersten Mal nach der “Benko-Abstimmung” zusammen. Unter anderem muss die Abschlussrechnung von 2014 genehmigt werden. Eine erste Feuerprobe für die mögliche neue alte Regierungskoalition. Noch steht nicht fest, ob Spagnolli weiterhin auf die Unterstützung der Grünen zählen kann. Doch sie haben angekündigt, ebenso wie die Ökosozialen, für die Bilanz zu stimmen. Das bedeute jedoch keinesfalls, dass man damit auch automatisch die Regierung Spagnolli unterstütze, will der Grüne Gemeinderat Tobias Planer klar gestellt wissen: “Unsere Entscheidung fällt am 7. September. Aber nur, falls von Luigi Spagnolli ein formeller Vorschlag zur Zusammenarbeit kommt. Ansonsten wird dieser Punkt nicht auf unserer Tagesordnung stehen.” Damit lässt sich der Bürgermeister aber offensichtlich noch Zeit. Er ist erst seit Kurzem aus dem Urlaub zurück. Gerade erst dahin gestartet ist Cecilia Stefanelli. Sie hat bekanntlich angekündigt, ihren Posten im Gemeinderat räumen zu wollen, sollten die Grünen beschließen, Spagnolli in irgendeiner Form – sei es als Teil der Mehrheit, sei es von außen – zu unterstützen.

Falls Stefanelli ihren Rücktritt tatsächlich in die Tat umsetzt, würde Maria Laura Lorenzini als jene Grüne mit den nächstmeisten Stimmen für sie nachrücken. Lorenzini ist eine beinharte Gegnerin des Benko-Projekts und unter anderem Mitglied der Iniziative “Unsere Stadt”. Es kursieren Stimmen, dass sie bereits jetzt auf das Urbanistikamt schielt. Für die Bauangelegenheiten ist nach wie vor Luigi Spagnolli zuständig. Doch der Stadtrat soll wie berichtet von sieben auf mindestens acht Mitglieder aufgestockt werden. Würde dadurch auch Platz für eine Grüne Urbanistikassessorin? Als Architektin im Amt für Hochbau der Landesverwaltung brächte Lorenzini einiges an Erfahrung und Kompetenz mit. Aber eben auch eine unbestritten ablehnende Haltung in Sachen Benko. Und dann würden die Benko-Gegner im Stadtrat wohl endgültig die Überhand gewinnen und ein Benko-bis wirklich vom Tisch sein. Wird Spagnolli unter Umständen das Urbanistikamt als Köder benutzen, um die Grünen doch noch ins Boot zu holen? In Sachen Live-Musik hat der Bürgermeister ein gutes Gespür bewiesen. Nun muss er aufpassen, auch auf dem politischen Parkett zu bestehen.