Economia | Eigenverwaltungen

Die vergessenen Bürger

Südtirols Bauern haben sich die Eigenverwaltungen einfach unter den Nagel gerissen. Das wird auch am neuen Landesverband deutlich, der vom Bauernbund gepusht wird.
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Foto: Land Südtirol
Am Montagabend wurde ein neuer Landesverband gegründet. Die Eigenverwaltungen von Laas, Mals, Prad, Schleis, Latsch, St. Johann, Wahlen, Weißenbach, St. Peter, Niederdorf und Naturns haben mit Unterstützung des Südtiroler Bauernbundes den „Landesverband der Eigenverwaltungen bürgerlicher Nutzungsgüter Südtirols“ als Genossenschaft aus der Taufe gehoben. „Alle weiteren Eigenverwaltungen sowie Gemeinden, die Nutzungsrechte verwalten, können demnächst Mitglied des neuen Landesverbandes werden“, heißt es in der Aussendung des Südtiroler Bauernbundes dazu.
Und weiter: „ Ziel des Verbandes ist, die Tätigkeiten der Fraktionsverwaltungen zu koordinieren und die Zusammenarbeit zu stärken, als Ansprechpartner für rechtliche und verwaltungstechnische Fragen zur Verfügung zu stehen, die Interessen zu bündeln und ihnen mehr Gewicht zu verleihen. Zudem sollen die Eigenverwaltungen mehr Sichtbarkeit erhalten sowie die Bedeutung und Vorteile dieser Gemeinnutzungsrechte besser kommuniziert werden. Demnächst sollen die Eigenverwaltungen im Hinblick auf eine geplante Überarbeitung des betreffenden Landesgesetzes den Landtagsabgeordneten vorgestellt werden. Auch sind eine bessere Vernetzung der Sekretäre der Eigenverwaltungen und ein Treffen mit der Vergabestelle bzgl. Ausschreibungen geplant.
Auf der Gründungsversammlung wurde auch der erste Verwaltungsrat bestimmt. Es sind Norbert Kirchler, Erwald Anton Kaiser, Armin Plagg, Franz Troger, Martin Bachmann, Julia Mayr, Andreas Weitgruber, Oswald Angerer, Helmuth Pircher. Erster Obmann des Landesverbandes der Eigenverwaltungen ist Oswald Angerer, sein Stellvertreter ist Franz Troger. Als Geschäftsführer des neuen Landesverbandes ist Egon Mutschlechner vorgeschlagen worden. Als Rechnungsrevisorin wurde Carmen Zwick namhaft gemacht.
 

Bürgerliche Nutzungsrechte

 
In Südtirol gibt es derzeit 116 gewählte Eigenverwaltungen bürgerlicher Nutzungsrechte, besser als Fraktionsverwaltungen bekannt. In weiteren 70 Ortschaften werden die bürgerlichen Nutzungsrechte von den jeweiligen Gemeinden verwaltet.
Eigenverwaltungen bürgerlicher Nutzungsgüter (umgangssprachlich auch oft Fraktionen genannt) sind Körperschaften, welche die Gemeinnutzungsgüter der jeweiligen Ortschaften verwalten. Die Entstehung vieler dieser Körperschaften reicht weit bis in das Mittelalter zurück und ist eng mit der geschichtlichen Entwicklung Südtirols verbunden. Grundsätzlich wird bei den Gemeinnutzungsgütern gemäß Staatsgesetz zwischen Wald und Weide und der landwirtschaftlich intensiv nutzbare Flächen unterschieden.
 
 
Die Besonderheit dieser Gemeinnutzungsgüter liegt darin, dass diese Güter Gemeinschaftseigentum aller Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen Ortschaften bilden. Die Nutzungsberechtigten können somit bestimmte Rechte auf den Gemeinnutzgütern ausüben. Dabei handelt es sich zumeist um Weide-, Holzbezugs-, und Fischereirechte.
 

Die Verwaltung

 
Die Verwaltung der Gemeinnutzungsgüter kann entweder durch ein gewähltes Komitee oder durch den Gemeindeausschuss erfolgen.
Mit der Verwaltung von Gemeinnutzungsgütern, die Ortschaften oder Gemeinden gehören, wird grundsätzlich ein Komitee betraut, das aus fünf Mitgliedern besteht. Diesem Komitee wird ein Sekretär zur Seite gestellt. Für die Verwaltung der Gemeinnutzungsgüter mit eigenem Komitee ist eine Selbstverwaltung mit eigener Rechnungs- und Finanzgebarung vorgesehen. Die Verwaltung der Gemeinnutzungsgüter erfolgt mit einer eigenen, vom Verwaltungskomitee verfassten Satzung. Laut Gesetz kann jeder Bürger und Bürgerin
Die fünf Mitglieder des Komitees werden in geheimer Wahl gewählt. Die Wahl wird von der jeweiligen Gemeinde auf Kosten der Ortschaft organisiert. Aktiv und passiv wahlberechtigt sind alle in der Ortschaft ansässigen Bürger, die in der jeweiligen Wählerliste für die Gemeinderatswahlen eingetragen sind.
 
 
Die zweite Möglichkeit der Verwaltung von Gemeinnutzungsgütern ist die Verwaltung dieser Güter durch den Gemeindeausschuss, welche auf einer eigenen Satzung basiert. Sind die Güter grundbücherlich im Eigentum der Gemeinde, kann die Verwaltung über den Haushaltsplan der Gemeinde abgewickelt werden, oder aber mit getrennter Gebarung erfolgen. Sind die Güter grundbücherlich nicht im Eigentum der Gemeinde muss die Verwaltung immer mit getrennter Gebarung erfolgen. Wenn der Gemeindeausschuss als Verwaltungsorgan fungiert, so übernimmt der Bürgermeister die Funktion des Präsidenten und der Gemeindesekretär die Funktion des Sekretärs. In Südtirol gibt es derzeit 70 solche Eigenverwaltungen die über dem Gemeindeausschuss verwaltet werden.
 

Bauer statt Bürger

 
Die Institution „Bürgerliche Nutzungsrechte“ ist in der Allgemeinheit kaum bekannt, weil sich seit Jahrzehnten die institutionelle Bauernschaft dieses Instrument im wahrsten Sinne des Wortes unter den Nagel gerissen hat. Die Allgemeinheit wird ganz bewusst kaum über die Vorgänge, Bestimmungen und die Finanzgebarung dieser Verwaltungen informiert. Man tut einfach so, als gehören diese Rechte allein den Bauern. Bei der Verwaltung dieser Rechte gibt es anscheinend ausschließlich ein Kriterium: Das Interesse der Landwirtschaft und der Bauern.
 
 
Diese Gangart wird jetzt auch dadurch deutlich, dass der neue Landesverband beim Südtiroler Bauernbund - zumindest organisatorisch - angesiedelt ist, dass die Bauernbundspitze (Leo Tiefenthaler/Siegfried Rinner) auf dem offiziellen Foto der Verbandsgründung vor dem SBB-Sitz zu sehen ist und der Bauernbund die Pressemitteilungen verschickt.
Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, hätten der Landesverband der Handwerker oder gar der Cannabis Social Club, genau dasselbe getan. Dabei würde das diesen beiden Vereinigungen genauso zustehen, wie dem Bauernbund.
Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, hätten der Cannabis Social Club, genau dasselbe getan, wie es der Bauernbund seit Jahrzehnten tut.
Das Landesgesetz zur den „Bürgerlichen Nutzungsrechte“ sieht vor, dass die Aufsicht und Beratung der Eigenverwaltung die Abteilung „Örtliche Körperschaften“ innehat. Es ist jene Landesabteilung, die für alle öffentlichen Körperschaften in Südtirol zuständig ist.
Denn die Eigenverwaltungen sind öffentliche Körperschaften, die dem Arbeiter, dem Intellektuellen, dem Hotelier, dem Arbeitslosen und dem Unternehmer genauso gehören wie dem Bauern.
Der SBB hat jetzt aus seinem Arbeitskreis „Bürgerliche Nutzungsrechte im Südtiroler Bauernbund“ jetzt kurzerhand ein offizieller Landesverband gemacht. Damit bleibt alles in der richtigen Hand.
Und aus Bürgerrechten werden Bauernrechte.