Liebes Tagebuch,
heute versteh’ ich die Welt nicht mehr, wieder einmal. Da hat RAI2 am Vorabend des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen ein höchst lehrreiches Filmchen ausgestrahlt – und bekommt jetzt heftigst dafür auf den Deckel. Shitstorm in den sozialen Medien, Politikerproteste, die Sendung wurde bereits abgesetzt. Und das nur, weil eine Stangentänzerin im Öffentlich-Rechtlichen anschaulich Tipps gab, wie frau möglichst sexy ihre „spesa“ erledigen kann: hinternwackelnd das Wagele schieben, Busen raus beim Strecken nach dem Klopapier im oberen Regal, laszives In-die Knie-gehen beim Aufheben von – ups! – runtergefallenen Produkten. Ich bitte Sie. Deshalb die Entrüstung? Ich mache das im Lockdown doch genauso. Und nicht nur: Am Obststand probiere ich stets neckisch eine Banane, Sie wissen eh. Am Wurstbudel drücke ich das Dekolleté an der Vitrine platt, wenn ich der Verkaufsfachkraft (leider zu oft eine Frau) zeige, welchen Schinken ich will. Ständig fällt mir Kleingeld runter, das ich, mich sinnlich auf dem Kunststoffboden windend, wieder aufsammle. An der Kasse strecke ich dem Personal (wieder: enttäuschend oft eine Frau) meinen Ausschnitt entgegen, damit sie oder er das Wechselgeld darin versenken kann. Unerklärlicherweise wird darauf meist verzichtet. Ich lege mich also richtig ins Zeug, obwohl das Publikum sehr zu wünschen übrig lässt: fast ausschließlich andere Hausfrauen oder Rentner. Was soll daran verwerflich sein? Wir haben im Moment doch keine andere Bühne als den Supermarkt. Wir Frauen sind halt so, wir brauchen das, auch 2020, auch in der Pandemie. Alles, was wir zu bieten haben, ist Arschwackeln und Busen rausstrecken. Deshalb bezahlt uns ruhig weniger, wählt uns nicht, ja, bringt uns um, wie allein in in Italien in diesem Jahr schon 64-mal passiert. Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun? Schön wär’s. Wenn alles gut würde.