Società | Tag des Gedenkens

Im Güterwagon nach Auschwitz

Sabine Mayr und Joachim Innerhofer zeichnen die Verfolgung und die Deportation der jüdischen Gemeinde Meran nach. Die bewegenden Biographien einiger Südtiroler Opfer.
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Foto: edition raetia
In Italien hatten die Deportationszüge mit einem Transport von Peschiera del Garda nach Dachau begonnen. Allein aus dem Lager, das in dem Ort Fossoli bei Carpi in der Provinz Modena im Sommer 1942 als Kriegsgefangenenlager errichtet worden und im Dezember 1943 auf Befehl der deutschen Besatzer zu einem Konzentrationslager umfunktioniert worden war, gingen fünf Deportationszüge mit jüdischen Häftlingen nach Auschwitz, vier Transporte nach Bergen-Belsen und einer nach Buchenwald. Das Durchgangslager Fossoli unterstand der Dienststelle Wilhelm Harsters in Verona und wurde von SS-Sturmbannführer Karl Friedrich Titho und SS-Hauptscharführer Hans Haage, den späteren Kommandanten des Konzentrationslagers in Bozen, geleitet.
In den „Osten“ des deutschen Machtbereichs verschleppt, wurden die meisten Deportierten nach der Ankunft zu Erschießungsgruben oder Gaskammern geführt. Wer nicht gleich ermordet wurde, „durfte“ Zwangsarbeit leisten, um der „Vernichtung durch Arbeit“ zum Opfer zu fallen.
 
Mit einem Frachtzug, der am 5. April 1944 aus Fossoli abfuhr und in Verona Halt machte, wurden 935 Menschen nach Auschwitz deportiert. Darunter befanden sich auch der Pelzwarenhändler David Apfel, der seit 1923 in Meran ein Pelzwarengeschäft führte, der Fotograf Edmund Breuer, der 1909 in Meran geboren, am 25. Februar 1944 in Rom festgenommen wurde, und die 1898 in Meran geborene Erzieherin Dorothea Gronich, Tochter von Antonia Herches und des Chemikers Wolfgang Gronich.
 

Alfred Grün (1900 – unbekannt)

 
Der Handelsagent Max Grün lebte mit seiner aus Lublin stammenden Frau Rosa Goldberg zuerst in Warschau, wo am 2. Juli 1900 ihr erster Sohn Alfred geboren wurde, dann in Graz, wo am 10. März 1907 Johann geboren wurde, ab 1909 in Bozen und ab 1912 in Meran. Die Familie Grün war Mitglied der jüdischen Gemeinde. Sie wohnte zunächst in der Villa Modl in der heutigen Piavestraße und in den 1930er-Jahren im Haus Alpenheim in der Maiastraße 3.
Ein Verwandter von Max Grün war Hermann Grün, der im Herbst 1923 die Produktionstätigkeit der Etschtaler Strick-, Wirkwaren- und Farbbänderfabrik unter der damaligen Algunder Adresse Mühlbach 107 aufnahm. An der Etschtaler Strick- und Wirkwarenfabrik war auch Max Grün beteiligt, die Firma ging wenige Jahre später in Konkurs. Ab 1. Mai 1927 arbeitete Johann Grün in der Meraner Schusterwerkstatt in der Algunder Straße 8.
1936 starb Max Grün. Im Frühjahr 1939 flüchtete Alfred Grün mit seiner Mutter und seinem Bruder zu Bekannten nach Mailand. Anna Pizzuti erforschte, dass Alfred und Johann Grün zunächst im Lager Ferramonti in Tarsia in der Provinz Cosenza interniert waren. Das Lager Ferramonti in Kalabrien war eines der größten der 15 Lager, die Mussolini zwischen Juni und September 1940 für politische Dissidenten und „rassisch“ Verfolgte errichten ließ. Zwischen Juni 1940 und August 1943 befanden sich in Ferramonti mehr als 3.800 „rassisch“ Verfolgte, von denen nur etwa 140 die italienische Staatsbürgerschaft besaßen.
 
Am 13. Mai 1942 waren Alfred und Johann Grün in Montereale in der Provinz L’Aquila interniert. Im November 1943 wurde Alfred Grün von L’Aquila in das Durchgangslager Fossoli deportiert, von dort am 5. April 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Zeitpunkt und Ort seiner Ermordung bleiben im Dunkeln. Es wird auch bezweifelt, ob er den Transport überlebte und ihm in Auschwitz eine Erkennungsnummer zugeteilt wurde. Johann Grün wurde Pizzuti zufolge von L’Aquila nicht deportiert und konnte wie seine Mutter Rosa in die Schweiz flüchten. Dieser gelang die Flucht in die Schweiz am 20. Oktober 1943.
 

Markus Krys (1877–1944) – Josefine Krys (1878–1944)

 
Unter den Opfern, die am 5. April 1944 aus Fossoli deportiert wurden, waren auch der Lemberger Kaufmann Markus Krys, am 2. April 1877 geboren, und seine am 25. Oktober 1878 in Wien geborene Frau Josefine Krys, ledig Weinberger, die Schwester Malwine Lehmanns. Markus Krys lebte seit 1911 in Meran, arbeitete als Buchhalter und Hotelsekretär und wurde 1921 in den Meraner Heimatverband aufgenommen. Am 30. Dezember 1923 feierten Josefine und Markus Krys in der Passerstadt ihre Hochzeit. An der Adresse Schlehdorfweg 1 führte Markus Krys das Modewarengeschäft J. Weinberger.
 
Am 5. August 1939 flüchtete das Ehepaar in Richtung Fondo ins Trentino und weiter nach Brescia. Am 22. Februar 1941 wurde Markus Krys in Ferramonti in der Provinz Cosenza interniert, Josefine Krys widerfuhr dies in Treia in der Provinz Macerata. Am 7. März 1941 waren beide im Internierungslager Ferramonti. Am 25. September 1941 wurden sie in Clusone in der Provinz Bergamo festgehalten und am 29. Juni 1942 in Gromo, ebenfalls in der Provinz Bergamo, wo noch im September 1943 ihre Anwesenheit aufgezeichnet wurde. Laut Picciotto und Villani wurden Markus und Josefine Krys bis 23. Februar 1944 im Gefängnis von Bergamo festgehalten und anschließend in das Durchgangslager Fossoli gebracht. Mit weiteren 690 Deportierten wurden sie nach ihrer Ankunft in Auschwitz am 10. April 1944 ermordet.
 

Charlotte Landau (1885 – unbekannt) – Felicitas Landau (1913 – unbekannt)

 
Charlotte Neuwohner wurde am 18. Februar 1885 als Tochter von Fanny Balaban und Isaac Emanuel Neuwohner in Lemberg geboren. Sie heiratete Josef Landau, der 1882 als Sohn von Maria Altmann und Chaim Aron Landau in Glashagen (Kamionka), einer kleinen polnischen Ortschaft in Westpommern, geboren wurde. Am 15. Februar 1913 kam in Lemberg ihre Tochter Felicitas Feiga Landau zur Welt. Seit 1924 lebte die Familie in Bozen, wo Josef Landau ab 20. Juni 1925 in der damaligen Meranerstraße 156 in Gries, der heutigen Mendelstraße, einen Handel mit Foto- und Lichtbildvergrößerungen führte, den er allerdings nach wenigen Jahren aufgeben musste.
Ab 1937 scheint Josef Landau aus einem unbekannten Grund nicht mehr in Bozen zu leben. Charlotte und Felicitas Landau wohnten in der Leonardo-da-Vinci-Straße 8. Am 6. September 1939 wurden sie wegen verspätet abgegebener „Erklärungen der Rassen- zugehörigkeit“ zu zehn Tagen Arrest und einer Geldbuße von 100 Lire verurteilt. Am 22. Juli 1940 war Charlotte Landau in Lanciano in der Provinz Chieti interniert, wo sie sich mit ihrer Tochter Felicitas auch im Juni 1942 noch befand. Am 8. Oktober 1943 waren Felicitas und Charlotte Landau in Sforzacosta in der Provinz Macerata interniert. Am 30. November 1943 wurden sie in Pollenza von der SS verhaftet und zuerst im Gefängnis von Macerata, ab März 1944 im Durchgangslager Fossoli festgehalten. Am 5. April 1944 wurden Felicitas und Charlotte Landau in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, von wo keine weiteren Anhaltspunkte über ihr Schicksal überliefert sind.
 

Käthe Collin (1886 – unbekannt)

 
Unter den am 5. April 1944 aus Fossoli deportierten Opfern befand sich auch Käthe Collin, geschiedene Maier, die am 2. November 1886 in Nordhausen im heutigen Thüringen als Tochter von Olga Pintus und Hermann Collin geboren wurde. Sie war am 27. September 1937 aus Berlin nach Meran gekommen, am 22. August 1938 in der Zählung der jüdischen Einwohner Italiens erfasst worden und am 31. Juli 1939 nach San Remo geflüchtet. Am 27. April 1942 erhielt das Meraner Speditionsunternehmen Hartmann angeblich eine letzte Nachricht von Käthe Collin aus Pollenza in der Provinz Macerata. Am 30. November 1943 wurde sie in Macerata festgenommen. Im März 1944 wurde Käthe Collin in das Durchgangslager Fossoli und von dort in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau überstellt. Das Speditionsunternehmen Rudolf Hartmann verrechnete am 26. August 1948 der jüdischen Gemeinde für die Lagerung der privaten Wertsachen Käthe Collins, die sie vor ihrer Flucht deponiert hatte, einen Betrag von 42.000 Lire, was etwa der Hälfte des Jahresbudgets der jüdischen Gemeinde im Jahr 1946 entspricht.
 

Die Fragen des Stadtpolizisten

 
Unter den Gefangenen des Transports von Fossoli nach Auschwitz vom 16. Mai 1944 waren die Sekretärin des Meranerhofs Hedwig Tauber, die Familie Nelly, Anton und Arnold Stützel, letzterer Sohn des Meraner Bekleidungshändlers Mayer Stützel, Betty Krys-Schneid, die Schwester von Markus Krys, David Fleischer, der, am 20. Juni 1913 in Görlitz (Gorlice) geboren, zuletzt in Mailand wohnte, am 30. November 1943 in der Provinz Belluno in „Schutzhaft“ genommen und in das Durchgangslager Fossoli deportiert wurde. In Auschwitz wurde David Fleischer am 23. Mai 1944 als arbeitsfähig selektiert. Am 25. Jänner 1945 wurde er von Auschwitz in das Konzentrationslager Mauthausen eingeliefert und in das Außenlager Ebensee überstellt. David Fleischer starb einem Eintrag im Häftlingszugangsbuch der politischen Abteilung zufolge am 25. April 1945.
 

Auguste Freund (1882–1944)

 
In einem Güterwagen desselben Transports eingeschlossen war auch die Glas-, Porzellanwaren- und Steinguthändlerin Auguste Freund. Sie wurde am 17. April 1882 als Tochter von Rosa Koralek und Leopold Freund in Prag geboren und lebte seit 1920 in Bozen. Hier führte sie am Obstmarkt 9 ein Geschäft, das mit seinen bunten, zerbrechlichen Glaswaren und dem vielen ausgestellten Geschirr Erwachsene und Kinder bezauberte.
 
Daran erinnert sich die Zeitzeugin Theresia Gasser, der als junge Kundin auch das Vergnügen nicht entgangen ist, das Auguste Freund an der Freude der Kinder hatte, die ihr Taschengeld am liebsten für eine Tasse aus ihrem Geschäft ausgaben: „Es war so eine liebe Frau. Sie waren zu zweit im Geschäft, beide waren sehr nett. Ich bin Auguste Freund auch öfters auf der Guntschnastraße in der Nähe der Villa Theresia begegnet.“
Aufgrund der antijüdischen Bestimmungen – „per disposizioni razziali“, wie Auguste Freund in einem Schreiben an die Behörden festhielt – musste sie ihre Geschäftstätigkeit am 31. Juli 1939 einstellen. 1939 wohnte sie in der damaligen Via Mazzini 34, der heutigen Fagenstraße, bei Familie Torggler, die im Dezember 1939 eine Auskunft verweigerte, als sie von einem Bozner Stadtpolizisten im Auftrag des Meldeamtes nach Auguste Freunds Aufenthaltsort befragt wurde. Die Umstände der Verhaftung Auguste Freunds sind nicht bekannt. Ihr Bruder Viktor Freund wurde am 23. Juli 1942 von Prag in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, von dort am 4. August 1942 in das Vernichtungslager Maly Trostinez bei Minsk überstellt und ermordet.
 

Unmenschliche Selektion

 
Der nächste Transport von Fossoli nach Auschwitz fuhr am 26. Juni 1944 ab, machte in Verona Halt und kam am 30. Juni 1944 in Auschwitz an. Danuta Czech nennt an die tausend mit diesem Transport deportierten Häftlinge, von denen 550 von Liliana Picciotto identifiziert werden konnten. Nach der Ankunft führten an einem Tischchen sitzende Ärzte und SS-Offiziere die Selektion durch. 180 Männer und 51 Frauen bestanden sie und erhielten eine Nummer, alle anderen wurden in der Gaskammer ermordet. Unter den Deportierten waren der Kleiderhändler Max Birnbaum aus Sanok in Polen, der in den 1930er-Jahren in Meran lebte und vermutlich 1944 in Rom festgenommen wurde, Ernst und Fanny Pincsohn, geborene Proskauer, die aus Berlin nach Meran geflüchtet waren und in Verona den Nazi-Häschern in die Hände fielen, sowie das Ehepaar Jakob und Rosa Augapfel, geborene Wallach, aus Buczacz in Galizien. Sie waren ihren Söhnen, dem Arzt Hermann Augapfel und dem Pelzwarenhändler Moses Augapfel, 1938 aus Wien nach Meran gefolgt.
Am 1. August 1944 erfolgten die letzten Transporte aus dem Durchgangslager Fossoli, zuerst auf Lastwagen nach Verona und von dort am 2. August 1944 in Güterwagen Richtung Auschwitz, Buchenwald, Ravensbrück und Bergen-Belsen. Unter den 156 Menschen, die am 2. August 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, waren die Bankangestellten Martin Krebs und Adolf Schwarz.
 

Adolf Schwarz (1871 – unbekannt)

 
Adolf Schwarz wurde am 4. Juli 1871 als Sohn von Julia Stern und Isidor Schwarz in Stadtschlaining (ungarisch Városszalónak) im Burgenland geboren und wohnte 1933 im Haus Waldenburg in der Meraner Schafferstraße 24, in dem zur selben Zeit auch der Bozner Bankier Arnold Schwarz wohnte. Zuvor lebte Adolf Schwarz an verschiedenen Orten, in Budapest, Bozen und im Trentino. Er war Mitglied der jüdischen Gemeinde in Meran. Adolf Schwarz war auch in Antwerpen als Handelsvertreter für Weine tätig und kehrte am 6. Oktober 1936 von dort zurück. Sein Bruder war Rechtsanwalt in Budapest.
 
Cinzia Villani zufolge wurde Adolf Schwarz an einem unbekannten Ort, vermutlich im Trentino, festgenommen und am 20. April 1944 ins Gefängnis von Trient gebracht. Ein Kommando aus Sipo und SD ordnete am 31. Mai 1944 die Verlegung jüdischer Häftlinge aus dem Gefängnis in Trient in das Durchgangslager Fossoli an.
Unter ihnen waren das genannte, aus Meran geflüchtete Ehepaar Augapfel, Gino Tedeschi aus Arco und Adolf Schwarz. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach dem 4. Juni 1944 wurden sie nach Fossoli überstellt. Von dort wurden sie am 1. August 1944 nach Verona gebracht und am 2. August 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie am 6. August 1944 ankamen. Einige Quellen sprechen davon, dass Adolf Schwarz gleich bei seiner Ankunft ermordet wurde. Laut CDEC wurde Adolf Schwarz nach Bergen-Belsen deportiert. Auch die Daten des United States Holocaust Memorial Museum in Washington sprechen davon, dass er von Auschwitz in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert und ermordet wurde. Sein Bruder hatte im Sommer 1944 durch das Rote Kreuz eine letzte Nachricht von Adolf Schwarz erhalten.
 

Hans Eiseck (1900 – unbekannt)

 
Am 1. August 1944 wurde auch der Arzt Hans Eiseck deportiert. Er wurde am 22. Januar 1900 als Sohn von Ida Cohen und Ernst Eiseck in Berlin geboren, wo sein Vater Arzt war. Hans Eiseck flüchtete im März 1934 nach Klausen und erwarb dort den Helmhof. Nach der Einführung der italienischen Rassengesetze musste er die Provinz Bozen verlassen. Hans Eiseck wurde am 30. November 1943 in Civitella del Tronto in der Provinz Teramo verhaftet, im Gefängnis von Verona festgehalten und am 2. August 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Sein Besitz in Klausen wurde im November 1944 als feindliches Eigentum beschlagnahmt. In der Nachkriegszeit wurde der von der Anselmi-Kommission untersuchte Eigentümerwechsel rückgängig gemacht und der Hof an die rechtmäßigen Erben rückgestellt.
 

Durchgangslager Bozen

 
Nachdem die Transporte aus Fossoli eingestellt wurden, begannen sie unter der Anleitung von Sipo und SD im „Polizeilichen Durchgangslager“ in Bozen. Von hier fuhren 14 Transporte mit insgesamt 3.405 Inhaftierten ab, fünf nach Mauthausen, drei nach Flossenbürg, drei nach Dachau, zwei nach Ravensbrück und einer nach Auschwitz. Mit dem Transport vom 24. Oktober 1944 wurden 134 Häftlinge nach Auschwitz verfrachtet, aus denen am 28. Oktober 1944 59 Männer selektiert wurden und nur 17 überlebten.
Unter den am 24. Oktober 1944 von Bozen ins Vernichtungslager Auschwitz- Birkenau Deportierten befand sich Breinde Finder, die am 8. Februar 1890 in der kleinen polnischen Stadt Stopnitz (Stopnica) geboren wurde, in der es im 18. Jahrhundert eine größere, mit Privilegien und Berufsrechten ausgestattete jüdische Gemeinde gab. Am 13. September 1944 wurde Breinde Finder, die zuvor in Bozen gelebt hatte, in der lombardischen Ortschaft Magreglio oberhalb des Comer Sees festgenommen. Am 24. Oktober 1944 wurden ferner der Meraner Medizinstudent Leopold Götz deportiert, der Wiener Zuckerbäcker Arthur Spielberger, der in Wien geborene und in Bozen niedergelassene Rechtsanwalt Wilhelm Alexander Loew sowie der Kaufmann Josef Weinstein aus Bánov bei Ungarisch Brod, ein großen Einsatz zeigendes Mitglied der jüdischen Gemeinde in Meran.
 

Arthur Spielberger (1887–1945)

 
Arthur Spielberger wurde am 26. Juli 1887 als Sohn von Zilli Ranzenhofer, einer Näherin aus Nikolsburg, und Albert Spielberger in Wien geboren und war von 1901 bis 1905 Zuckerbäckerlehrling sowie von 1905 bis 1914 Zuckerbäckergehilfe. Während des Ersten Weltkriegs war Arthur Spielberger Koch an der Front. 1919 wurde er Zuckerbäckermeister und führte eine Konditorei in der Wehlistraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk, die er im Juli 1938 schließen musste.
Ab 5. Juli 1938 leitete Arthur Spielberger die Umschulungskurse für Konditoren der Wiener jüdischen Gemeinde, die am 10. November 1938 jedoch gesperrt wurden. Bis 1939 wohnte die Familie Spielberger in der Admiral- Scheer-Gasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Arthur Spielberger war mit Anna Schrank verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder: Albert, geboren am 21. Juli 1916, und Paul, geboren am 10. Mai 1920.
Nachdem die Familie am 18. Juli 1939 in Wien abgemeldet worden war, lebte sie in Bozen.
Als Arthur Spielbergers letzter Aufenthaltsort in Freiheit wird Magreglio genannt. Am 13. September 1944 wurde er festgenommen. Wann Arthur Spielberger in das Durchgangslager Bozen kam, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass er am 24. Oktober 1944 von dort in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, wo er am 28. Oktober 1944 selektiert wurde.
Am 25. Jänner 1945 wurde Arthur Spielberger von Auschwitz in das Konzentrationslager Mauthausen eingeliefert, bekam die Häftlingsnummer 117294 und wurde in Quarantäne überstellt. Dann wurde er als Hilfsarbeiter in das Außenlager Melk und später nach Ebensee gebracht. Arthur Spielberger überlebte bis zur Befreiung des Außenlagers Ebensee am 5. Mai 1945 und starb am 18. Mai 1945.
Anna Spielberger überlebte die Verfolgungen in einem Versteck in Mailand. Ihre Söhne Albert und Paul waren im November 1939 unter jenen rund 1.200 jüdischen Flüchtlingen, die mit dem sogenannten Kladovo-Transport ohne Einreisezertifikate der britischen Mandatsregierung nach Palästina zu gelangen versuchten und zu Jahresende 1939 im kleinen Donauhafen Kladovo im Dreiländereck Rumänien–Jugoslawien–Bulgarien gestoppt wurden, da die rumänischen Behörden die Weiterreise über die Donau verweigerten. In der Industriestadt Šabac westlich von Belgrad fielen sie im Frühjahr 1941 der Wehrmacht in die Hände. Die Kladovo-Flüchtlinge wurden interniert und dazu gezwungen, in Zasavica ein neues Konzentrationslager zu errichten.Der österreichische General Franz Böhme, der auf den Balkan entsandt wurde, um „Sühnemaßnahmen“ gegen den bewaffneten Widerstand der Partisanen durchzuführen, und den Befehl zur „Säuberung des Save-Bogens“ gab, ließ Anfang Oktober 1941 bei einer solchen „Sühnemaßnahme“ zahlreiche Männer des „Kladovo-Transportes“ von einer zu einem großen Teil aus Österreichern bestehenden Einheit der Wehrmacht erschießen. Albert und Paul Spielberger wurden am 12. Oktober 1941 erschossen.
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