Cronaca | Homosexuelle Partnerschaften

Renzi streicht die Segel

Es gibt die These, das Christentum sei inzwischen zu einem Vorkämpfer der Menschenrechte geworden. Der Streit um das Adoptionsrecht beweist, dass es nur teilweise stimmt.
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Im Senat hat am Donnerstagabend das Gesetz für homosexuelle Lebenspartnerschaften die erste Lesung hinter sich gebracht. Das Recht auf die sog. „Sukzessivadoption“ blieb dabei auf der Strecke. Für den „Corriere della Sera“ war es deshalb Renzis erste große Niederlage.

Was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seit Jahren auch für Italien anmahnt, ist in anderen Ländern längst geregelt. Eigentlich enthielt der von der PD-Senatorin Cirinnà eingebrachte Gesetzesentwurf auch das Recht auf „Sukzessivadoption“: Bringt ein Partner ein Kind mit, kann es auch der andere adoptieren. In Deutschland ließ das Verfassungsgericht im Frühjahr 2013 diese Adoptionsmöglichkeit zu. Aber in Italien beansprucht die Katholische Kirche in solchen Dingen ein faktisches Vetorecht. Für sie war die Adoption der Knackpunkt: Zwei Männer oder Frauen, die gemeinsam für ein Kind verantwortlich sind, das geht nun wirklich nicht. Das setzt ihre Partnerschaft ja schon fast einer Ehe gleich. Der „Traum Gottes“, so Franziskus in aller Freundlichkeit, sehe anders aus.

Parlamentarische Folklore

Obwohl der Riss durch alle Parteien ging, schien es eine „laizistische“ Mehrheit auch für diese Regelung zu geben. Die Mehrheit der PD-Fraktion, SEL, Überläufer von rechts und fast alle Grillini, das müsste auch im Senat reichen, wo die Regierungsmehrheit knapp ist. Renzi wollte den Konflikt mit dem kirchentreuen Koalitionspartner Alfano und den eigenen „Cattodem“ riskieren. Er will Modernisierer sein, auch in den Augen Europas.

Nicht der Traum Gottes?

Nicht der Traum Gottes?

Aber dann kamen die Querschüsse. Der erste von der Lega, für die Schwule und Lesben fast so hassenswert sind wie muslimische Flüchtlinge. Wie immer versuchte sie es auch diesmal mit Obstruktion, ihr Experte ist der „ehrenwerte“ Senator Calderoli. Seine Borniertheit, Bauernschläue und absolute Gewissenlosigkeit machen ihn fast kreativ. Für die Debatte über die Senatsreform vor einigen Monaten gab er eine Software in Auftrag, die maschinell 500.000 „emendamenti“ produzierte. Das Parlament wäre lahmgelegt, hätte es nicht längst aus Notwehr ein Instrument erfunden, das merkwürdigerweise „Känguruh“ heißt: Vor dem Beginn der Debatte wird ein Zusatzantrag gestellt, der alle anderen Zusatzanträge zur Makulatur macht. Es funktioniert, aber hat eine Nebenwirkung: Es verhindert jede Debatte. Die Kammer kann nur noch zustimmen oder ablehnen. Da die Lega immer wieder dieses Spiel beginnt, betrachtet sie offenbar schon das als Teilerfolg.

Der Tanz ums „Känguruh“

Dieses Spiel begann sie auch beim Gesetz für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Diesmal hatte Calderoli „nur“ 5000 Zusatzanträge gestellt, woraufhin die Befürworter – es wird Routine – wieder das „Känguruh“ vereinbarten. Da kam jedoch der zweite Querschuss, diesmal von der 5-Sterne-Bewegung, die vorher versichert hatte, den ganzen Gesetzentwurf samt Adoptionsrecht und schließlich auch samt „Känguruh“ mittragen zu wollen. Sie ließen plötzlich verlauten, sich den letzten Punkt anders überlegt zu haben. Wofür es einen formalen Grund gab: Calderoli hatte in der Zwischenzeit die Anzahl seiner Zusatzanträge von 5000 auf 500 „gekürzt“. Das war gut gezielt, denn es spaltete die Front der Befürworter, wenn auch zunächst nur in einer „taktischen“ Frage: Für die PD genügten auch 500 Zusatzanträge, um am „Känguruh“ festzuhalten, während die Grillini – kurz vor Sitzungsbeginn – erklärten, diese Zahl sei so gering, dass sich nun das „Känguruh“ erübrige. Da wurde blitzartig deutlich, mit welchem Misstrauen sich die Akteure der „transversalen“ laizistischen Mehrheit gegenüber standen. Sofort wurde behauptet, die Kehrtwendung der Grillini sei auf eine Intervention „von oben“ (Casaleggio) zurückzuführen. Dort sei man inzwischen der Überzeugung, dass es der Bewegung nutzen könne, wenn sie ihr Verhältnis zur Kirche verbessert, da ja auch Katholiken zu ihren Wählern gehörten. Und Renzi glaubte, dass die Grillini nur auf eine Gelegenheit warten, um die verhasste PD in die Falle einer Niederlage zu locken.

Rückzug

Renzi nahm sich einige Tage Bedenkzeit, dann verkündete er Rückzug. Wir dürfen uns nicht von der Zustimmung der Grillini abhängig machen, die gerade erneut bewiesen haben, dass sie zu jedem „Verrat“ fähig sind. Also geben wir den Plan auf, mit dem Cirinnà-Gesetz auch das Adoptionsrecht durchzusetzen, für das, wie es scheint, wir ihre Unterstützung bräuchten. Stattdessen suchen wir ab sofort den Kompromiss „nach innen“, mit den Cattodems und Alfano, um wenigstens die Regelung der homosexuellen Partnerschaften durchzubringen. Das Adoptionsrecht verschieben wir auf später. Da jetzt unsere eigenen Laizisten den Aufstand versuchen könnten, verbinden wir es mit der Vertrauensfrage. Womit auch die Hoffnung erledigt wurde, vielleicht doch noch im Senat für das Adoptionsrecht eine „transversale“ Mehrheit zu finden.

Im Kontext Italiens ist dieses Ergebnis immer noch ein Fortschritt. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften treten aus dem institutionellen Niemandsland heraus und erhalten finanzielle und soziale Rechte, die bisher nur Ehepartnern vorbehalten waren. Was natürlich keineswegs ihre Gleichsstellung mit der „Ehe“ bedeutet, Gott bewahre. Für das Menschenrecht der Kinder, Rechte zu haben, ist es eine Niederlage. Sie bleiben in einer Zweiklassengesellschaft. Zumindest diejenigen, die das Pech haben, in eine solche Partnerschaft mitgebracht zu werden. Der andere Partner darf sie nicht adoptieren, die damit verbundenen Garantien bekommen sie nicht. Weil er eben kein Ehepartner ist.

So bleibt das melancholische Resümee: Obwohl es im Parlament vielleicht eine laizistische Mehrheit gibt, wurde aus gegenseitigem Misstrauen eine Chance verspielt. Der „Traum Gottes“ geht weiter vor Menschenrecht. In diesem Fall vor Kinderrecht. Es bleibt nur die Hoffnung, dass sich auch in Italien (wie in Deutschland) das Richterrecht weiter entwickelt. Oder die Hoffnung auf eine Reform des gesamten italienischen Adoptionsrechts, welche nun Renzis Ministerin Boschi ankündigt. Es klingt ein wenig nach Trostpflaster.

Am Donnerstabend fand im Senat die Abstimmung über den revidierten Gesetzesentwurf statt, also ohne „Sukzessivadoption“. Die Regierung hatte sie mit der Vertrauensfrage verbunden. Das Ergebnis scheint komfortabel: 173 dafür, 71 dagegen, die Fraktion der 5-Sterne-Bewegung nahm an der Abstimmung nicht teil. Bemerkenswert. Das Ergebnis lag nur deshalb über der absoluten Mehrheit (161 Abgeordnete), weil auch 18 „Verdiniani“ dafür stimmten, eine Abspaltung aus dem Berlusconi-Lager, die (bisher) nicht zur Koalition gehört.

Alfano erklärte anschließend, seine NCD habe „ein anthropologische Revolution gegen die Natur verhindert“.

PS: Der Meinungsforscher Ilvo Diamanti veröffentlichte eben in der „Repubblica“ das Ergebnis einer letzten Umfrage: Das erzielte Ergebnis über die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften entspreche der Mehrheitsmeinung. Für ein Gesetz über diese Partnerschaften sei die Mehrheit, aber auch gegen das Recht auf Sukzessivadoption. Sogar unter den PD-Wählern sei nur eine – allerdings starke – Minderheit von 46 % dafür.