Economia | Berglandwirtschaft

„Ein großer Qualitätssprung“

Seit kurzem ist die Tätigkeit der Almsennerinnen und Almsenner ein anerkanntes Berufsbild. Die Ausbildungsstätte Fürstenburg in Burgeis gibt Einblicke in die Branche.
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Foto: IDM / Sennereiverband Südtirol / Franco Cogoli
Die Landesregierung hat kürzlich die neue Berufliche Qualifikation für Almsenner*innen genehmigt. „Über die berufliche Weiterbildung versuchen wir verstärkt, eine über die Landesgrenzen hinaus gültige Qualifikation zu ermöglichen“, so der dafür zuständige Landesrat Philipp Achammer. Der Lehrgang im Umfang von 110 Stunden und die anschließende Prüfung zur beruflichen Qualifikation der Almsenner*innen wird an der Landesfachschule Fürstenburg in Burgeis im Vinschgau angeboten, die schon seit den frühen 1990er Jahren Senner*innen aus- und weiterbildet.
Die meisten Betriebe behalten den Großteil ihrer Kühe im Sommer im Tal, weil in dieser Zeit die Milch besser bezahlt wird.
„Im Zuge des Leader-Programms hat man beschlossen, die Almen im Vinschgau aufzuwerten, die über eine lange Tradition der Käse- und Butterherstellung verfügen“, erklärt Monika Aondio, Schulleiterin der Fachschule Fürstenburg. Das Leader-Programm der EU existiert bereits seit knapp 30 Jahren und zielt darauf ab, lokale Akteur*innen in ländlichen Gebieten in die Entwicklung ihrer eigenen Regionen miteinzubeziehen.
 
 

Neue Berufsqualifikation

 
„Um die Qualität von Käse und Butter zu verbessern, haben wir begonnen die Arbeitskräfte der Almen zu schulen. Sie lernen, wie die Produkte unter Einhaltung der Hygienebestimmungen hergestellt werden und den Umgang mit den Tieren“, so Aondio. An der Ausbildung teilnehmen, können nur Personen mit einem Arbeitsvertrag auf einer Alm. „Mit der Beruflichen Qualifikation wird der eigene Berufstitel der Almsennerin und des Almsenners italienweit etabliert und in Europa anerkannt“, erklärt Aondio.
Auch die Bauernhöfe profitieren von der Beruflichen Qualifikation: „Die Herstellung von Qualitätsprodukten garantiert den bäuerlichen Betrieben, die ihre Kühe auf die Alm bringen, einen bestimmten Preis.“ Bevor die Fachschule Fürstenburg Senner*innen ausgebildet hat, habe das Qualitätsniveau der Almprodukte stark variiert. „Heute sind die Almen gut ausgestattet und entsprechen den Hygieneanforderungen. Außerdem werden sie vom tierärztlichen Dienst und dem Sennereiverband Südtirol betreut. Dadurch gab es in den letzten Jahren einen großen Qualitätssprung“, erklärt die Schulleiterin der Fürstenburg.
 
 

Die Attraktivität des Berufsbilds

 
Der Andrang für die Ausbildung ist groß, jedes Jahr gibt es bis zu 25 Anmeldungen an der landwirtschaftlichen Fachschule in Burgeis. Aufgrund der begrenzten Teilnehmer*innenanzahl können nicht immer alle Angemeldeten den Kurs besuchen. Gleichzeitig ist das Berufsfeld durch einen hohen Wechsel der Mitarbeiter*innen geprägt: „Das hat verschiedene Gründe. Der Vinschgau ist sehr nahe an der Schweiz, viele Almsenner*innen wechseln deshalb nach ein, zwei Jahren dorthin oder suchen sich auch innerhalb Südtirols eine andere Alm. Es gibt zudem Personen, die sich unter dem Berufsbild etwas anderes vorgestellt haben. Die Realität ist dann anders als die Wunschvorstellung“, erklärt Haid.
Wenn man um drei oder halb vier aufsteht, wird es ansonsten ein sehr langer Tag.
„Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Almen keine Ganzjahresstellen anbieten können. Damit müssen Almsenner*innen sich für den Winter eine andere Arbeit suchen, was nicht immer leicht ist“, sagt Haid. Jene, die sich trotz der Schwierigkeiten für diesen Beruf entscheiden, arbeiten gerne in den Südtiroler Bergen: „Es sind Menschen, die in der Natur sein wollen. Sie gehen in den ersten Frühlingsmonaten auf die Alm und kehren im Herbst zurück“, sagt Aondio.
 
 
„Auf der Alm beginnt der Tag sehr früh, es ist nichts für Langschläfer*innen. Die meisten stehen zwischen drei und vier Uhr auf und holen die Tiere von der Nachtweide“, berichtet Haid. Die Kühe und eventuell auch Ziegen werden zweimal täglich gemolken, einmal früh morgens und einmal am späten Nachmittag. „Wie lange das dauert, hängt von der Anzahl des Viehs und dem Melksystem ab.“ Diese Aufgabe übernimmt oft auch der Hirte oder die Hirtin der Alm. In der Zwischenzeit kümmert sich die Almsennerin oder der Almsenner um die Weiterverarbeitung der Milch zu Käse und Butter und im nächsten Schritt um die Reinigung der Gerätschaften. „Sauberkeit im Stall und in der Sennerei ist das oberste Gebot, damit die Qualität der Produkte nicht leidet“, erklärt Haid.
Eine zeitaufwändige Arbeit ist dabei auch die Pflege der mehreren Hundert Käseleibe in den Sommermonaten. „Der Käse wird umgedreht und gebürstet, damit sich außen eine gleichmäßige Rinde bildet und sich kein Fremdschimmel entwickelt.“ Wenn die Almen keine Gastwirtschaft betreiben, steht an den Nachmittagen Zeit für Ruhe und Erholung an. „Wenn man um drei oder halb vier aufsteht, wird es ansonsten ein sehr langer Tag.“ Feierabend ist zwischen 20 und 21 Uhr. „Auf einer Alm fällt viel Arbeit an, es kann aber eine sehr schöne Tätigkeit sein.“
 
 

Die Milchviehalmen im Vinschgau

 
Nur ein kleiner Teil der Milchbauern und -bäuerinnen Südtirols schickt die eigenen Tiere auf die Alm. „Die meisten Betriebe behalten den Großteil ihrer Kühe im Sommer im Tal, weil in dieser Zeit die Milch besser bezahlt wird. Denn durch den Sommertourismus ist die Nachfrage nach Milchprodukten größer. Im Vinschgau sind rund 1.500 Kühe auf den 28 Milchviehalmen. Diese 1.500 Kühe gehören 700 Betrieben, das sind im Durchschnitt zwei Kühe pro Betrieb. Mittlerweile kommen auch viele Kühe aus ganz Südtirol auf die Vinschger Sennalmen (‚Kuhtourismus‘). Es gibt nur einzelne Höfe, die ihren gesamten Bestand auf die Alm bringen“, sagt die Fachlehrerin für Milchverarbeitung. Die wenigen Kühe des eigenen Bestands werden auf die Alm gebracht, um für den Eigenbedarf Käse und Butter zu haben.
Derzeit stehen die Betriebe zudem vor großen finanziellen Herausforderungen: Dass die bergbäuerlichen Betriebe damit kämpfen, kostendeckend zu arbeiten, ist bekannt. Der Arbeitskreis „Zukunft der Südtiroler Bergmilch“ fordert deshalb dringend eine Erhöhung des Milchauszahlungspreises sowie eine Unterstützung seitens des Tourismus. „Die Situation ist gerade nicht einfach, weil die Kosten gestiegen sind, das betrifft nicht nur die Milchbetriebe, sondern die ganze Bevölkerung. Leider ist der Milchpreis mit der Kostenerhöhung nicht gestiegen“, so Haid von der Fürstenburg.