Politica | Ermittlungen

Christians Erinnerungslücken

Landesrat Christian Tommasini will sich plötzlich nie um den Dalle-Nogare-Grund in der Bozner Reschenstraße gekümmert haben. Schade, dass die offiziellen Akten etwas anderes sagen.

Vergesslichkeit ist eine Krankheit, die in der Politik sehr weit verbreitet ist. Richtig akut wird diese Krankheit aber besonders dann, wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wird es brenzlig, vergessen Politiker über Nacht manchmal alles. In der Hoffnung, dass es sonst niemand merkt.
So könnte man die Haltung umschreiben, die Christian Tommasini in der Affäre um den Grund der Firma Dalle Nogare, den Deal mit dem Wohnbauinstitut und einer möglichen Verwicklung seiner Ressortdirektorin Katia Tenti einnimmt. Der Landesrat für Wohnbau will sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern. Nur soviel sagte er am vergangenen Samstag dem Alto Adige: „Ich habe mich nie mit diesem Akt befasst“.

Der vergessene Wobi-Grund

Um die Tragweite dieser Aussage abzuschätzen, bedarf es einer Rückblende. Der Alto Adige tischte seinen Lesern am vergangenen Sonntag eine Geschichte auf, die salto.bz als erstes und einziges Medium bereits vor eineinhalb Monaten enthüllt hat. In dem Beitrag „Pfitsches Äpfel“ wird ein Skandal geschildert, der ebenso einiges mit Vergesslichkeit zu tun hat.
Im August 2001 kauft das Wobi in der Nähe der Reschenstraße 5.820 Quadratmeter Baugrund um rund 1,7 Millionen Euro. Auf dem Grund will man 70 Wohnungen bauen. Noch heute nach 13 Jahren stehen auf dem Grund aber Apfelbäume.
Warum das so ist? Darüber schieben sich Wobi, Gemeinde und Land jetzt gegenseitig die Schuld zu.
Unbestrittene Tatsache aber ist, dass die „Vergesslichkeit“ in den vergangenen Jahren einen lukrativen Nebeneffekt hatte. Der Wobi-Grund ist nur einen Steinwurf von dem Grundstück entfernt, in dem der Bauunternehmer Dalle Nogare jetzt 100 Wohnungen für das Wobi bauen will. Es ist ein 26-Millionen-Euro-Geschäft. Dieses Geschäft wäre aber in Gefahr geraten, wenn herausgekommen wäre, dass das Institut daneben ein seit 13 Jahren unbebautes Grundstück bereits besitzt. Deshalb sollte das auch nicht herauskommen.

Die Ablehnung

Im Herbst 2011 schreibt das Wobi den ersten Wettbewerb für die 100 Wohnungen in Bozen aus. Dabei soll der Dalle-Nogare-Grund unbedingt in Betracht gezogen werden. In der Entscheidungsphase erinnert ein hoher Beamter im Wohnbauassessorat  sowohl Landesrat Christian Tommasini wie auch Ressortdirektorin Katia Tenti an den Wobi-Grund in der Reschenstraße, der bereits - und zwar brachliegend - im Instituts-Besitz ist. Der Beamte legt die Grundbuchauszüge und Mappenblätter beiden Vorgesetzten vor. Reaktion: Null. Die Akten werden nie offiziell behandelt.
Bis es dann zu einem folgenschweren Unfall kommt. Die Landesraumordnungskommission muss für den Grund ein bindendes Gutachten abgeben. Sie entscheidet ob der Dalle-Nogare-Grund am Wettbewerb teilnehmen kann oder nicht. Am 15. Dezember 2011 gibt die Raumordnungskommission ein negatives Gutachten ab. Mitentscheidend dabei: Ein Mitglied der Kommission legte in der Sitzung die Akten des vergessenen Wobi-Grundes vor, der gleich daneben liegt.

Politische Überlegungen

Vier Tage nach der Ablehnung durch die Landesraumordnungskommission bringt der zuständige Landesrat Christian Tommasini diese Entscheidung dann in die Landesregierung. Im offiziellen Protokoll der Landesregierungssitzung vom 19. Dezember 2011 heißt es dazu:

Der LR Tommasini informiert nun die Mitglieder der Landesregierung, dass die Landesraumordnungskommission ein negatives Gutachten zu den neuen Ausschreibungen für die Realisierung von Wohnungen für den Mittelstand in Bozen erteilt hat. Und zwar wurde das Projekt in der Reschenstraße...(...)...mit der Begründung abgelehnt, dass das Wobi für dieses Vorhaben das bereits in seinem Eigentum stehende Grundstück in dieser Zone verwenden kann. Der LR Tommasini kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen, zumal sich diese weniger auf technische Argumente stützt, sondern eher auf politische Überlegungen zu beruhen scheint.

Das Projekt in der Reschenstraße ist das Projekt Dalle Nogare mit dem sich Christian Tommasini angeblich nie befasst haben will. Dabei ist es keine zweieinhalb Jahre her, dass der Landesrat die Nichtgenehmigung des Deals zum Anlass nahm die Mitglieder der Landesraumordnungskommission verbal ungewöhnlich scharf abzuwatschen.
Nur heute will sich der Stellvertreter von Landeshauptmann Arno Komptascher daran nicht mehr erinnern.

 

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Willy Pöder Lun, 04/28/2014 - 08:36

Ein Regierungs-Koalitionsabkommen umfasst in der Regel ein breites thematisches Spektrum. Unwissenheit und Vergesslichkeit nehmen darin offensichtlich einen wichtigen Part ein. Davon darf man wohl ausgehen, insofern man die Verhaltensweisen der alten Regierungsmitglieder, welche teilweise auch die neuen sind, in Sachen Sel-Skandal, Stein an Stein, Wobi.. als Muster denkwürdigen Erinnerungsvermögens heranzieht.

Lun, 04/28/2014 - 08:36 Collegamento permanente
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Martin B. Lun, 04/28/2014 - 12:22

...wenn das in einem zweiten Fall Remo Ferretti enden würde. Schon damals hat die SVP sehr passiv auf solche Vorkomnisse reagiert, in die nicht einmal Parteimitglieder involviert waren. Der LH und (neue) SVP-Obmann wird noch viel zu tun bekommen (wohl auch in den eigenen Reihen); ungut dass keiner der beiden für die Feuerwehr zuständig ist *Ironie*

Lun, 04/28/2014 - 12:22 Collegamento permanente