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Na bitte, geht doch!

Seltene Eintracht: PD, M5S und SEL verabschieden gemeinsam ein Gesetz gegen Umweltvergehen, von Umweltaktivisten schon lange gefordert
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Na bitte, geht doch!

 

Am 19. Mai ließen Umweltaktivisten vor dem Palazzo Madama, dem Sitz des italienischen Senats, die Sektkorken knallen. Ein Wunder war geschehen: mit den Stimmen der regierenden PD und der Oppositionsparteien M5S (Grillos 5-Sterne-Bewegung) und SEL hatte der Senat in abschließender Lesung ein Gesetz gegen Umweltvergehen beschlossen, das der Umweltverband „Legambiente“ und die Anti-Mafia-Organisation „Libera“ schon seit vielen Jahren fordern.

 

Historischer Tag für den Umweltschutz

„Für uns ist der 19. Mai 2015 ein historischer Tag. Nach 21 Jahren werden endlich Umweltvergehen in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Von nun an werden Umweltmafiosi und Umweltverbrecher nicht mehr davonkommen: Mit dem neuen Gesetz wird es möglich sein, wirksam gegen diejenigen vorzugehen, die bisher unsere Lebensumwelt zerstörten und dabei darauf spekulieren konnten, dass sie keine Strafverfolgung zu befürchten haben“ kommentierten die Vertreter von Legambiente und Libera den Erfolg. Gemeinsam mit weiteren 23 zivilgesellschaftlichen Organisationen hatten sie den Aufruf „In nome del popolo inquinato“ („Im Namen des verseuchten Volkes“) initiiert, nun endlich ein solches Gesetz zu verabschieden. Die neuen Regelungen seien Frucht einer intensiven, produktiven Zusammenarbeit von PD, M5S und SEL - erklärten sie -, bei der auch Juristen, Vertreter der Ordnungskräfte und Umweltverbände aktiv mitgewirkt hätten.

 

PD, M5S und SEL in seltener Eintracht

Sie haben richtig gehört: „intensive, produktive Zusammenarbeit von PD, M5S und SEL“, um ein überfälliges, wichtiges Gesetzesvorhaben zu einem guten Ergebnis zu bringen. Statt Gezänk und Geschrei auf den Bänken des Parlaments, statt Arroganz der Regierenden und Boykott der Opponierenden: solide, mühsame parlamentarische Arbeit im Interesse des Landes und der Bürger. Bei dem diesmal – oh Wunder – die grillinischen Abgeordneten und Senatoren eine konstruktive Rolle spielten. Erstunterzeichner des Gesetzes ist der M5S-Abgeordnete Salvatore Micillo. Mit berechtigtem Stolz schreibt die M5S-Fraktion in Grillos Blog: „Wir begannen vor zwei Jahren in den Ausschüssen und im Plenum mit der Arbeit an diesem Gesetz und haben damit einen der wichtigsten Punkte unseres Programms realisiert. Das, was nur ein Traum schien, ist heute Wirklichkeit geworden“.

Ist doch schön. Fragt sich nur: Könnte man nicht eventuell nach dem gleichen Muster auch ein paar andere „Träume Wirklichkeit werden lassen“? Zumindest bei Themen von überparteilicher Bedeutung wie dem Kampf gegen die Korruption, institutionellen Reformen oder bei der Integration von Migranten und Flüchtlingen? Doch ich fürchte, das ist wiederum naive Träumerei von mir. Was beim „Konsensthema“ Umweltschutz gelang, lässt sich nämlich nicht einfach übertragen. Besonders dann nicht, wenn es um Fragen geht, mit denen man – anders als beim Umweltschutz – populistisch punkten kann. Siehe zum Beispiel die grillinische Panikmacherei gegenüber der „illegalen Einwanderung“.

 

Die Kernpunkte des Umweltschutzgesetzes

Freuen wir uns dennoch über das neue Gesetz, welches sich - so scheint es mir, auch wenn ich keine Fachfrau bin - sich auch auf europäischer Ebene sehen lassen kann. Hier die Kernpunkte:

Das Gesetz sieht fünf Straftatbestände im Umweltbereich vor: Umweltverschmutzung, Verursachung einer Umweltkatastrophe, unerlaubter Handel mit radioaktivem Material und dessen Entsorgung, Verhinderung von Umweltkontrollen und unterlassene Sanierung.

Bei Verschmutzung „der Gewässer und der Luft sowie von ober- und unterirdischen Flächen“ und bei „Beeinträchtigungen von Ökosystemen und biologischer Vielfalt in Landwirtschaft, Flora und Fauna“ sind Haftstrafen von 2 bis 6 Jahren mit Geldbußen von 10.000 bis 100.000 Euro vorgesehen. Die Strafen können in besonders schweren Fällen, z. B. bei Krankheits- und Todesfolgen für Menschen, auf bis zu 20 Jahren Haft erhöht werden.

Die Verursachung einer Umweltkatastrophe mit einer „irreversiblen Veränderung des Gleichgewichts eines Ökosystems“ wird mit 5 bis 15 Jahren bestraft, der Handel mit radioaktivem Material und dessen unerlaubte Entsorgung mit Haft bis zu 6 Jahren und Geldbußen bis zu 50.000 Euro. Bis zu 3 Jahren gibt es für diejenigen, die Umweltschutzkontrollen ver- bzw. behindern. Wenn die Umweltvergehen gemeinschaftlich begangen werden, ist das strafverschärfend.

Bei einer Verurteilung nach dem neuen Gesetz hat der Richter die Güter, die durch die Straftaten erzeugt bzw. gewonnen wurden, zu konfiszieren und den zuständigen öffentlichen Behörden zum Zweck der Sanierung der entstanden Umweltschäden zu überlassen. Strafminderungen gibt es, wenn die Verurteilten aktiv zur Beseitigung oder Sanierung der von ihnen verursachten Schäden beitragen.

Und in Italien besonders wichtig: Die Staatsanwaltschaft muss bei der Strafverfolgung eng mit dem Leiter der Nationalen Anti-Mafia-Behörde zusammenarbeiten.

 

Nun geht es um die Umsetzung

Damit ist die rechtliche Basis endlich dafür geschaffen, dass es nicht mehr zu skandalösen Urteilen wie gegenüber der Asbestfabrik Eternit kommt, bei der wegen fehlender rechtlicher Bestimmungen und kurzer Verjährungsfristen Tausende von Krankheits- und Todesfällen ungesühnt blieben.

Doch die rechtliche Basis allein reicht nicht. Wer Italien kennt, weiß, dass auch die besten Gesetze häufig an ihrer mangelnden Umsetzung und der Schwerfälligkeit von Behörden und Justiz scheitern. Gerade auf eine solche Umsetzung muss nicht nur die Politik, sondern auch die Zivilgesellschaft mit Argusaugen achten. Damit der schöne Erfolg vom 19. Mai mit Leben gefüllt wird und nicht geduldiges Papier bleibt.