Kampf um Kennzeichnung

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„Die Menschen wollen wissen, was auf ihren Teller kommt“, so die Grüne Landtagsabgeordnete Madeleine Rohrer. Wahlfreiheit für die Konsumenten und Wahlfreiheit für die Konzerne des Lebensmittelhandels sei das Schlagwort. Aus diesem Grund setzt sich die Grüne Fraktion dafür ein, dass NGT-Pflanzen (Neue Gentechnik) und deren Produkte klar gekennzeichnet und etikettiert werden.
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Neue Gentechnik
Der Begriff „Neue Gentechnik“ umfasst eine Reihe gentechnischer Methoden, die das Erbgut verändern können, ohne dabei artfremde DNS hineinzubringen. Das Ziel dabei: Pflanzen zu kreieren, die gegen gewisse Wetterverhältnisse resistenter oder immun gegen gewisse Krankheiten sind. Auch weitere Modifikationen sind dabei tendentiell möglich, etwa die Entfernung allergener Inhaltsstoffe oder das Hinzufügen von Nährstoffen.
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Dazu laufen derzeit Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Europaparlament und dem Ministerrat. Der Vorschlag sei, Saatgut zu kennzeichnen, Pflanzen aber nicht. Das würde bedeuten, dass der Bauer beim Futterpflanzenkauf oder der Kunde beim Lebensmittelkauf nicht einsehen könnte, ob NGT-Saatgut eingesetzt wurde. Mittels Begehrensantrag stützen die Grünen nun die Position des Europäischen Parlaments: nämlich die klare Kennzeichnung und Rückverfolgung von NGT-Pflanzen. Und nicht nur rund um die Etikettierung wird debattiert: Auch die Frage der Patente gehört zu den Streitthemen. Die Befürchtung sei, dass wenige Großkonzerne Kontrolle über das Saatgut erhielten. Denn: Die neuen Gentechniken würden es möglich machen, genetische Sequenzen zu reproduzieren, die auch bei Wildpflanzen oder herkömmlichen Kreuzungen zu finden seien, und darauf ein Patent zu erheben – zum Nachteil der lokalen Landwirtschaft und kleinerer Agrarbetriebe. Der Begehrensantrag soll nun über den Landtag ein möglichst klares Signal nach Brüssel senden, für Transparenz, für Wahlfreiheit.
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NGT – Der Begehrensantrag der Grünen
Im Mai 2025 begannen die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, dem Europaparlament und dem Ministerrat über die geplante Deregulierung der Neuen Gentechnik (NGT). Ziel dieses sogenannten Trilogverfahrens sei es, sich auf einen gemeinsamen Gesetzestext für den Verordnungsvorschlag zu einigen. Zu den umstrittenen Themen zählen dabei insbesondere die Koexistenz verschiedener Anbaumethoden, die Kennzeichnungspflicht, die Risikoprüfung sowie der Umgang mit Patenten.
Das Europaparlament hatte bereits im Februar 2024 eine Stellungnahme verabschiedet, in der es sich – anders als die EU-Kommission und der Ministerrat – mit knapper Mehrheit für eine umfassende Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von NGT-Pflanzen entlang der gesamten Lebensmittelkette aussprach. Weitgehend einig seien sich die Beteiligten jedoch darin, dass der Einsatz von NGT-Pflanzen und NGT-Saatgut im ökologischen Landbau verboten bleiben soll. -
Positionspapier
Bereits im letzten Jahr sprachen sich unter anderem die Vebraucherzentrale Südtirol, der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und Bioland Südtirol in einem gemeinsamen Positionspapier für transparente Kennzeichnungen und strenge Prüfungen der neuen Gentechnikverfahren und NGT-Lebensmittel aus. Wahlfreiheit sei nur mit Transparenz möglich.
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Die EU-Kommission schlägt vor, Neue Gentechnik wie CRISPR/Cas9 künftig nicht mehr als klassische Gentechnik zu behandeln, sondern sie mit herkömmlicher Züchtung gleichzusetzen. Da genetisch oft nicht mehr nachvollzogen werden kann, ob eine Pflanze mit NGT-Verfahren erzeugt wurde, wird eine Einteilung in zwei Kategorien vorgeschlagen. Pflanzen der Kategorie NGT1 – zu der schätzungsweise 95 Prozent aller NGT-Pflanzen gehören würden – sollen dabei weitgehend von bisherigen Vorsorgemaßnahmen ausgenommen werden.
Nach aktuellem EU-Gentechnikrecht dürfen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) jedoch nur dann auf den Markt gebracht werden, wenn sie zugelassen und als sicher eingestuft sind. Zudem müssen sie gekennzeichnet werden, um die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten. Auch gelten Regeln zur Koexistenz, um ökologischen und gentechnikfreien konventionellen Anbau zu schützen. Dazu gehöre etwa die Meldepflicht von Freisetzungsversuchen in ein EU-weites Register. -
Gespaltene Lager
Kritiker der Deregulierung warnen vor schwer abschätzbaren Risiken der Neuen Gentechnik für Umwelt und Ökosysteme. Sie fordern, dass weiterhin eine gründliche Risikoprüfung vorgeschrieben sein muss. Zudem befürchte man, dass gentechnikfreie Landwirtschaft unter Druck gerate und große Agrarkonzerne durch Patente noch mehr Kontrolle über die Lebensmittelproduktion und bäuerliche Betriebe gewinnen könnten.
Befürworter der Deregulierung hingegen betonen das Potenzial der Technologie, darunter allergen-freie Lebensmittel, klimaresistentere Pflanzen sowie höhere Erträge und Nährstoffgehalte. Verbraucherumfragen zeigen allerdings eine klare Haltung: Eine große Mehrheit spricht sich für eine Kennzeichnungspflicht auch bei Produkten aus Neuer Gentechnik aus. Diese Forderung unterstützen auch viele große Unternehmen des mitteleuropäischen Lebensmitteleinzelhandels. Sie setzen sich für Transparenz und Wahlfreiheit ein und fordern, dass auch NGT-Produkte reguliert und gekennzeichnet werden müssen.
Auch in Südtirol wurde die Debatte aufgegriffen: Im Januar 2025 lud ein Gesetzgebungsausschuss des Südtiroler Landtags Fachleute zu einer Anhörung ein, bei der ein differenziertes Meinungsbild zur Sprache kam. Auf dieser Grundlage sei das Europaparlament dazu aufgefordert, sich im Trilogverfahren dafür einzusetzen, dass auch NGT-Pflanzen der Kategorie 1, ihre Produkte und ihr Vermehrungsmaterial entsprechend gekennzeichnet werden – in Übereinstimmung mit der mehrheitlich angenommenen Änderungsforderung 264 zu Artikel 10 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags. -
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Ein wenig off topic, aber: im Bild ganz oben scheint es, als wolle man den Granatapfel künstlich befruchten.