Ball zurückgespielt
Zu Wochenbeginn war der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments in Südtirol zu Besuch. Der Ausschuss, der unter dem Vorsitz des MdEP Michael Cramer steht, hatte zu diesem Anlass auch ein Treffen mit dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Als Klauspeter Dissinger, Vorsitzender des Dachverbandes, die verschiedenen Aspekte der Transitproblematik präsentierte, zeigte sich der EU-Verkehrsausschuss sehr interessiert und auch bereits ausnehmend gut informiert. Es gebe viel Handlungsspielraum, um die Probleme einzudämmen – darüber war man sich einig. Doch gleichzeitig spielten die Vertreter des EU-Parlaments den Ball an die nationalen Regierungen zurück. „Es gibt konkrete Möglichkeiten auf nationaler Ebene, die durchaus mit der EU-Gesetzgebung im Einklang stehen“, hieß es.
Worum geht es genau? Von den 2 Millionen Lkws, die jährlich den Brenner passieren, fahren 600.000 diese Strecke allein deswegen, weil sie günstiger ist – aber nicht kürzer. Bis zu 300 Kilometer Umwegverkehr nehmen manche Transportunternehmen in Kauf, um nicht eine kürzere, aber dafür teurere Strecke – beispielsweise über den Gotthard-Tunnel – zu fahren. Die schädlichen Folgen des exzessiven Verkehrs auf der Brennerstrecke (vor allem die Gesundheitsbelastung durch Stickoxide und Ozon, die Lärm- und Umweltverschmutzung) müssten also gar nicht sein. Um den Transitverkehr um gute 30 Prozent zu verringern, müsste man lediglich die Strecke für Lkws teurer machen. Aber wie?
Es gibt da zwei Möglichkeiten: Das eine wäre eine Maut-Anpassung nach oben. Das andere eine Anhebung der Dieselpreise. „Wie man im EU-Ausschuss richtig angemerkt hat, liegt die Verantwortlichkeit, hier etwas zu tun, bei den nationalen Gesetzgebern“, erklärt Andreas Riedl, Direktor des Dachverbandes. Diese wollen aber wenig wissen, erklärt Riedl weiter: „Ich hab beispielsweise vom Abgeordneten Daniel Alfreider, der häufig mit dem Thema zu tun hat, noch nie gehört, dass er sich für eine Mauterhöhung eingesetzt hätte.“
Die nationalen Gesetzgeber haben allerdings ihre Gründe, die Hände aus dem Spiel zu lassen. Abgesehen vom Einfluss der Transportlobbys, der von Dissinger angesprochen wird, gibt es auch Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit, die auf nationaler Ebene konkrete Maßnahmen verhindert: Wenn nur ein Land den Diesel durch Besteuerung teurer macht oder die Maut anhebt, dann wird es im Vergleich zu seinem Nachbarland, das diesem Beispiel nicht folgt, einen Wettbewerbnachteil haben. „Deswegen braucht es EU-weite Vorschriften und Reglements“, betont auch Dissinger. Die Vertreter der EU, die diese Woche zu Besuch waren, weisen das Problem jedoch weiter den nationalen Gesetzgebern zu.
Dann gibt es auch Maßnahmen, die problemlos ohne EU beschlossen werden können und wirksam wären. So etwa das sektorale Fahrverbot: Sperrige Güter wie Müll oder Bauschutt müssten dann auf den Schienenverkehr verlegt werden. Oder man führt Geschwindigkeitsobergrenzen zwischen 100 und 110 Km/h ein, begleitet von Kontrollen. Das würde vor allem bei Diesel-Motoren die Emissionen beträchtlich verringern. „Das sehr effiziente Kontrollsystem ‚TUTOR‘ gibt es inzwischen auf den meisten Autobahnen in Italien, auf der A22 aber nicht“, bemerkt Dissinger. Auch die Handelskammer stemmt sich gegen niedrigere Geschwindigkeiten. Den Transportfirmen würden dadurch zu lange Fahrtzeiten verursacht, lautet die Begründung. „Die bis zu fünf Stunden Fahrt, die manche Lkw-Fahrer zusätzlich in Kauf nehmen, um die günstigere Brennerstrecke zu fahren, die scheinen aber weniger ins Gewicht zu fallen“, sagt Dissinger.