Schneefall im Hochsommer
„Wir müssen versuchen zu sehen, wie die Bergindustrie funktioniert, was Berge für uns bedeuten. Auch als Reflektion auf unser Selbstgefühl“, beschreibt Melanie Manchot – in einem speziell für das LUMEN (Museum für Bergfotografie) aufbereiteten Videointerview – einen ihrer Zugänge für die künstlerische Auseinandersetzung zum Thema Berg und Schnee.
Die Technik, die Töne und Farbtöne, die Dunkel-Hell-Kontraste sind es, die die in London lebende Künstlerin faszinieren. Seit über zehn Jahren dokumentiert Manchot mit Fotografie und Bewegt-Bildern die Berge der Alpen, sucht immer wieder nach Schnittstellen zwischen Mensch und Natur, inszeniert, blickt hinter die Kulissen der Alpen-Industrie und kehrt das Unsichtbare (manchmal sogar mit beinaher Unsichtbarkeit) in den Fokus.
Der Schnee, der nicht nur die Landschaft der Täler und Berge formt und prägt sondern auch den Fortbestand der Ansässigen und Gäste und von Melanie Manchot antreibt, zwingt die Künstlerin immer wieder zu ästhetischen Untersuchungen Eis und Schnee (sogar bei Dunkelheit) festzuhalten. Es entstehen düster geheimnisvolle Sichtweisen – mit manchmal aufblitzenden Lichteffekten.
In einer Videoarbeit zeigt Manchot das Sprengen von Lawinen. Lange beobachtet sie die Vorbereitungen für den aufrüttelnden Eingriff, bis es dann zur finalen Explosion kommt und der Berg den Schnee wie Staubzucker abschüttelt. Im Erlebnispark Alpen sorgen solche Eingriffe „für Sicherheit und Freiheit“ sagt sie und offenbart eine spezielle Bewunderung für jene Menschen „die sich tagtäglich den Gefahren aussetzen und dadurch eine besondere Verbindung zum Schnee und zur Landschaft haben.“
Berglandschaften bieten aus mehreren Gründen gute Möglichkeiten für die persönliche Lagebeschreibung. Um ein Selbstgefühl zu definieren.
Verspielt und taktvoll bewegt sich die Fotokünstlerin in den Schneemassen einer weiteren Videoarbeit. Mit musikalischer und choreografischer Unterstützung arrangiert sie – in dunkler Ästhetik – ein Ballett der Technik.
„Wir sehen hier alles reduziert: den Sound, die Farbpalette – es entsteht beinahe ein monochromes Bild“ kommentiert Manchot ihre Videoarbeit Village, die ein Bergdorf in verschiedensten und sich verändernden Grautönen zeigt. Die Künstlerin beobachtet vorsichtig zurückgezogen, gerne aus der Höhe und aus sicherer Entfernung.
In der Kunstinstallation Traces dokumentiert Manchot die Enge von Panorama-Spuren einer LUMEN-Kronplatz-Aussicht. Die Horizontale in der Weite der umliegenden Bergwelt bannt sie auf Holz, als Spurensuche für die Betrachter*innen. Oder als Seinssuche? „Ich denke, als Menschen kämpfen wir immer wieder dafür, ein Gefühl des Seins in der Welt zu finden“, sagt sie, „Berglandschaften bieten aus mehreren Gründen gute Möglichkeiten für die persönliche Lagebeschreibung, um ein Selbstgefühl zu definieren.“