Ruinen-Improvisationen
Die Location für das gemeinsame Konzert von Jörg Zemmler und Joachim Planer, beide aus Seis, ist gut gewählt. Die Ruine Hauenstein ist nicht nur eine Art Heimspiel für die beiden – vielleicht haben sie sich ja dort in frühen Jahren auf Oswald von Wolkensteins Spuren begeben – sondern auch eine schöne Metapher für den Zugang zur Musik, den die beiden durchaus unterschiedlichen Musiker verbindet.
Während Jörg Zemmler die Improvisation quasi als Credo praktiziert, erst 2022 hat er sein Album „Piano Bar“ veröffentlicht, das teilweise editierte Ausschnitte aus verschiedenen Improvisationen auf einem Piano enthält, so nimmt der Elektronikmusiker Joachim Planer die Improvisation als Challenge, als Herausforderung an und baut diese ganz bewusst auch in seine Live-Sets ein. Planer komponiert aber auch, für Soundtracks etwa, und er lässt sich dabei durch seine regelmäßig erscheinenden Releases auch in die Karten schauen (siehe weiter unten).
Planer und Zemmler haben bereits mehrfach gemeinsam gespielt (und improvisiert), zuletzt beim „Föhrentanz“ in Barbian. Dass die beiden ihren nächsten Gig gerade auf einer Ruine gemeinsame Sache machen und, mit zwei Pianos ausgestattet, Musik im Moment entstehen lassen, ist eine sehr schöne Metapher für die Improvisation per se: Während das Gemäuer eine Ahnung davon geben mag, wie die Burg in ihrem „komponierten“ Ursprung ausgesehen hat, mag die improvisierte Musik der beiden einen Ahnung davon geben, wie sich diese als „Ganzes“ in den Köpfen der beiden Musiker anhören mag. Improvisation gewährt einen Blick in die Musik einer unbestimmten Zeit, weil es weder Gegenwart, Vergangenheit noch Zukunft ist, und doch gleichzeitig alles zusammen.
Info: https://www.facebook.com/events/814494383663452
Meanwhile: Joachim Planer „D3LT4“
Es ist der fünfte Release, den Joachim Planer am 18. Juli 2023, veröffentlicht hat. Wieder als EP, bzw. mit fünf relativ kurzen Tracks, und wieder verbunden durch einen losen roten Faden.
Die EP erscheint nach den beiden elektronischen, oldschooligen und verspielten „OKO“ und „Oko II - Dark Disko“ im Juni, dem Soundtrack-Sampler „Abspann“ im Mai und der düsteren ambientlastigen EP „Pagan II“ im März
Planers Stücke sind stets sehr offen, sind der Beginn oder der Ausschnitt von etwas noch nicht ganz Fertigem, und darin liegt eine angenehme Leichtigkeit, sogar bei „Pagan II“. Das gilt auch für „D3LT4“.
Während bei den anderen Releases wahlweise Drumbeats, Noise-Elemente, Field-Recordings, Piano und flächige, elektronische Sounds und Synthesizer zum Einsatz kommen, kommt auf „D3LT4“ überraschenderweise auch die (akustische) Gitarre wieder zum Zuge. Planer hatte vor einigen Jahren parallel zu seinem Electronic-Output einige Tracks unter dem Namen Fortune Cookie veröffentlicht, darunter die EP's „More Music For A Dead Planet“ und „Besides (Acoustic Morning Tunes)“. Diese Releases enthielten das Material eines lichtscheuen Singer/Songwriters, und diese Songs tauchen beim Durchlauf von „D3LT4“ in der Erinnerung wieder auf, trotz leicht experimenteller Schlagseite.
Planer bleibt sich in der Stimmung treu und er verlässt auch die generelle Ausrichtung seiner Musik, aber die Vielfalt seiner Musik erweitert sich von EP zu EP, schön langsam und auf angenehm unaufdringliche Art und Weise.