Società | Umgang

“Nicht Wir, sondern die Letzten zuerst”

Es gibt keinen Unterschied zwischen den “Unsrigen” und den “Anderen”, betont Caritas-Direktor Paolo Valente im Vorfeld des Welttags der Migranten und Flüchtlinge.

Am 29. September ist Welttag des Migranten und des Flüchtlings. Papst Franziskus hat im Vorfeld eine Botschaft mit dem Titel “Es geht nicht nur um Migranten” (“Non si tratta solo di migranti”) veröffentlicht. Über den Umgang mit den geflüchteten Menschen schreibt er: “Wenn wir uns für sie interessieren, geschieht dies auch in unserem eigenen und im Interesse aller; wenn wir uns um sie kümmern, wachsen wir alle; indem wir ihnen zuhören, geben wir auch dem Teil von uns eine Stimme, den wir vielleicht verborgen halten, weil er heutzutage nicht gut angesehen ist.”

Diese Worte nimmt der Südtiroler Caritas-Direktor Paolo Valente zum Anlass, “um an die Pflicht aller Christen zu erinnern, gerade jene aufzunehmen und ihre Würde zu respektieren, die – im derzeit gängigen Umgangston gesprochen – nicht die Unsrigen sind”.
In einer Stellungnahme warnt Valente vor Populismus und der Instrumentalisierung von eingewanderten Menschen – und appelliert dafür, “die Letzten an die erste Stelle zu setzen”:

“Für Christen gibt es keinen Unterschied zwischen den ‘Unsrigen’ und den ‘Anderen’. Was zählt, ist der Mensch. Was gilt, ist nicht ‘wir zuerst’, sondern ‘die Letzten zuerst’.

Einfache Lösungen führen meist nur in Sackgassen.

Menschen aufzunehmen, ist auch eine verfassungsmäßige Pflicht. Es bedeutet, einen Beitrag zu leisten, um (…) die Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art zu beseitigen, die durch eine tatsächliche Einschränkung der Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger der vollen Entfaltung der menschlichen Person und der wirksamen Teilnahme aller (…) im Wege stehen‘. (Art. 3 der Verfassung).

Menschen aufzunehmen ist in erster Linie Aufgabe der öffentlichen Institutionen, die im Namen aller Bürgerinnen und Bürger das Gemeinwohl fördern und schützen sollen. Wir alle zahlen Steuern, damit unsere Städte, Stadtviertel und Dörfer offen und gastfreundlich (mehr noch als sicher) sind und damit die Rechte und die Würde aller, vor allem der Schwächsten, gewahrt bleiben.

Was gilt, ist nicht ‘wir zuerst’, sondern ‘die Letzten zuerst’.

In unserer Zeit jedoch liegt das Hauptaugenmerk vor allem auf den nächsten Wahlen. Das – wir haben es in den vergangenen Jahren zur Genüge weltweit erlebt – verleitet dazu, sich nicht mehr dafür einzusetzen, dass die Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art beseitigt werden, die der Freiheit und der Gleichheit aller Menschen im Wege stehen. Vielmehr wird versucht, die Menschen zu beseitigen, die aufgrund ihrer Präsenz im Land, ihrer Art zu leben und ihrer Hautfarbe als Hindernis für die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler gesehen werden. Wir leben in Zeiten, in denen der Populismus auf dem Vormarsch ist. Doch einfache Lösungen führen meist nur in Sackgassen. Das Leben der eingewanderten Menschen darf aber nicht instrumentalisiert werden, um einfache (aber kurzsichtige) Lösungen zu finden.

Es geht nicht nur um Migranten: Es geht auch um unsere Ängste, um unsere Menschlichkeit, es geht darum, niemanden auszuschließen, die Letzten an die erste Stelle zu setzen. Es geht um den ganzen Menschen und um alle Menschen. Es geht darum, die Stadt des Menschen gemeinsam aufzubauen.”