Finstere Zeiten
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Zu viel wollen wir nicht verraten, davon, wie diese immersive Theatererfahrung abläuft. Es könnte ja noch jemand Restkarten finden, oder diesen Text vor dem eigenen Besuch lesen. Vielleicht könnten wir es auch nicht, da von den Besuchern an einem Abend beim Format zwischen Spiel und Stück (minus Distanz zur Bühne) jeder und jede ein anderes Erlebnis haben wird. Man bringt, wohl oder übel, sich selbst ins Stück ein, auch wenn man keinen Einfluss auf das einem Skript folgende Geschehen nimmt. Etwa denke ich, dass eine Person italienischer Muttersprache oder weiblichen Geschlechts schon andere Startbedingungen mitbringen würde als dieser Redakteur, was in den Dialog mit Schauspielern einfließt. Es sei auch eine Dialektwarnung für Bühnen-Südtirolerisch und auch das eher österreichische Idiom der Nesterval-Truppe aus Wien ausgesprochen. Was man ändern kann, ist zu jedem Zeitpunkt die eigene Perspektive und, wortwörtlich, den eigenen Standpunkt.
Mit einem Prolog und sieben Erzähl-Abschnitten blicken wir ins fiktive Dorf Mariahaim (ohne e) im Gemeinschaftszentrum Maria Heim, das allzu leicht wie ein bloßes Zerrbild Südtirols wirken könnte, wo „hiesige“ (im Dorf geborene Personen deutscher Muttersprache) und „dosige“ (von außerhalb zur Dorfgemeinschaft gestoßene) unterschieden werden. Die Liebe zweier solcher Menschen unterschiedlicher Muttersprache weckt schlafende Hunde und weckt Gegenliebe. Das Brautpaar, das sind Anna-Lisa (Lisa Laner) und Giovanni (Frederick Redavid).
In die chronologisch auf den Kopf gestellte Erzählweise tauchen die Besucher als Teil einer achtköpfigen Gruppe, beziehungsweise Familie ein. In meinem Fall, bei der zweiten für die Medien zugänglichen Probe - einer der Regenvariante des Stücks, das Innen- und Außenszenen vorsieht - war ich Teil der Familie „Röst“. Das war zwar nicht Familienname eines Teilnehmers oder einer Teilnehmerin, aber bevor sich eine Gruppe von Bekannten und Fremden bis auf Entscheidungsfindung angenähert hat, wählt man das erste, was einer Person in den Sinn kommt. Origineller als „Müller“ oder „Mayer“ war das allemal.
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Über die drei Stunden hinweg gilt es, als Gruppe die rasch aufgelöst wird, Murmeln zu sammeln, ein alter Hochzeitsbrauch im Dorf, an dem es, trotz widriger Umstände, festzuhalten gilt. Immer wieder wird zwischen Gruppenszenen für die Dorfgemeinschaft und alle Gäste zusammenkommen, dem einen oder der anderen eine Aufgabe angeboten, für die es dann, entsprechend der Schwierigkeit eine gewisse Zahl an Glaskügelchen gibt, bei der sich auch feilschen lässt. Am Ende des Abends wird ausgezählt: Haben die Gäste des Bräutigams oder der Braut mehr Murmeln gesammelt und welche Familie war am fleißigsten? Auch wird nicht jeder Dienst vorab als Auftrag klar zu erkennen gegeben und das Spiel ist dabei hauptsächlich Mittel der Immersion, des Eintauchens oder Versenktwerdens der Einzelnen in der kollektiven Dorfwelt.
Nicht, dass es nicht auch Individualität im Dorf gäbe: Der „kreuzfromme“, brave Knecht Giovanni stößt nicht nur auf Gegenliebe, die Familie der Braut etwa macht ihren Frieden mit der Beziehung. Was könne man sich außer einem aufrichtigen und ehrlichen Schwiegersohn, der die Tochter liebt und von ihr geliebt wird auch wünschen? Spannend sind auch die Hintergründe des Handelns die sich in der Adaption des 2018 für den Nestroy „Das Dorf“ auftun. Je länger man einer Dorfbewohnerin oder einem Dorfbewohner zwischen den Gruppenszenen folgt, umso besser lernt man sie kennen. Egal, wer das nun ist dem man folgt, ob der Kellnerin der Dorfschenke, der alten Witwe und bitteren „schwarzen Perle“ des Dorfes (Willy Mutzenpachner), dem stummen Hiasl (Alkis Vlassakakis) oder dem aggressiven Dorfvorsteher „Mescht“ (Julian Pichler). Rechts vom Eingang in die Schenke, die nicht der einzige Ort ist wo getrunken wird, kann man ein Familiendiagramm bewundern, das die Verhältnisse der Bewohner des Dorfes Mariahaim aufzeigt.
Jeder und jede hat Gründe und Abgründe. Es menschelt am Dorf und damit hat auch die liebevoll gestaltete Einrichtung und Dekoration des Heims, das abweisend und düster gestaltet wurde, einen großen Anteil. Die Zeit scheint hier zurückgedreht worden zu sein. Sicherlich ist am Stück nicht alles perfekt, es gibt auch Schwächen, etwa wenn man zweimal in dieselbe Szene entführt wird. Einem Ortswechsel steht aber nichts im Wege, auch wenn es kurz die Stückillusion untergräbt. Das gleiche tut zum Teil die, etwas hölzern auf Exposition ausgelegte Rolle von Sabine Ladurner, die nicht nur als Erzählerin, sondern auch als für die Dorfbewohner unsichtbarer und unhörbarer Geist in Erscheinung tritt. Die Krücke braucht es wohl, um im Stück – angesichts der zahllosen möglichen Szenenfolgen – Kontext zu vermitteln.
Nach einem sehr intensiven Dreistunden-Programm ohne große Pausen oder Leerlauf, ist es erstaunlich, wie viele der sicherlich beim Vortermin besonders am Fach Theater interessierten Personen es nach Stückende noch in einer kalten, klaren Nacht aushalten, noch zusammenstehen um sich auszutauschen. Trotz aller Gewalt, Ausgrenzung und Traumata die vorangegangen sind, ist das „Familientreffen“ der Familie „Röst“ ein Moment der Gemeinschaft. Wenige haben es eilig, ihren Heimweg anzutreten und man tauscht sich zu Erlebtem aus, untereinander und auch mit den aus ihren Rollen heraustretenden Schauspielern. Der Heimweg durch die Nacht gilt Gedanken zur eigenen Haltung und dem Glück, dass sich in 60 Jahren viel verändert hat.
Technischer HinweisBesucherinnen und Besucher werden beim Eintreten ins Maria Heim gebeten, Taschen und Mobiltelefone abzugeben. Wer im Notfall erreichbar sein muss, bekommt eine Handy-Tasche am Eingang ausgehändigt.
Eine klassische Klischee…
Eine klassische Klischee-Veranstaltung für alle, die Klischees lieben.
In risposta a Eine klassische Klischee… di Hartmuth Staffler
Haben Sie die Aufführung…
Haben Sie die Aufführung mitgemacht?
Ich war gestern.
Eindrucksvoll!
Empfehlenswert!
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Bin dabei, im Chor! Wir…
Bin dabei, im Chor! Wir singen mit den Schauspielern 3 Lider und eins ohne bzw. gegen sie!