Società | Interview

„Eine exklusive Veranstaltung“

Klimaaktivist und Wirtschaftsstudent Arjun Pfaffstaller über fehlende Inklusion in der Klimabewegung. Der Südtiroler kennt das Problem aus eigener Erfahrung.
arjung_pfaffstaller_klimademo.jpeg
Foto: Privat
salto.bz: Arjun, würdest du dich als Teil der Klimabewegung beschreiben?
 
Arjun Pfaffstaller: Klar, ich fühle mich als Teil der Bewegung, weil ich mich für Klimaschutz einsetze, auch wenn ich selbst wenig an Demos und Aktionen teilnehme. Mein Beitrag für die Klimabewegung ist meine Social Media-Arbeit, wo ich u.a. auch über das Klima kleine Videos in Gebärdensprache mache.
Die Klimabewegung braucht inklusive Strukturen für echte Teilhabe.
Mit welchen Herausforderungen sind vor allem BIPoC, also Black, Indigenous and People of Colour, und Menschen mit Behinderung in der Klimabewegung konfrontiert?
 
BIPoC und Menschen mit Behinderung sind von Unsicherheit betroffen, wenn es um Polizei und/oder rassistische bzw. ableistische Übergriffe auf Demonstrationen geht. Es betrifft aber auch Menschen mit Migrationshintergrund oder Sinti*zze und Roma*nja, generisch zusammengefasst also alle ‚Nicht-Weißen‘. Für Menschen mit Behinderung und/oder mit chronischen und/oder psychischen Erkrankungen sind klarerweise die Barrieren ein Problem.
 
 
Welche Barrieren meinst du?
 
Beispielsweise gibt es zu wenig Platz für Personen mit Rollstuhl, Rollator, Blindenstock und Ähnlichem. Auch die Demorouten sind meist Barriere-belastet und schließen somit Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen aus. Im Weiteren sind auch die Infomaterialien und Ähnliches meist nicht barrierefrei. Das ist ein großes Problem für echte Teilhabe an der Klimabewegung. Denn ‚Klimabewegung‘ heißt nicht nur, auf der Straße zu sein, sondern auch Wissen über Klimawandel und aktiven Klimaschutz zu erhalten. Wenn wir nun auf die Intersektionalität verschiedener Diskriminierungsformen wie Ableismus (Beurteilung von Menschen anhand ihrer Fähigkeiten, Anmerkung d. R.), Rassismus oder Gadje-Rassismus (Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*ja) schauen, dann verdeutlicht sich, wie exklusiv Klimabewegungen oft sind. Die Klimabewegung braucht inklusive Strukturen für echte Teilhabe.
 
Wen betrifft Inklusion in der Klimabewegung?
 
Sie betrifft alle Menschen, die marginalisiert, ausgeschlossen, diskriminiert etc. werden. Diese sind immer mit mehr Problemen konfrontiert als andere Menschen. Das trifft in der Klimabewegung, aber auch bei den Folgen des Klimaschutzes, deutlich zu.
Inklusion kann man auch so definieren, dass man gemeinsam divers und unterschiedlich ist.
Gehst du auf Demos?
 
Ich bin selten auf Demos. Ich stelle mir häufig die Frage: ‚Was passiert, wenn eine Massenpanik ausbricht oder wenn es andere akute Probleme gibt?‘ Meine persönliche Risikoanalyse zeigt eine starke Aversion von Demo-Risiken. Klar, der Grund dafür ist, dass ich ein Mensch mit schwerer Sehbehinderung und ein BIPoC bin. Dies sieht aber jede betroffene Person anders, das hängt von der unterschiedlichen Wahrnehmung und der persönlichen Risikoanalyse ab. Aber ich war klarerweise schon mal bei Demos mit dabei. 2021 war ich zum Beispiel auf einer Demo gegen die AfD (rechtsextreme Partei in Deutschland, Anmerkung d. R.) in Suhl, einer Kleinstadt in Thüringen, und beim Randgruppenkrawall, einer gemütlichen, aber sehr intensiven Demo für Menschen mit Behinderungen, in München. Dann war ich auch Mal bei Fridays For Future dabei, einmal in Bozen und dann auch einmal in Jena. Heuer war ich bei einer Demo für echte Teilhabe in Berlin, die ich und ein Kollege frühzeitig verlassen haben, da die Ausrichtung der Redebeiträge absolut nicht unserem Wertekodex entsprach. Auch wenn ich selten bei Demos bin und mich nicht als Demo-Mensch beschreibe, finde ich es sehr, sehr wichtig und sehr, sehr stark, wenn Menschen auf Demos sind.
 
 
Was sollte die Klimabewegung machen, um inklusiver zu werden?
 
Inklusion betrifft nicht nur Menschen mit Behinderung oder BIPoC. Das muss man ganz klar sagen. Inklusion betrifft eigentlich uns alle. Sie könnte als Garantie dafür gesehen werden, in der Gesellschaft immer einen Platz zu haben – und somit auch in der Klimabewegung. Sie bedeutet, marginalisierte, ausgeschlossene, diskriminierte etc. Menschen wieder in die Gesellschaft zu holen. Es reicht nicht, ihnen einen festgeschriebenen Platz zuzuweisen, sondern sie sollten in der Gesellschaft verteilt werden, wie alle anderen Menschen auch. Inklusion kann man auch so definieren, dass man gemeinsam divers und unterschiedlich ist.
 
Verstehe, aber was bedeutet das für die Klimabewegung?
 
Es gibt verschiedene Inklusions-Konzepte. In Stuttgart hat Fridays For Future beispielsweise bei der letzten Demo im September ein Awareness-Konzept ausgearbeitet (Awareness bedeutet Bewusstsein in Englisch, Anmerkung d. R.). Unter anderem gab es ein Zelt, wo sich Menschen in einem sicheren Raum zurückziehen konnten. Im Weiteren gab es auch einen ‚inklusiven Demo-Finger‘, also einen Demo-Zug, der sich dann mit anderen vereint. Das ist schon mal ein Anfang, auch wenn ein komplettes Inklusions-Konzept die Zusammenarbeit vieler Expert*innen erfordern würde. Bei kleinen Ortsgruppen von Fridays For Future ist die Erarbeitung eines solchen Konzepts mit wenigen Ressourcen sicherlich schwierig. Das ist aber nur eine sehr kleine Entschuldigung dafür, es nicht zu machen. Wenn man ein Awareness- bzw. Inklusions-Konzept bei einem Klimaprotest außen vor lässt, verliert man automatisch und teils bewusst Menschen. Es kann hier auch gesagt werden, dass somit Menschen außen vor gelassen werden. Es bleibt eine exklusive Veranstaltung.
Diese Hilfen sollen nicht noch mehr Abhängigkeit, sondern Resilienz und eine Reduzierung der negativen Externalitäten schaffen.
Gibt es bereits Fortschritte Richtung mehr Inklusion?
 
Ja, man merkt, dass sich etwas tut. Hauptsächlich in Deutschland und Österreich versucht Fridays For Future Rassismus, Postkolonialismus und die schwerwiegenden Folgen für den globalen Süden ins Zentrum der Klimadebatte zu rücken.
 
Du hast dich in deiner Bachelorarbeit mit finanziellen Hilfen für den globalen Süden im Zuge des Klimawandels beschäftigt. Kannst du das genauer erklären?
 
In meiner Bachelorarbeit ging es darum, gemeinsam mit meinem Professor Per Linus Siming einen differenzierten Katastrophenbond (auch Cat-Bonds) zu implementieren. Dabei war es mir wichtig, dass lokale Gemeinschaften im globalen Süden mit günstig verzinsten Cat-Bonds finanziell unterstützt werden. Diese Hilfen sollen nicht noch mehr Abhängigkeit, sondern Resilienz und eine Reduzierung der negativen Externalitäten schaffen. Der globale Süden ist heutzutage in einer Schulden- und Zinsfalle, was besonders durch die zu hohen Zinssätze, aber auch durch abhängigkeitsschaffende Kreditkonditionen verursacht wird. China investiert beispielsweise sehr viel in Afrika, das hat aber nichts mit einer Partnerschaft zu tun, sondern es geht klar und deutlich in Richtung Abhängigkeit und Eigeninteressen.
 
 
Wieso ist die Schuldendebatte für eine nachhaltige globale Entwicklung wichtig?
 
Die Schuldendebatte für den globalen Süden ist zu führen, nicht nur wegen des Klimaschutzes bzw. Resilienzen, sondern auch für eine Stärkung
der Gesundheitssysteme und Ähnliches. Den was passiert, wenn hohe Schulden nicht mehr gut getilgt werden können? Es wird häufig ein Sparen in vielen wichtigen Bereichen erzwungen. Das sorgt für noch weniger Resilienz und noch weniger Stabilität – Corona und das kaputt gesparte Gesundheitssystem in den Ländern des globalen Südens sind ein evidentes und trauriges Beispiel dazu.
 
Wie lautet dein Fazit?
 
Mein Fazit also lautet, dass wir für den globalen Süden aktiv beim Klimaschutz arbeiten müssen, aber dass wir gleichzeitig auch Finanzhilfen, in Form von fair verzinsten und langläufigen Schulden, liefern, die aber auf Partnerschaft, Unabhängikeit und Resilienz gerichtet sind.