Das zweyte Tyrol
Banat nennt sich die knapp 30.000 Quadratkilometer große Region an den Ausläufern der Südkarpaten. 1920 wurde das Banat dreigeteilt – ein Teil blieb bei Ungarn, ein Teil kam zu Serbien und der größte Teil kam zu Rumänien. Und genau in diesem Teil, knapp 80 Kilometer südlich der Banater Hauptstadt Temschwar, liegt der Ort Tirol, der seinen Ursprung dem Tiroler Freiheitskampf von 1809 verdankt.
…man glaubte ein zweytes Tyrol zu finden
Steiner, Wieser, Auer, Nocker oder Obkircher lauten einige Familiennamen jener Menschen, die sich 1810 ins neue Tirol aufmachten, in den einstigen Süden Ungarns. Sie waren den Tiroler Freiheitskämpfern Josef Speckbacher und Franz Thalguter gefolgt und kamen aus dem Eisacktal, dem Wipptal, aus Innsbruck und anderen Nordtiroler Tälern.
Nachdem die Kolonisationskommission des Kaiserreichs den vielen, nach dem Freiheitskampf 1809 nach Wien geflüchteten Tirolern, neues Land zusagte, kamen die ersten Ansiedler im August des Jahres 1810, mit dem Schiff über die Donau, den Franzenskanal, die Theiß und den Begakanal ins Banat.
Gemäß dem Plan für das neue Dorf auf dem sogenannten Königsgnader Hotter waren über 150 Hausplätze mit Hof und Garten, eine Kirche, eine Schule und weitere öffentliche Einrichtungen vorgesehen. Ende September 1812 wurde die neue Tiroler Kolonie auf den Namen „Königsgnad“ eingeweiht.
Die neuen Tiroler waren damals aber nicht die ersten deutscher Zunge in dieser Gegend. Zwischen 1686 und 1848 wurde das Banat infolge mehrerer sogenannter „Schwabenzüge“ besiedelt. Die Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Herta Müller hat die Geschichte der deutschsprachigen Minderheit im Banat einem breiten Publikum bekannt gemacht.
„Die ersten Jahre fanden den Tod, / die zweiten die Not, / erst die dritten hatten das Brot“ lautete ein alter Tiroler Kolonistenspruch. Die Familien waren gekommen, um zu bleiben, auch wenn sich das neue Leben mühsam gestaltete. Heute leben in Tirol/Königsgnad knapp 500 Einwohner. Überlieferte Tiroler Bräuche und Eigenheiten sind im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte verblasst und noch kaum erkennbar. Die Tiroler Vergangenheit ist lediglich ein gefälliger Wermutstropfen der Dorfgeschichte. „Damit das Dorf überleben kann“, sagen die Dorfbewohner, „muss es belebt werden. Dazu braucht es neue Bewohner und Arbeitsplätze.“
Aufbauen und Anbauen lautet deshalb die Devise. Die Bewohner leben vor allem von der Landwirtschaft und vom Weinbau. Einen Steinwurf vom Ortskern gibt es sogar eine größere Weinkellerei, in der sogar Tiroler Eigenbauweine produziert werden.
Die Bewohner des Dorfes Tirol
Die Bewohner des Dorfes Tirol im rumänischen Banat sind bis heute auf den Namen ihres Dorfes stolz, obwohl von den ursprünglichen, aus Tirol kommenden Bewohnern des Dorfes kaum mehr Nachkommen in Tirol leben, weil die meisten echten Tiroler schon vor vielen Jahren nach Temeschwar übersiedelt sind. Ein Besuch des sehr schön im Banater Hügelland gelegenen Dorfes lohnt sich immer, auch der dort produzierte Wein ist recht gut. Bei dieser Gelegenheit kann man auch verschiedene andere Banater Besonderheiten besichtigen, so etwa das Dorf Liebling, die einzige protestantische Siedlung im sonst katholischen Banat, oder das Dorf Lenauheim, Geburtsort des Dichters Nikolaus Lenau, beide nicht allzu weit entfernt von Tirol.