Società | Was wir uns schuldig sind

Wir hier unten, die da oben

Irgendwie, finde ich, bietet sich’s gerade wunderbar an, dass ich mal ein paar Gedanken los werde zum Thema „Moral“. Und ja, ich weiß, das Wort hat einen unguten Beigeschmack, „moralinsauer“ schwingt da mit, und säuerlich, und spießig, und überhaupt so ziemlich einiges, was gemeinhin als „vor-vorgestrig“ eingestuft wird.
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Natürlich setzt sich, wer immer das Moral-Wort in den Mund nimmt, gewissermaßen damit ins Glashaus, schon klar.Jedenfalls verstehe ich persönlich unter „Moral“ so schöne Dinge wie Ehrlichkeit, Geradlinigkeit, Korrektheit, Gerechtigkeit, und überhaupt finde ich, hat Moral sehr viel mit Respekt und überhaupt Fairness zu tun; Moral ist auch immer da, sie schaut nicht weg, wenn’s mal praktisch und zum eigenen Vorteil wäre, und also bin ich für mich zum Schluss gekommen, dass kerzengerade und aufrichtige Menschen sehr viel wissen um „Moral“. Manche „Träger“ strahlen sie regelrecht aus. Ich denke, das sind dann die Menschen, die Eindruck hinterlassen, ohne dass man genau sagen könnte, warum das so ist. Nichts, aber auch gar nichts zu tun hat "Moral" hingegen mit Bigotterie, und Spießigkeit und ihren Schwestern  und Brüdern.

Es sieht aber so aus, als stünde ich ziemlich alleine da mit meinem Verständnis um „Moral“. Denn tatsächlich scheint unsere Gesellschaft sehr penibel zu unterscheiden zwischen „moralischem Recht“ und „Recht“, und klammert somit moralische Grundsätze von rechtlichen Überlegungen aus. Das ist interessant, denn dadurch „legalisiert“ sie Dinge, die unter dem Aspekt moralischer Pflichten absolute No-Gos wären. Woraus ich das schließe? Zum Einen daraus, dass ich mir in diesen letzten Jahren und bei verschiedenen Gelegenheiten den Satz „Moralisch betrachtet haben Sie völlig recht, aber rechtlich…“ (ich nur: hä?) anhören musste, und zum Zweiten aus der stinkenden Renten-Brühe, die zur Zeit dem einen und der anderen unserer Politiker und Ex-Politikerinnen die gute Luft und das viele Geld verleidet. Hofft man halt.

Denn, man sage mir doch, bitteschön: Was soll das heißen, „moralisch völlig im Recht, aber rechtlich (halt eben leider nicht)"? Und man sage mir auch, bitteschön, was ist das für eine Gesellschaft, in der moralische Werte nicht nur nicht als solche anerkannt werden, sondern offensichtlich überhaupt keinen Wert haben?

Und nur dadurch, finde ich, nur durch das vollständige Fehlen bzw. Nicht-Anerkennen moralischer Instanzen ist es möglich, dass ehemalige und nicht-ehemalige Politiker/-innen die exorbitanten Rentensummen, die zur Zeit das Blut in den Adern der Bevölkerung (dort unten, ganz weit weg) kochen lassen, überhaupt für sich beanspruchen können, mit der rechten Hand, derweil sie mit der linken Hand Kürzungs- und Sparmaßnahmen zulasten der ihnen Anvertrauten, ich sag’s jetzt halt mal so, auswerkeln und abzeichnen.

Und nur so, finde ich, nur durch das vollständige Fehlen bzw. Nicht-Anerkennen moralischer Instanzen (noch einmal und wohlgemerkt: Nicht Bigotterie! Nicht Spießertum!) und Werte ist es möglich, dass – um bei dem Rentenbeispiel zu bleiben, weil’s grad so schön aktuell ist – möglicherweise „Rechte“ in Anspruch genommen werden könn(t)en und darauf gepocht werden kann, wo aber doch eklatantes Unrecht mehr als nur offensichtlich ist. Übrigens, kleiner Exkurs: Privilegien, welcher Art auch immer sie sein mögen, gehören zu Monarchen, gekrönten und selbst ernannten, aber nicht in eine Demokratie, denn:

"Im Sinne der Gleichberechtigung aller Menschen werden Privilegien kritischer gesehen." Birgit Rommelspacher definiert Privilegierung als Gegenspieler der Diskriminierung. Privilegierung erzeuge Diskriminierung. (aus wikipedia)

So, das war’s, die Sache mit der Moral und dem Recht wollte ich schon lange mal los werden, hätte bloß nicht gedacht, dass man mir hier bei uns so bald Gelegenheit bieten würde dafür. Und jetzt bin ich einfach nur noch gespannt, was die junge Politiker-Generation aus der gruseligen Situation zu machen imstande ist. Denn, das ist so sicher wie banal, jede Krise ist immer auch eine Chance. NB: Irgendwie trauere ich besonders um die Frau Klotz. Wenn ich auch ihre politische Position leicht abartig finde, so empfand ich die Frau doch immer als eine der wenigen wenn nicht die einzige „donna verticale“, eine, die „der Sache“ wegen tut, was sie tut. Schade.
 

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Oskar Egger Ven, 02/28/2014 - 18:00

Mit diesen Überlegungen beschäftigt sich auch die Rechtsphilosophie. Zur Vertiefung: über Gerechtigkeit, Moral und Recht kann man z.B. Kelsen lesen und Carlos Santiago Nino, bzw. viele andere, auch Marx, Habermas, Alexy und Wittgenstein und es bleiben viele Fragen offen, bzw. alle Begriffe sind dehnbar. Brigitte Foppa hat die Umsicht des guten Familienvaters (heute natürlich auch Mutter), bzw. die Umsicht in der Ausübung der Berufe, angesprochen. Auch hierüber lohnt es sich, öffentlich nachzudenken. Wir wissen, in den vergangenen Jahren wurde immer mehr die Sonderfallberücksichtigung, das Zurechtzimmern auf bestimmte Empfänger gepflegt. Ich bin der Meinung, eine Rückckehr zur Einfachheit, eine Besinnung auf die Grundrechte und Grundgesetze der demokratischen Verfassungen, die eine tiefmoralische Basis haben, ein Anerkennen im Dialog, daß jeder ein anderes Empfinden für Gerechtigkeit hat, ein Hinzielen auf gemeinsame, übergeordnete Interessen, ein Wahrnehmen, daß es Wahrheiten so viele es Menschen gibt und auch ein Hinterfragen, wann GENUG ist, kann Änderungen bewirken. Und auch ein sich Eingestehen von Fehlern, auch das ist Moral, finde ich.

Ven, 02/28/2014 - 18:00 Collegamento permanente