Krankenhäuser ohne Ärzte
Italien steuert auf einen dramatischen Ärztemangel zu. Nach Molise hat nun auch die Region Venetien damit begonnen, pensionierte Ärzte in den Gesundheitsdienst zurückzuholen. "Rischiamo l'interruzione di pubblico servizio", rechtfertigt Präsident Luca Zaia die dramatische Massnahme. In den Krankenhäusern der Region fehlen 1300 Ärzte, vor allem in den Bereichen Pädiatrie, Notfallmedizin, Anästhesie, Radiologie und Orthopädie. Zu den Stellenwettbewerben tritt eine unzureichende Zahl Kandidaten an - so etwa letzthin drei für 81 Posten in der Notfallmedizin.
Die Ursache liegt im verkorksten Ausbildungssystem. Denn nur zwei Drittel der promovierten Mediziner erhält Zugang zur Facharztausbildung - 6700 von 10.000. Der dort herrschende numerus clausus gilt als einer der Gründe der Misere.
Viele junge Mediziner wandern ins Ausland ab, wo man ihnen die fachärztliche Ausbildung im Krankenhaus ermöglicht.
"E inutile creare più laureati se non possono lavorare", resigniert der Rektor der Universität Padua, Rosario Rizzuto - selbst ein Mediziner. "Per poter lavorare in ospedale un neo laureato deve specializzarsi, mentre per diventare medico di base è tenuto a frequentare in tre anni di relativa scuola. Ma se a fronte di diecimila laureati l'anno ci sono solo 6700 posti nelle scuole di specialità, il sistema produce oltre 3000 potenziali medici che restano nel limbo, senza alcuno sbocco. E vengono spesso reclutati da altri paesi europei, perché sono ben preparati e all'estero si guadagna di più."
Die Zahl der Ärzte, die in andere EU-Länder abwandern, wird auf über 1000 pro Jahr geschätzt. Die begehrtesten Länder sind Grossbritannien, die Schweiz, Deutschland und Frankreich. In Österreich sind bereits 10 Prozent der Ärzte Italiener. In italienischen Regionalzeitungen bieten deutsche Agenturen jungen Ärzten z.B. Fünfjahresverträge in Nordrhein Westfalen mit Anfangsgehältern von 4400 Euro. Die Facebook-Gruppe medici italiani in Germania hat 5090 Mitglieder und bietet Unterstützung und Beratung an. Die meisten Abwanderer unter den jungen Ärzten kommen aus Venetien und der Lombardei. Der Gazzettino del Veneto veröffentlicht mittlerweile die Listen der in der in den Krankenhäuser der Region fehlenden Ärzte:148 di anestesia e rianimazione, 147 di medicina d'urgenza, 80 di radiodiagnostica, 73 di pediatria.....
Es ist klar, dass sich der Notstand mit der Rentenreform quota 100 erheblich verschärft. Nach Schätzungen dürften sich allein in diesem Jahr mindestens 5000 Ärzte für die Frühpensionierung entscheiden. Eine dramatische Entwicklung: "In 10 anni perderemo 47.000 camici bianchi e tra 5 non potremo curare 14 milioni di persone", so der Vorsitzende der Hausärzte, Silvestro Scotti. Ärzte, die das Pensionsalter erreicht haben und ihre Bereitschaft bekunden, einige Jahre weiterzuarbeiten, müssen zwangsweise in Pension gehen. Ermanno Leo, direttore del dipartimento di chirurgia all'istituto nazionale timori: "Rischio di lasciare senza arrivare ai 40 anni di anzianità. Ho un bagaglio di esperienza da vendere e voglia di trasmettere quello che so fare. Varrebbe la pena che quelli come me non vengano rottamati. Ho ricevuto molte proposte alternative ma a me piacerebbe restare in ospedale." Italien war schon immer ein Land, in dem Absurditäten einen hohen Stellenwert geniessen.