Società | Sozialer Wohnbau

„Die Autonomie, aus dem Haus zu gehen“

Der körperlich beeinträchtigte Joaquin Corrado setzt sich seit rund vier Jahren für eine barrierefreie Zugangsmöglichkeit zu seiner WOBI-Wohnung ein – bislang ohne Erfolg. [inkl. Video]
Mensch im Rollstuhl. Symbolbild
Foto: Pixabay, SGENET (Symbolbild)
  • „Und wieder werde ich mich selbst darum kümmern müssen“, erzählt Joaquin Corrado, als ihm SALTO einen Hausbesuch abstattet. „Wie ich es mein ganzes Leben lang, zusammen mit meiner Mutter, immer getan habe“, fügt er hinzu.
    Joaquin schildert sein Schicksal, berichtet von Anfragen, Absagen, Auswahlverfahren, unglaublichen bürokratischen Hürden und endlosen Beschwerden. Alles hinfällig? Unterkriegen lassen will er sich aber nicht. Mit großem Durchhaltevermögen bleibt er an der Sache dran, führt den Kampf gegen Windmühlen weiter. „Ich bin nie jemand gewesen, der um Hilfe bittet. Doch jetzt, wo ich wirklich in Schwierigkeiten stecke, merke ich, wie schwer es ist, auf andere angewiesen zu sein“, bedauert er.
     

    Die Treppen vor seiner Haustür sind seine tägliche Hürde. Doch wegziehen? Aus einer Gegend, in der er sich menschlich wohlfühlt?


    Eigentlich habe er immer alles „alleine geschafft“ und in jeder noch so schwierigen Lebenslage einen Ausweg gefunden. Doch das, was ihm seit Jahren widerfährt, ist kein Zustand – das wissen er, seine Mutter und seine vielen Freunde nur zu genau.
    Lebensfroh erzählt er in melancholischem Ton seine Geschichte und beginnt mit seinen drei S: Sie stehen für Südtirol, Südamerika und Süditalien. Er sei eine „perfekte Mischung“ , sagt er, „aus all diesen Kulturen.“ Und er verbindet diese drei S grenzgenial über die Kochkunst. „Diese Leidenschaft und jahrelange Tätigkeit gibt mir die Möglichkeit, die verschiedenen kulinarischen Fantasien auszuleben“, erzählt er mit Begeisterung. Doch das Arbeiten fällt ihm mittlerweile zur Last. Wie gerne, würde er aber an den Töpfen stehen und feine Speisen zubereiten. Das Schicksal wollte es anders.
     

  • „Ich will autonom sein"

    „Seit seinem dritten Lebensjahr ist er Diabetiker“, erwähnt seine Mutter, die an der Türschwelle steht und dem Gespräch lauscht. Auch sie ist durch eine Krankheit und nach einer Operation in vielem eingeschränkt – mehr noch als ihr Sohn. „Ich will autonom sein“, meint dieser, „das Haus verlassen können.“ Doch das geht nicht so reibungslos wie bei den vielen anderen Menschen, denen der freundliche Mann tagtäglich in seinem Viertel auf der Straße begegnet. Der Aufzug im Sozialen-Wohnbau-Gebäude in der Bozner Turinstraße ist so konzipiert, dass er nur in den Zwischenstockwerken hält – und somit für ihn mehr Hindernis als Hilfe darstellt. Die Treppen vor seiner Haustür sind seine tägliche Hürde. Doch wegziehen? Aus einer Gegend, in der er sich menschlich wohlfühlt? Eine derartige Lösung für Joaquins Problematik stand im Raum, scheiterte jedoch am bedauernswerten Vorschlag der Behörden. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, diesen Fall zu lösen – doch getan wird nichts.
    Wie schwer er sich tut, erzählt und zeigt er am Mobiltelefon. „Wenn es regnet, kann ich nicht hinaus. Wenn meine Mutter sich nicht gut fühlt, muss ich alleine die schweren Einkaufstaschen schleppen. Das ist echt unmenschlich, was ich da tue: zwölf Stufen hinunter, auf dem Boden sitzend, einen 22 Kilo schweren Motor tragend, der mir hilft, meinen Rollstuhl zu bewegen. Mehrmals muss ich zwischen Einkäufen, Rollstuhl und Haustür hin- und herpendeln.“

  • Video und Schnitt: Mauro Podini / Interview: Martin Hanni
    (c) SALTO

  • So lebt er weiter, der leidenschaftliche Koch, der einst in einem altehrwürdigen Künstlertreff – mittlerweile zu einem kleinstädtischen Bierhaus umfunktioniert – für das leibliche Wohl sorgte. Seit er im Rollstuhl sitzt, nur mühsam aus dem Haus kommt und noch schwerer zurückkehrt, hat er sich weitere Leiden an Armen und Händen zugezogen und muss wohl bald auch an diesen operiert werden. „Jeden Tag auf diese unmenschliche Art und Weise die Wohnung zu verlassen, ist für jemanden wie mich, der seit über 40 Jahren krank ist, einfach nicht mehr tragbar“, bedauert er.
    Welche Hoffnung soll er noch haben, dass ihm nach nunmehr vier Jahren, in denen er beständig um Hilfe bat, nun endlich jemand Aufmerksamkeit schenken wird? Ernüchtert, aber hoffnungsvoll kämpft Joaquin weiter. 

Bild
Profile picture for user Klemens Riegler
Klemens Riegler Sab, 03/29/2025 - 22:27

Ich schließe mich Evi Keifl an.
Hier muss irgendwo ein Hacken sein. Salto hätte zudem gleich hier eine Stellungnahme vom WOBI einholen müssen.
Das alles ist doch fast nicht zu glauben. Es muss doch irgend eine technische Möglichkeit geben diese architektonische Barriere abzubauen. MUSS !!! .... hallo?, wir bauen BBT, NoiTech-Parks, millionenschwere Umfahrungen für Dörfer mit 173 Einwohnern, Fußballplätze Eisstadien und Olympiadörfer. Wir elektrifizieren die Vinschgerbahn und versorgen den Kl. Montigglersee mit Sauerstoff ... sind aber nicht imstande einem an den Rollstuhl gebundenen Bürger eine Halbstock-Lösung anzubieten? GEHTS NOCH? ... speziell weil der Abbau architektonischer Barrieren sogar staatlich gefördert, und finanziell unterstützt wird.

Sab, 03/29/2025 - 22:27 Collegamento permanente