Società | Rassismus

“Du musst sterben!”

Agitu Ideo Gudeta fühlt sich mit ihren Ziegen im Fersental nicht mehr sicher. Rassismus, Morddrohungen und Übergriffe – aber die Solidarität bleibt nicht aus.
Agitu Ideo Gudeta
Foto: La Capra Felice

“Sporca negra, te ne devi andare”, “devi morire”. Anfeindungen, Sabotageakte und sogar Morddrohungen gehören für Agitu Ideo Gudeta inzwischen zum Alltag.
Seit 2010 bewirtschaftet die gebürtige Äthioperin eine Alm im Trentino, züchtet Ziegen und verkauft die Produkte, die sie dort, in den Trentiner Bergen herstellt. Erfolgreich. Lokal, national und international sorgt die Geschichte der 40-Jährigen, die als Flüchtling nach Italien gekommen ist, immer wieder für Schlagzeilen Auch als Beispiel für gelungene Integration. Doch Agitu Ideo Gudeta ist verzweifelt. Seit einiger Zeit sieht sich die Äthioperin Angriffen ausgesetzt, wird beschimpft und bedroht. Seit Juni ist die Situation jedoch ausgeartet. Im Fersental, wo Agitu Ideo Gudeta inzwischen mit ihren 150 Ziegen lebt und arbeitet, fühlt sie sich nicht mehr sicher.
Zerstochene Reifen, verbale, auch körperliche Übergriffe – und zuletzt eine tote Ziege, die keines natürlichen Todes gestorben ist. Hinter den Attacken: ein Nachbar, wie Agitu dem Trentiner Onlineportal ildolomiti und einer Journalistin von Internazionale berichtet. “Eines Tages arbeitete ich an der Melkmaschine, mit dem Rücken zur Tür gewandt. Plötzlich wurde ich von hinten am Hals gepackt und er schrie ‘io ti uccido, brutta negra’, ‘tu devi morire’”, berichtet die Frau. Sie habe es geschafft, sich zu befreien, indem sie dem Mann einen Stoß versetzt habe und ins Haus geflüchtet sei.

Seit sie in Italien sei, habe sie sich nie wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert gefühlt, “è la prima volta che mi capita di avere paura e di ricevere questo tipo di insulti”, gesteht Agitu.

Inzwischen hat sie Anzeige bei den Carabinieri erstattet, auch wegen einer toten Ziege, die sie mit Stichwunden aufgefunden hat und nachweislich nicht von einem Raubtier getötet wurde. “Ich kann nachts nicht mehr schlafen und habe Angst, auf die Weiden zu gehen.” Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet, der Verdacht lautet auf Stalking mit dem erschwerenden Umstand des Rassenhasses.

Nicht nur den sozialen Netzwerken erfährt Agitu viel Solidarität. “Un abbraccio di sorellanza e solidarietà, al tuo fianco contro il razzismo e il sessismo che stanno distruggendo la nostra società. Resisti non sei sola!”, schreibt einer der vielen Menschen, die sich hinter die Äthioperin stellen, am Dienstag Morgen auf Facebook. Auch von Vereinen und Lokalpolitikern, darunter Landeshauptmann Ugo Rossi, habe sie Zuspruch erhalten, berichtet Agitu auf Facebook, wo sie sich für die “tantissima solidarietà” bedankt: “Questo mi fa sentire la benvenuta!!”

Eine deutliche Solidaritätsbekundung kommt auch von der Journalistengewerkschaft Trentino-Südtirol. Dort reagiert man “sprach- und fassungslos” auf die Vorkommnisse im Fersental. “Die Intoleranz und der offenkundige Rassismus, die einige brutale Gewaltepisoden gegen Agitu begleitet haben, geben Anlass zur Sorge”, heißt es in einer Stellungnahme. “Angriffe auf eine Person wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft sind in einem zivilisierten Land inakzeptabel”, so die Journalistengewerkschaft, die die Bevölkerung aufruft, “einzuschreiten, um wachsendem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Einhalt zu gebieten”.

“In Anbetracht der zunehmenden Abschottung, die in den vergangenen Monaten auf nationaler und internationaler Ebene festzustellen ist, bekräftigt die Journalistengewerkschaft Trentino-Südtirol, wie wichtig es ist, die Grundprinzipien und -werte der italienischen Verfassung und unserer Autonomie zu verteidigen, für ein offenes und gastfreundliches Territorium”, so die klaren Worte der Stellungnahme.