Crisi governo
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Politica | Regierungskrise

Politisches Sommertheater

Salvini vor dem Aus ?
Ist es, wie die Tageszeitung Il fatto quotidiano meint, "la crisi più pazza del mondo"? Mag sein, aber Italiens Politik war schon immer reich an Unwägbarkeiten, Paukenschlägen und surrealen Szenarien - ob unter Giulio Andreotti, Bettino Craxi oder Enrico  Berlinguer. Und stets stand dabei das Gerangel um die poltrone im Vordergrund, das ewige Tauziehen um Ministerposten,Macht und Einfluss,  das sich in dichtem Zigarettennebel oft bis in die frühen Morgenstunden hinzog.  Gewiss, es ist eine trattattiva a ostacoli  zwischen zwei schon seit Renzis Zeiten tief zerstrittenen Parteien, die sich gegenseitig verabscheuen.  Das Klima kann man schwerlich als harmonisch bezeichnen. Es ist von gegenseitigem Misstrauen belastet. Was beide eint, ist ein gemeinsames Ziel: der Abgang jenes Mannes, dessen autoritäres Gehabe seit Monaten zu den Lieblingsthemen der in-und ausländischen Kommentatoren gehört: Lega.Chef Matteo Salvini. 
 
Alles schien vorstellbar, nur das nicht: dass der allmächtige Innenminister, der die Halbinsel seit Wochen so vermeintlich leger  in Badehose von einem Strandclub regierte, von einem Tag auf den anderen abserviert werden könnte - nur wenige Tage, nachdem er  selbst Regierungschef Giuseppe Conte vermeintlich abserviert hatte - um dann selbst Opfer  eines Misstrauensvotums im Senat zu werden.
 
"Ora venderanno l'Italia alla Merkel", warnt Salvini in gewohnt primitiver Propaganda. Verweist auf seinen Erfolg bei der Bekämpfung illegaler Migration. Warnt vor einem "Putschversuch", der das Wahlergebnis auf den Kopf stellen könnte. Seine schwerste Niederlage hat der Lega-Chef freilich nicht in Rom erlebt, sondern im fernen Brüssel. An jenem Tag, an dem seine Partei als einzige im EU-Parlament gegen Ursula von der Leyen gestimmt hat. Über Wochen hatte Salvini grossmäulig gegen die Eurokraten und die Achse Macron-Merkel gewettert, hatte ihnen eine schwere Niederlage prophezeit und eine neue Ära angekündigt - in üblicher,  inhaltsloser Rhetorik.
Nun ist seine Partei in Umfragen um fünf Prozent abgesackt und die Zahl seiner internen Kritiker wie Staatssekretär Giancarlo Giorgetti wächst. Staatspräsident Giuseppe Mattarella führt nun Regie in einem schwierigen Drahtseilakt, der politische Gegner zu Verbündeten machen soll  - ein hürdenreichen Weg, auf dem bis Donnerstag zumindest die grössten Hindernisse ausgeräumt werden sollen. Weitere Unwägbarkeit: Die Basis des M5S muss auf der Rousseau-Internet-Plattform das Verhandlungsergebnis gutheissen. Dann hat Italien ein weiteres Novum hinter sich: eine innenpolitische Krise im August - mit Machtwechsel.