Società | Gastbeitrag

4 Tage am Magnagoplatz

Für den Tischler Ivo Visintin geht mit der Einführung des Greenpasses das Recht auf Arbeit verloren. Eine persönliche Geschichte des Protestes.
Visentin 1
Foto: Ivo Visintin
Am 18. Oktober wurde mir der Eintritt in den Betrieb verweigert, weil ich nicht im Besitz eines Green Passes war. Dieses Dekret verstößt gegen unsere Grundrechte laut italienischer Verfassung und den EU-Richtlinien. Ich fühle mich durch diese Anordnung diskriminiert.
Aus diesem Grund beschloss ich am Dienstag, 19. Oktober der Südtiroler Landesregierung meine Enttäuschung kundzutun. Auf einer Tafel stellte ich meinen Lebenslauf als Arbeitnehmer und ehrenamtlicher Mitarbeiter im Vereinswesen dar. Dienstag, 19. Oktober 9:30 Uhr präsentierte ich mich samt meinem Schild am Silvius-Magnago-Platz. Es dauerte keine 15 Minuten und schon waren die Polizei und Digos vor Ort und fragten mich, was ich hier machen würde! Ich sagte ihnen, dass ich heute und die darauffolgenden Tage hier stehen würde, um meine Enttäuschung über das verlorene Recht auf Arbeit kundzutun! Ich wies darauf hin, dass ich laut Art. 17 und Art. 21 der italienischen Verfassung hier stehen dürfe.
Zufällig hatte an diesem Tag auch die Landesregierung ihre Sitzung. Gegen 13 Uhr näherte sich Landtagsabgeordneter Gert Lanz, betrachtete mein Plakat und wir sprachen über die verschiedensten Themen (Testen, Impfen, Arbeitsrecht usw.) Er verabschiedete sich mit einem Appell, ich sollte mich testen lassen und wieder zur Arbeit gehen, da mein Betrieb mich dringend brauchen würde.
Es dauerte keine 15 Minuten und schon waren die Polizei und Digos vor Ort.
Gegen 14:30 Uhr endete die Landesregierungssitzung und somit kamen auch die restlichen Landesräte aus dem Palais Widmann Landhaus 1 heraus. Es fuhren die schwarzen Dienstautos vor mir herum, die die Landesräte abholten. Ich stand allein mit meiner Werkzeugkiste, in meiner Arbeitskleidung, mit meinem Schild ca. 1 Meter x 1 Meter dort. Eigentlich hätte ich nicht zu übersehen sein dürfen! Landesrat Schuler blickte zu mir herüber, stieg in das Auto, und während es wegfuhr, schaute er nochmals neugierig aus dem Fenster! Landesrat Philipp Achammer zirkulierte auf dem Platz hin und her, stieg ins Auto und fuhr fort! Landeshauptmann Arno Kompatscher bog zu Fuß rechts ab, Landesrat Widmann links, Landesrätin Waltraud Deeg ebenso rechts, Landesrat Daniel Alfreider spazierte neben mir vorbei, ohne mich gesehen zu haben, und so waren die meisten weg. Einzig und allein Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer blieb vor mir stehen, betrachtete mein Plakat und fragte nach dem Grund meiner Anwesenheit hier. Es war ein sehr nettes Gespräch und ich bedankte mich, dass sie sich Zeit genommen hatte. Gegen 17 Uhr beschloss ich den  Tag zu beenden und ging Richtung Parkhaus. Plötzlich kamen aus dem operativen Nebengebäude Landesrat Thomas Widmann, Landtagsabgeordneter Gert Lanz und Landtagsabgeordneter/Arbeitnehmervertreter Helmuth Renzler. Ich hatte ein sehr intensives und kontroverses Gespräch. Dabei verwies ich auf mein Recht auf Arbeit und wir sprachen über die aktuellen Themen Impfen, Testpflicht, Suspendierung usw.
 
 
 
Am Mittwoch, 20. Oktober war ich etwas früher gekommen, so gegen 8:30 Uhr, da eine Gruppe von suspendiertem Personal des öffentlichen Dienstes (Lehrer/innen und Sanitätspersonal) seit einigen Wochen eine Mahnwache abhalten, die ca. 1 ½ Stunden dauerte! Ich schloss mich ihnen an. Wir zündeten mehrere Kerzen an. Diese sollten den Weltfrieden, unsere Grundrechte und unsere Solidarität symbolisieren.
 
Am Donnerstag, 21. Oktober nahm ich wieder an dieser Mahnwache teil. Gegen 10 Uhr nahm ich meinen gewohnten Platz vor dem Palais Widmann ein. Gegen 11 Uhr hielt ein Gast aus Deutschland vor mir und fragte mich nach dem Grund meiner Aktion oder: und stellte mir Fragen über meine Aktion, weil er diesen Konflikt in Italien verfolgte. Der Herr war ein Biologielehrer aus Nordrhein-Westfalen und er hielt mir einen 30-minütigen Vortrag über den Fortschritt der MRNA-Impfung. Ich bedankte mich für das Gespräch und er wünschte mir viel Glück für die Zukunft.
 
 
Am Freitag, 22. Oktober brach der für mich letzte Tag an. Ich schloss mich wieder um 8:15 Uhr der Mahnwache an, um meine Solaridität zum Ausdruck zu bringen. Anschließend nahm ich wiederum meinen Platz vor dem Palais Widmann ein. Ich begegnete vielen netten Leute, die anhielten und mit mir sprachen.
Generaldirektor Florian Zerzer kam aus dem Gebäude, betrachtete mich und wollte weitergehen.
Gegen 16 Uhr kam Generaldirektor Florian Zerzer aus dem Gebäude, betrachtete mich und wollte weitergehen. Ich sprach ihn an und bat ihn mein Plakat anzuschauen und seine Meinung darüber zu äußern. Im Zuge einer sehr kontroversen Diskussion folgte sein Zitat: „Anstatt hier zu stehen und nichts zu verdienen solle ich 45 Euro pro Woche zahlen für die Tests, das wären 180 Euro im Monat, oder mich gratis impfen lassen“ (eine sehr demokratische Antwort, Herr Zerzer, danke!) Ich musste meinen Adrenalinspiegel sofort mit einem Kaffee in der Bar beruhigen und kam wieder gegen 18 Uhr an meinen gewohnten Platz zurück. Es dauerte nicht lange und es kam Landeshauptmann Arno Kompatscher aus dem Gebäude. Ich fragte ihn, ob er 10 Minuten Zeit für mich hätte, da ich seit Dienstag hier stehe und auf diese Gelegenheit gewartet hatte. Er nahm sich sehr freundlich die Zeit und wir gingen verschiedene Themen sorgfältig durch! Gegen 18:30 Uhr beendete ich meinen 4-tägigen Aufenthalt am Silvius-Magnago-Platz.
Ich denke, dass Familien, Freundschaften, die Gesellschaft auseinandergebrochen sind, die Gesellschaft gespalten wurde
Was bleibt mir?
 
Ich bin froh diese Aktion für mich durchgeführt zu haben.
 
Was bleibt mir für ein Eindruck?
 
Ich glaube, dass unsere Politiker es sicher nicht leicht gehabt haben, als diese Pandemie ausgebrochen ist. Ich habe den Eindruck, dass hier vieles falsch läuft, wenn ich denke, dass man jetzt  für Tests, die total sinnlos sind, 180 Euro pro Monat bezahlen muss, um arbeiten zu dürfen, wenn ich denke, dass Ärzte, Krankenschwestern und Pflegehelfer im Sanitätsbereich einmal als große Helden gepriesen wurden, sozusagen Engel auf Erden waren, und jetzt nach und nach auf widerlichste Art und Weise suspendiert werden, wenn ich denke, dass unsere Kinder in der Schule immer noch die Masken tragen müssen, wissend, dass es keine Risikogruppe ist, wenn ich denke, dass Familien, Freundschaften, die Gesellschaft auseinandergebrochen sind, die Gesellschaft gespalten wurde, wenn ich denke, dass unser Alltag von Corona beherrscht wird und das eigentliche menschliche Leben verloren geht, wenn ich denke, dass Geimpfte von der Testpflicht befreit sind, und gerade bei ihnen wiederholt symptomatische Infektionen diagnostiziert werden und wenn ich denke, dass mir immer wieder ein Stückchen Freiheit genommen wird, dann stelle ich mir die Frage, ob dies alles mit der Gesundheit zu tun hat?