Vorletzte Generation
Schon mal die Paraphrase des US-amerikanischen Pop Art Künstlers Andy Warhol aus dem Jahr 1968 gehört: “In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes”, was mein Dad, als englischer Muttersprachler, mit „In Zukunft wird jeder für 15 Minuten weltberühmt sein“ übersetzt hätte. Laut Wikipedia bezog sich Warhol auf „die Flüchtigkeit von Ruhm und medialer Aufmerksamkeit, die sich schnell durch eine Ablenkung auf ein anderes Objekt fokussiert, sobald die Aufmerksamkeitsspanne des Betrachters erschöpft ist.“ Da rauscht es dann in schneller Abfolge durch den Blätterwald: Die Freunde im Edelweiß, Mikrowohnbauzonen, Kasernenabrisse, IDM, illegale Seilbahnkubatur. In Zeiten von TikTok und YouTube Shorts sollte man wohl eher von 15 Sekunden sprechen, aber auch die harren bei mir auf Erfüllung. Also langsam werde ich unruhig, weil so viele Lenze habe ich nicht mehr und es wäre mir total zwider, wenn der Vollpfosten von Nachbar meine 15 Minuten Berühmtheit bekommen würde. Was mich hoffnungsvoll stimmt: Noch nie war es so einfach - wie heißt das heute - „viral“ zu gehen. Ich sage nur drei Stichworte: Klimaprotest, Kunstwerke, Pick. Als sich die Letzte Generation in Berlin auf der AVUS festgeklebt hat, war ich schon drauf und daran, mich an einem lokalen Ableger zu versuchen. Montagmorgen 7:30 auf der MeBo, kurz vor der Ausfahrt Eppan oder auf der Brennerautobahn vor Klausen, damit es mindestens bis Neumarkt rückstaut. Letzteres habe ich schnell verworfen, weil LKW-Staus auf der A22 mittlerweile zum Tagesgeschäft gehören und ein Stau mehr oder weniger nicht mehr auffällt. Ebenso wie der samstägliche Urlauberschichtwechsel bei uns im Pustertal. Gut, wenn man es an der Einfahrt Brixen-Pustertal geschickt anstellen würde, sagen wir mit einer Kaskade: Lanz/Ausfahrt Schabs/Ladestatt/Last Exit Downtown Aicha/Riggertalbrücke/Kreisverkehr Mautstelle, wo ich - kaum abgelöst - mich an der nächsten Kreuzung wieder festklebe, könnte man es schaffen, den östlichen Landesteil für einige Tage lahmzulegen. Das Medienecho wäre bombastisch.
Bliebe das Dilemma, ob ich nun Sekundenkleber von Pattex, Uhu oder doch den altbewährten Super Attak von Loctite nehme. Muss mal den Manni aus dem schönen Gadertal fragen, was er so zum Sesselkleben nimmt oder den, dessen Name ich niemals nenne.
Hätte meinen Klimaprotest schon durchgezogen, wäre der logistische Aufwand nicht enorm. Ich habe versucht beim „Boazner“ anzurufen, damit sie mir für das Video einen ihrer Hochzeitsfilmer vorbeischicken. Leider hat auch nach mehreren Versuchen niemand abgehoben. In der Zwischenzeit hat sich die Erde um mindestens 0,1 Grad zusätzlich aufgeheizt. Wir werden alle(!) sterben - und schuld ist der Staatsfunk. Mir läuft die Zeit davon. Ich wollte schreiben: Die Moden. Autobahnen sind nicht mehr en vogue. Die Klimaaktivisten in der Piefkei und bei den Walschen haben zwischenzeitlich ihren Fokus auf Botticelli und Raffaels „Sixtinischer Madonna“, besser Tomatensuppe und Mehl, verlegt.
1,5 Grad
Damit ergeben sich zwei Probleme. An berühmten Malern hat dieses Land allenfalls einen Albin Egger-Lienz oder Franz Defregger hervorgebracht, den außerhalb des Nabels der Welt keine Sau kennt. Erschwerend hinzu kommt, dass beispielsweise die 127 Bilder aus der Sammlung Siegfried Unterberger, die das Land 2001 gegen den zwölf Hektar großen Stegerhof in Labers oberhalb von Meran getauscht hat, meistens in einem Depot der Brixner Hofburg vor sich hinmodern. (Hat irgendjemand außer dem Sigi und unserem Landesfürsten Luis I. diesen Tausch verstanden?)
Beim Museion könnte ich anrufen und fragen, ob sie für die Weltpresse relevante Werke hängen haben. Vermutlich nicht. Nach dem Kippenberger Frosch und den Eklats um spinnerte Direktoren ist das Museum für Moderne Kunst aus der Wahrnehmung verschwunden. Da müsste erst Öffentlichkeit generiert werden. Ein Hungerstreik würde mir spontan einfallen. Darauf hin würde ich sicher in den Landtag gewählt und könnte einen Beschlussantrag gegen die globale Erwärmung einbringen - und für meinen Rentenvorschuss versteht sich. So ein Hungerstreik würde meine Botschaft sogar doppeln: „Nein, meine Suppe ess' ich nicht!“ - ich schütt' sie übers Gemälde.
Haben Sie's bemerkt? Wie bei einem 10.000-Teile-Puzzle fügt sich alles zusammen: Der freitägliche Klimastreik wird medial durch einen struwelpeterschen Suppenstreik inszeniert - der Struwelpeter von dem der Andy Warhol seine Frisur plagiatiert hat - der Warhol mit seinem Zitat von der Berühmtheit - meine 15 Suppen, äh Minuten! Das sind genau die Konnotationen mit denen ein Kunstkritiker eine Tomatensuppe zum Kunstwerk adelt. Merda! Wie immer fehlt ein Teil: Wenn ich nur an Tomatensuppe denke, muss ich speibn. Eine Gerstensuppe vom Haustörggelen mit der Mitzi und ihrem Günther von letzter Woche hätte ich noch übrig. Schmeckt auch schon etwas säuerlich - wäre also nicht schade drum. Geht nicht meinen Sie? Wegen der Selchfleischwürfelchen? Verstehe: Das Selchfleisch stammt von ostdeutschen Focken, deren Methanfürze das Klima schädigen. Da wird die Message des Climateprotest sofort unglaubwürdig. Muss etwas vegetarisches sein, noch besser vegan. Terlaner Spargelsuppe? Mehr Null-Kilometer geht nicht. Was - ist zwar lokal aber nicht saisonal? Geht's etwas weniger Taliban? Kürbissuppe? Brennsuppe? Das ist es! Schließlich ist das Volk der Blauschürzen auf der Brennsuppe dahergeschwommen. Lässt sich vom Fluss, der durch Florenz fließt und seiner Nachhaltigkeits-Tour einlullen, von „Sustainability Days“ blenden, während Gipfelhotels auf 2700 Metern genehmigt, Kabrio-Seilbahnen bezuschusst werden, für deren baurechtlichen Überkubatur die neue, ohnehin aufgeweichte, Raumunordnung sofort zu Makulatur zerschossen wird. Da ist unsere Mutterpartei kohärent. Im Artikel Eins des Parteistatus steht: „Sie [die beste und einzigartigste und überhaupt Partei] gestaltet Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes.“ Kapito! „Christlich.“ Die Maxime der Katholen war schon immer Wasser zu predigen und Wein zu trinken. Die Todesspirale der „Weiter so“-Wirtschaft funktioniert in etwa folgendermaßen: Um die Attraktivität der beiden Skigebiete zu steigern, schließt man sie zusammen. Dann braucht es neue, tropfenförmige 5-Sterne-Familienhotels, damit die Lifte besser ausgelastet sind. Schließlich einen neuen Lift mit Pisten, um das Mehr an Gästen besser zu verteilen. - Und dann muss er eben her, der neue Lift auf die Kleine Gitsch. Ich sage: Solange unsere, auf ewiges Wachstum gegründete Wirtschaft, mit mehr Liften, mehr Hotels, mehr 1500 Kubikmeter UaB ungestraft das Gesamtkunstwerk Südtirol verhunzen darf, muss es straffrei erlaubt sein, Brennsuppe über einen Defregger zu schütten.
Muss man so eine Aktion eigentlich anmelden? Möchte ja nicht, dass es mir wie dem Neanderlan mit seinen Spaziergängen ergeht. Laut dem Telegram-Kanal „Frei-Netz“ wurde er im Oktober in erster Instanz zu einer Strafe von 6.950 Euro, wegen Verstoßes gegen das Regio decreto 18 giugno 1931, n. 773, Titolo II, Capo I, Art. 18 verdonnert. Sie wissen schon, das regelt, dass man Versammlungen, die scheinbar privat, aber im öffentlichen Raum stattfinden, drei Tage vorher beim Quästor anmelden, bla, bla, bla … Also knapp 7.000 Euronen und dazu noch 1.500 für den Anwalt habe ich jetzt nicht. Der Jürgen offenbar auch nicht, sonst würden die Schwurbler nicht Spenden sammeln. Ah so!? Für das Klima würden Sie weniger Auto fahren, weniger Fliegen, die Heizung runter drehen und meine Prozesskosten und Strafe übernehmen. Na dann - auf zu großen Taten.
3 Grad
Ich habe es durchgerechnet: Entweder meine Frau kocht acht große Suppenkübel, die ich - noch brüllend heiß - über unsere wirtschaftshörigen Landesräte gieße oder ich klebe mich an den Hosenbund vom LH und dem Du, Philipp, wenn sie am Dienstag Mittag aus der Sitzung der Landesregierung kommen. Mit solchen Nobodys schaffe ich es nie und nimmer in Bild oder Corriere della Sera? Ich müsste mich internationaler aufstellen? Wer fällt mir da ein? Giorgio Moroder, die Hubschrauber-affine Doro Wierer, Reinhold Messner? Ist Flughafenbefürworter, also würde es passen und die Fridays for Future hat er auch als „weinerliche Weicheier“ beleidigt. Leider ist der so goschet. Schreit Zeter und Mordio während du an ihm klebst.
Hab's! Ich kleistere mich an die Glasscheibe vom Ötzi. Der ist fast so bekannt wie „Die Geburt der Venus“ in den Uffizien und mucksmäuschenstill. Ohne Erderwärmung wäre er zudem nie ausgeapert. Außerdem hat die Leich einen ungeheuren Ressourcenverbrauch - der Strom für ihre Kühlung kosten mindestens einen Zentimeter Meeresspiegelerhöhung. (Nachts sicher französischer Atomstrom, statt Südtiroler Wasserkraft).
Ich schütte meine Brennsuppe über das Guckloch und fordere, dass man den Mann aus dem Eis in sein Schneeloch zurückbringt, damit er von Mama Natur so gekühlt wird, wie die letzten 5.200 Jahre. Mit dem Gletscherschwund wird am Similaun nicht mehr allzu lange etwas kühlen? Dann fordere ich gleich ein christliches Begräbnis samt Todesanzeige im Kasblatt der Südtiroler.
Moooment! War es nicht Paracelsus (1493-1541), ein schwäbischer Wanderarzt, der die Bedeutung der Chemie für die Heilung entdeckte und staubfein gemahlene Mumien gegen Epilepsie, Herzattacken, Übelkeit, Vergiftungen, Tuberkolose und Blutergüsse verschrieb? „Diesem Pulver schrieben die Menschen damals magische Kräfte zu. Es wurde auch als Zaubertrank zubereitet. Unter dem Namen „Caput Mortuum“ (Totenkopf) wurde es auch als braunes Mal-Pigment verkauft“, schreibt planet-wissen.de. Also „Braun“ kommt beim Ötzi allemal hin und magische Kräfte hat er ebenfalls. Niemand vor ihm hat es geschafft ein Provinznest wie Bozen in einen touristischen Sehnsuchtsort zu verwandeln, dessen Bewohner glauben, sie seien „Caput Mundi“, also die Hauptstadt der Welt.
100 Grad
Ich könnte mich auch an das Eingangsschild der IDM kleben - nicht nur Ressourcenfresser sondern ‑vernichter. Das TK hat ziemlich lange gebraucht, bis es verstanden hat, was für ein „Moloch“ am Pfarrplatz der Weltlandeshauptstadt residiert - liest offensichtlich meine Schreibe nicht, die ich vor zwei Jahren verbrochen habe. Der vom Landtag angenommene Beschlussantrag zur Zerschlagung der IDM kommt auf jeden Fall ungünstig - für den Mann von Tchibo meine ich. Jetzt, wo die Büchse der Pandora geöffnet wurde, kochen die übelsten Gerüchte hoch: Der Boss hätte angeblich genau jetzt gerne mehr Geld. Bei seinem Wechsel in die Heimat, soll er die Steuererleichterungen des „Rientro dei cervelli“ in Anspruch genommen haben. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, sind bei Wissenschaftlern, Dozenten und Führungskräften, die aus dem Ausland zurückkehren, 50 Prozent des Einkommens steuerbefreit, man kann mehr für Haus und Kind abschreiben und so weiter und so fort. Natürlich nicht für immer. Irgendwann ist Schluss und ab da hätte der Obermarketingfuzzi - so raunt es in den heiligen Hallen, hinter dem häusergroßen Adventkalender - gerne mehr Kohle, damit er sich auch morgen noch für seine knapp 220.000 Euro drei warme Mahlzeiten leisten kann. Versteh ich total.
Meine Frau sagt ja immer: „Der Fisch stinkt vom Kopf“. Am besten man macht's wie beim Fussball: Trainer auswechseln ist einfacher als die ganze Mannschaft. Ich meine, wer die Lobhudeleien der Presseaussendung zur Inthronisierung des „gebürtigen Lüsner“ als Generaldirektor von Dezember 2018 liest, glaubt, er ist im falschen Film: „Durch die Konzentration auf spezifische Themen können diese noch gezielter und schlagkräftiger angegangen werden, und die Services von IDM werden noch effizienter. So können wir das große Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Südtirol zu stärken, besser erreichen“, ließ sich der HGV-Bezirksheini, durchgefallene SVP-Landtagskandidat und Präsident der IDM Hansi Pichler zitieren. Ich schweife ab.
Vom klimatechnischen wäre eine Zerschlagung der IDM nur zu begrüßen: Keine Werbung = kein Overtourism. Kein Overtourism = weniger Anreisen. (99,9 Prozent erfolgen ja mit dem eigenen Auto, nur 0,1 Prozent kommen mit dem noch klimaschädlicheren Flieger der Skyalps). Last, but not least: Ressourcenschonend für den Steuersäckl, wenn sich die Tourismusindustrie ihre peinlichen Merkel-Einladungen in FAZ und Süddeutsche in Zukunft selber zahlen muss.
0 Grad
Ist es Ihnen aufgefallen. Den ganzen Text habe ich mit „Berühmtheiten“ vergeudet, die jeder kennt und keiner mag. Die das Schicksal in einer Laune an die Oberfläche gespült hat und die sich nun krampfhaft in ihrer Eitelkeit dort festklammern. Zeit für Neues. Nein, nicht Zeit für mich. Es geht nicht um meine 15 Minuten Warholscher Berühmtheit. Es geht ums Klima. Es ist wichtig. Sehr! Helfen Sie mit. Denken Sie bevor Sie ins Auto steigen, zum Skifahren gehen, die Heizung hochdrehen vorher an unsere Kinder. Lassen Sie uns nicht die „Vorletzte Generation“ sein. Ich verlange nicht, dass Sie sich irgendwo festkleben; nur dass Sie ein bisschen aus ihrer Komfortzone kommen. Und für einmal kein lautes, gewohnt pöbelndes, sondern ein leises, ja flehendes: Bitte!
Panikmachen dürfen nur Wolf
Panikmachen dürfen nur Wolf und Borkenkäfer, die Medien berichten seriös und die Klimaerwärmung ist nur eine Verschwörungstheorie.
Der einzige Schrieb, der mir gleich gut gefällt wie mein Lieblingshofnarr Nuhr.
In risposta a Panikmachen dürfen nur Wolf di Dietmar Nußbaumer
Um seine WARHOL-sche 15
Um seine WARHOL-sche 15 Minuten Berühmtheit zu erreichen, müsste der Goggl Totsch an einem besonders kalten verschneiten / in Bozen verregneten Wintertag, wenn sich alle Touristen mit gütig gespendetem Gratis-Ticket der Hoteliere, in der langen Warte-Schlange der trippelnden und vor Kälte bibbernden Ötzi-Gaffer vereinigt haben, nur eine BRENNSUPPEN-KÜCHE einrichten.
Der Dank der Touristen und der Neid der auch Touristen fütternden Bozner Gastwirte, aber auch die internationale Aufmerksamkeit wären für die 15 WARHOL-Minuten gesichert.
Das zu röstende Mehl aus Vintschger-Getreide, muss natürlich mit einer alten von einem Wasserrad getriebenen Mühle gemahlen, auf einem offenen Herd neben der Warte-Schlange, in einer einer alten Pfanne mit einem Hauch von Schweineschmalz geröstet, mit Original-Bozner-Tiefbrunnen-Wasser versuppt, mit einheimischem Lorbeer-Blatt garniert und mir spärlichen Schüttelbrot / Vintscherpaarl-Stückchen serviert werden.
Mit dem Suppen-Rest könnte sich der Goggl Totsch, ja noch beim Ötzi-Guckloch etwas einfallen lassen, um auch die Klima-Retter zu unterstützen.