Arte | Collagekunst

In the mood for surrealism?

Mit „One last escape into the Realm of Dreams“, einer Schau für heute und morgen, schließt Alexander Dellantonio das Zentenarium der Surrealisten und die Galerie Carmen.
„One last escape into the Realm of Dreams“, Alexander Dellantonio, Galerie Karmen
Foto: SALTO
  • Wir wollen uns gleich zu Beginn entschuldigen, für die reißerische Einleitung im 170 Zeichenlimit. Natürlich hat der Collage-Künstler nichts mit der Schließung des kleinen Kunstraums zu tun. Die von außen unscheinbare, schmale Galerie in der Erbsengasse (Italienisch Vicolo delle Erbe, Anm. d. Red.) mit den groben, weiß getünchten Wänden und zwei Etagen ist bestens geeigneten, für die in Schwarz und Weiß gehaltenen, kleinformatigen Collagen, die Dellantonio für die letzte Eskapade in der Galerie Carmen mitbringt. Sie stammen aus einem Werkzyklus mit 100+ Einzelcollagen, die der Künstler nach dem Vorbild eines 350-teiligen Zyklus von Karel Teige, einer Schlüsselfigur im tschechischen Surrealismus, geschaffen hat. Alexander Dellantonios Inspirationsquelle ist dabei mal expliziter angelehnt an den tschechischen Meister der Kunstspezialisierung, mal frei assoziativ. In beiden Fällen ist dem Künstler die Materialbeschaffung auf Flohmärkten und darüber hinaus anzurechnen, die Bildelemente stammen aus alten Zeitschriften und Büchern, was prägend ist – nicht allein für Struktur und Oberfläche, sondern auch und gerade für das Frauenbild.
    Dem Ideal der Perfektion nahegelegenen weiblichem Körper zwischen stilvoller Aktfotografie und Schmuddel-Erotik, steht ein männliches Gegenüber nur dann zur Seite, wenn beide zu einem Akt der (symbolischen) Verschmelzung übergehen. So gesehen, bestimmt die Frau das Bild, auch wenn die fragmentierte und mutierende Form in einer Collage per se kaum selbstbestimmt sein könnte. Die Form und die gewählten Motive treffen jedenfalls bestens die traumhafte Beschaffenheit surrealistischer Werke, auch dort, wo keine oder nur selektiv Haut zu sehen ist.

  • Alexander Dellantonio: Der Künstler bei einer kurzen Einführung in seine Ausstellung, die er auf Deutsch und Italienisch zu erklären weiß. Foto: SALTO

    Neu ist für alle, die mit den 2021 im Kunstforum Unterland erstmals hierzulande ausgestellten Werken (damals vollzählig gezeigt) bereits vertraut sind, dass es Alexander Dellantonio nun gelungen ist, „Eineunglaubliche Geschichte“ („An unbelievable Story“) (fast) zu Papier zu bringen. Zur Vernissage wurde der am 25. Dezember fertiggestellte Text noch vom Smartphone gelesen. Für das gegen Viertel vor Zehn zahlreich anwesende Publikum erzählte Dellantonio die zuvor genannte Geschichte auf Englisch, jenerSprache, in der er in der „mood“ zu schreiben gewesen war. Die Geschichte, die mit dem ersten Bild der Reihe im Kopf des Künstlers zu fermentieren begann, erzählt er bereits seit Längerem vor Ort selbst den Besucherinnen und Besuchern. Jetzt soll sie auf zweierlei Weise eine bleibende Form erhalten: zum einen durch ein gestern Abend aufgenommenes Video, zum anderen durch eine Form der Niederschrift.
    Zur kurzen Geschichte nebst Bildreihe hat Dellantonio außerdem vor, beide gemeinsam und in dreisprachiger Buchform zu veröffentlichen, sodass wir als Autor dieses Texts – mit Erlaubnis des Künstlers – selbst in der „mood“ sind den mündlichen Vortrag aus dem Englischen ins Deutsche zu übertragen und Ihnen die Erklärung zum Bild zu Wochenbeginn nachliefern. Bis dahin können Sie Ihrer eigenen Imagination freien Lauf lassen, es seien dieser keine Grenzen gesetzt.

  • Eine unglaubliche Geschichte: Was glauben Sie? Foto: SALTO
  • In der Bozner Erbsengasse Nummer 6 finden Sie sich dagegen ab Montag vor den verschlossenen Türen einer Räumlichkeit, die Nachmieter sucht. Einen Hoffnungsschimmer gibt es an der Sache jedoch: Im ausgesprochen nahe gelegenen Schreibwaren-, Bastel- und Künstlerbedarfs-Laden, der zu den alteingesessenen Bozner Läden zählt und Ansprechpartner für potenzielle Nachmieter ist, würde man sich sicherlich erneut über kreative Nachbarn freuen. So bleibt die Hoffnung, dass die Ausstellungstätigkeit in den Räumen der Galerie Carmen unter neuem Namen weiter gehen könnte.

  • One last escape into the Realm of Dreams

    Die Ausstellung in der Galerie Carmen (Erbsengasse 6) kann noch heute, Samstag, von 19 bis 22 Uhr, sowie morgen, Sonntag, von 16 bis 19 Uhr besucht werden.