Arte | Premio Piero Siena

Bei Auswahl nicht eingeschränkt

Einen Sieger und eine Siegerin hat am Freitag-Abend der Premio Siena Preis bekanntgegeben. Es ging um 17.000 Euro und Aufnahme in die Sammlungen Madre und Museion.
Premio Piero Siena
Foto: Daniele Fiorentino
  • Man könnte, wie bei der ersten Vergabe des Preises an Nicolò Degiorgis, Silvia Hell und Claudia Corrent auch von einem Abend mit Begleitausstellung sprechen. 10.000 Euro gehen an den Sieger, dessen Werke für die Sammlung des Museo Madre in Neapel angekauft werden, 7.000 an die zweitgereihte Künstlerin, deren Werke in die Sammlung Museion aufgenommen werden. Freuen dürfen sich der 1991 in Buenos Aires geborene Santiago Torresagasti, sowie Nadia Tamanini, 1987 in Trient geboren. Entschieden haben das eine Vorjury (Frida Carazzato, Valentina Cramerotti und Paola Tognon), welche eine Shortlist mit neun Namen (Neben den Gewinnern: Stefano Bernardi, Silvia Capuzzo, Carla Cardinaletti, Damiano Colombi, Sara Di Nasso, Matteo Picelli, besser bekannt als Egeon, sowie Samira Mosca und Rolando Tessadri) und eine zweite, Final-Jury, (Eva Fabbris, Bart van der Heide und Paola Tognon).

    Um einige Worte vor der Bekanntgabe gebeten, ist der italienische Kulturassessor Marco Galateo bemüht, den Charakter des 2. Premio Siena Preises zu deuten: „Il premio Piero Siena chiaramente rappresenta un modello di fare cultura, cioè quello di portare, aver portato qui in Alto Adige dei nomi importanti, delle rappresentazioni veramente molto importanti dal resto d’Italia.“ Zur sechsmal explizit erwähnten „cultura italiana“ ließ Galateo noch durchblicken, dass, wenn bei den Abstimmungen alles gut gehe, diese Woche im Landtag, „konkret und praktisch in der Welt der italienischen Kultur“ eine große Neuerung zu erwarten sei, auf die sechs Monate hingearbeitet wurde. Näheres verriet der FdI-Politiker noch nicht.

    Frida Carazzato, die auch Teil der Vor-Jury war, ist es dabei ein Anliegen, auf die Auswahlkriterienhinzuweisen, bevor sie Valentina Cramerotti das Wort übergibt: „Wir haben uns bei der Auswahl der Künstler:innen nicht eingeschränkt, weder bei der Herkunft, der Ausbildung, noch bei den gewählten Ausdrucksweisen.“

    Die filigranen, mit Faden durchzogenen Werke von Nadia Tamanini würdigt die Jury wie folgt, (mit Übersetzung in Anschluss an den Originalwortlaut):

  • Premio Piero Siena: Links sitz Nadia Tamanini auf Platz 2, rechts Santiago Torresagasti auf Platz 1. Foto: Daniele Fiorentino

    „Nadia Tamanini è in grado di intrecciare temi complessi interrelati in un insieme coeso. Il suo lavoro riflette con forza le connessioni tra la vita, il linguaggio e il filo simbolico, invitando il pubblico a esplorare il nascosto e il conosciuto, il silenzioso e il parlato. La sua arte, a volte letteralmente, ricuce insieme i temi della poesia, del femminismo e della memoria in un mondo multidisciplinare fatto di assemblaggi, readymade, performance e corpo femminile. Come tale, Tamanini esplora questi temi complessi con profondità e sfumature, creando senza soluzione di continuità una narrazione armoniosa e sfaccettata che parla agli spettatori e alle spettatrici a più livelli. Una narrazione lineare non è lo standard esclusivo, al contrario, l'artista permette alla sua storia di dipanarsi in tutte le direzioni contemporaneamente. Ci congratuliamo con Nadia Tamanini per il suo approccio innovativo e la sua dedizione nell'esplorare e articolare queste profonde connessioni attraverso la sua arte. Non vediamo l'ora di assistere alla continua evoluzione del suo straordinario percorso artistico e di accogliere le sue opere nella collezione di Museion. La sua ricerca su linguaggio infatti si inserisce con consapevolezza all'interno di una tradizione e di un'eredità che costituiscono uno dei nuclei principali della collezione di Museion.“

     

    „Nadia Tamanini ist in der Lage, komplexe, miteinander verbundene Themen zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verweben. Ihr Werk reflektiert Verbindungen zwischen Leben, Sprache und symbolischen Fäden wider und lädt das Publikum ein, das Verborgene und Bekannte, das Schweigen und Gesprochene zu erkunden. Ihre Kunst verknüpft - manchmal buchstäblich - Themen wie Poesie, Feminismus und Erinnerung in einer multidisziplinären Welt von Assemblagen, Readymades, Performances und dem weiblichen Körper. So erforscht Tamanini diese komplexen Themen in ihrer Tiefe und ihren Nuancen und schafft eine harmonische und vielschichtige Erzählung, die den Betrachter und Zuschauer auf mehreren Ebenen anspricht. Eine lineare Erzählung ist dabei nicht der Standard; im Gegenteil, die Künstlerin erlaubt es ihrer Geschichte, sich in alle Richtungen gleichzeitig zu entfalten. Wir beglückwünschen Nadia Tamanini zu ihrem innovativen Ansatz und ihrer Hingabe, diese tiefen Zusammenhänge in ihrer Kunst zu erforschen und auszudrücken. Wir freuen uns darauf, die weitere Entwicklung ihres außergewöhnlichen künstlerischen Werdegangs zu verfolgen und ihre Werke in der Sammlung des Museion willkommen zu heißen. Ihre Erforschung der Sprache fügt sich in der Tat bewusst in eine Tradition und ein Erbe ein, die einen der Schwerpunkte der Sammlung des Museion bilden.“

  • Agadez: Santaigo Torresagastis Video arbeitet mit drei Videokanälen und metaphorischer Nähe zwischen den oft fremdartigen, oft unscharfen Bildebenen und erzählt von Migration. Foto: Daniele Fiorentino
  • Santiago Torresagastis Sieg beim 2. Premio Piero Sienna begründete man wie folgt:

     

    „L'opera di Santiago Torresagasti agisce con un linguaggio pensoso e originale su temi antropologicamente nodali come la memoria e la sua rappresentazione, tradotti nella sua pratica in visioni capaci di smarcarsi da limiti spaziali, temporali e fino anche ideali. In particolare, la sua opera ongoing, "Vermisst", incentrata su un impossibile racconto visivo delle scomparse di persone comuni, si propone l'assurdo quanto poetico scopo di mappare delle città del mondo attraverso la storia di chi si è sottratto o sottratta alla vita condivisa, attraverso una trasposta visualizzazione di chi in quei luoghi non c’è. Questo modo di evocare le individualità e le personalità, nonché di osservare i luoghi attraverso la lente dell'assenza, declina con profondità il tema della lontananza affettiva e percettiva dal punto di vista politicamente consapevole delle identità eterodiscendenti. Allo stesso tempo, le sue opere si slegano dal dato documentaristico per parlare con dolcezza e rigore delle più profonde esperienze umane.“ 

     

    „Das Werk von Santiago Torresagasti befasst sich in einer durchdachten und originellen Sprache mit anthropologisch wichtigen Themen wie der Erinnerung und ihrer Darstellung, die in seiner Praxis in Visionen umgesetzt werden, die räumliche, zeitliche und sogar ideelle Grenzen sprengen. Insbesondere sein sich weiterentwickelndes Werk „Vermisst“, das sich auf eine unmögliche visuelle Darstellung des Verschwindens gewöhnlicher Menschen konzentriert, verfolgt das absurde und zugleich poetische Ziel, durch die übertragene Visualisierung derer, die nicht da sind, Städte dieser Welt über die Geschichte jener zu kartieren, die geflohen sind oder sich dem Leben der Gemeinschaft entzogen haben. Diese Art und Weise, Individualitäten und Persönlichkeiten zu evozieren sowie Orte durch die Linse der Abwesenheit zu betrachten, dekliniert das Thema der affektiven und perzeptiven Distanz aus der politisch bewussten Perspektive andersstämmiger Identitäten tiefgreifend durch. Gleichzeitig lösen sich seine Arbeiten vom Dokumentarischen, um mit Sanftheit und Strenge über die tiefsten menschlichen Erfahrungen zu sprechen.“ 

     

    Die für den Ankauf gewählten Werke können noch bis 20. September zu den Öffnungszeiten des TreviLab angeschaut werden, bevor sie den Weg in ihr fixes Sammlungszuhause finden. Zu hoffen ist, dass den Werken dort noch etwas mehr Sorgfalt zukommt. Im Raum im oberen Stockwerk können das Dreikanal-Video „Agadez“ und ein Stil der Arbeit „Vermisst“ gesehen werden. Damit ist die Auswahl des Siegers recht klein.

    Dazwischen ein weiterer Bildschirm der in Schlaufe Künstlerinnen und Künstler auf der Shortlist präsentiert, als eine Art Fingerzeig.

    Größer ist die Auswahl kleinerer Werke von Nadia Tamaninis, mit „Scartamodello #0 – Ojalà un ojal“, „Tracciata“, „Mai mancante neve di metà maggio“, „Tienimi strett(’)", „Tieniti strett(’)“, „D’Ort / torneranno i prati (O)“ e „D’Ort (m-/d-/k- ein O)“. Es kann in ihre Arbeitsweise in spannender, wenn auch nicht erschöpfender Weise Einblick genommen werden. Vielsprachig, bunt und voller verbindender Elemente.

  • Tracciata: Das Schöne an Kultur ist, dass sich ganz eigenständig Verbindungen herstellen lassen. Foto: Daniele Fiorentino