Politica | Turin

Der Fehltritt

Der Kabinettschef der Turiner Bürgermeisterin Chiara Appendino musste wegen einer leichtfertigen Intervention zurücktreten.
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Foto: upi

Nach einer Umfrage des Gemeindenverbandes ist Chiara Appendino Italiens beliebteste Bürgermeisterin. Und nach den zahlreichen Problemen ihrer römischen Kollegin Virginia Raggi auch die erfolgreichste. Doch jetzt ist der 33-jährigen ein Missgeschick passiert: ihr Kabinettschef Paolo Giordana musste sein Amt nach einem Fehltritt abgeben. Giordana war für die Bürgermeisterin wesentlich mehr: er war ihr engster Vertrauter und der einzige profunde Kenner der Gemeindeverwaltung in ihrer Stadtregierung. Mit ihm zusammen hatte sie auch ein Buch geschrieben: "La città solidale - per un comunità urbana."

Giordana, der in Turin als moralische Instanz galt, hatte sich zu einem leichtfertigen Schritt bewegen lassen: in einem Anruf hatte er den Direktor des städtischen Verkehrsverbundes darum ersucht, ein Strafmandat über 25 Euro zu annulieren, das einem Freund wegen Schwarzfahrens ausgestellt worden war. Giordanas Pech: Der Anruf wurde von der Finanzwache abgehört, die gegen ihn Ermittlungen wegen angeblicher Manipulationen am Gemeindehaushalt eingeleitet hatte. Der Kabinettschef trat umgehend zurück, Appendino kommentierte die Affäre nur mit einem Satz: "Accetto le dimissioni. Sono dispiaciuta per la persona." Der harte Kern des M5S hatte den Kabinettschef nie akzeptiert und bejubelt jetzt den Rücktritt: "Ci siamo tolti una palla al piede." Nun protestieren die Hardliner gegen Appendinos Absicht, den leitenden Gemeindebeamten Giuseppe Ferrari zum neuen Kabinettschef zu machen. Die Bürgermeisterin hatte in ihren Stadtrat weitgehend Fachleute berufen. Jetzt fehlt ihr ein Pragmatiker und profunder Kenner der Stadtverwaltung wie Giordana.

Paolo Giordana war im Juni als Organisator der Direktübertragung zwischen Juventus und Real Madrid ins Scheinwerferlicht gerückt, die auf der Piazza San Carlo mit einer Massenpanik endete. Für die büßte die Umweltstadträtin Stefania Giannuzzi mit ihrem Rücktritt. Dieselbe, die Giordanas Abgang nun bejubelt: "Prima di tutto, champagne." Die duri e puri in der Bewegung haben sich mit Appendino trotz des Wahlerfolgs nie angefreundet, weil sie aus dem bürgerlichen Unternehmertum der Stadt stammt und auf keine alternative Vergangenheit zurückblicken kann.