Cultura | Salto Weekend

Banales und Bedeutsames

Tagebücher haben eine ganz eigene Faszination. Eine Ausstellung geht nun dem besonderen Charme nach, zeigt selten gesehenes und entschlüsselt so manches Geheimnis.
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Foto: Salto.bz

Im Walterhaus in Bozen knüpft die Ausstellungsreihe Buchkunst – Kunstbuch an jene an, welche 2019 in gleichem Rahmen gezeigt wurde. Erneut geht es in der von der Kunsthistorikern Eva Gratl zusammengestellten Schau um Bücher, im aktuellen und speziellen Fall um Tagebücher, um Erinnerung und das Anhalten von Zeit und Raum. Das einst handgeschriebene Festzuhalten von Zeit durch Sprache, spannt sich – insbesondere durch die sozialen Medien – bis in unsere Gegenwart: Menschen bloggen, kommentieren Posts oder archivieren Gedanken auf digitalen Festplatten. „Banales steht neben Bedeutsamem“ heißt es in der Ausstellung, „denn immer sind Tagebücher ganz persönliche Lebenssplitter und einzigartig, weil Menschen darin ihre Spur hinterlassen.“ 
 


Viele verschiedene Zugänge zur Thematik stehen im Raum. Beispielsweise das Tagebuch einer Schwimmanstalt des Dr. Carl von Mayrhauser aus den 1830/40er Jahren, „worin alle Merkwürdigkeiten, so sich daselbst während des Schwimm-Curses ereigneten, wahrheitsgetreu aufgezeichnet wurden“. Die Einblicke in die Berufs-, Lebens- und Freizeitorganisation einer Arztfamilie als Teil des ländlichen Bildungsbürgertums dokumentierte hingegen die Arztgattin Filomena Prinoth Moroder zwischen 1885 bis 1920. Daneben ein gemaltes Kriegstagebuch, das bei den Künstlerbrüdern Albert und Rudolf Stolz in Auftrag gegeben wurde. Dreißig Zeichnungen geben Eindrücke in den Alltag und die Wirklichkeit des Krieges.
 


Zu sehen sind auch die schrulligen Autotagebücher des Literaturvermittlers Alfred Gruber, der nie ohne Tagebuch das Haus (oder Auto) verließ. In über 170 Büchlein hat er das Kulturleben ab der Mitte der 1960er Jahre bis ins Jahr 1998 festgehalten. Immer wieder finden sich darin auch Eintragungen befreundeter Autoren und Autorinnen. Auch für den 2019 verstorbenen Weltenzeichner Markus Vallazza war das Schreiben und Zeichnen lebenswichtig. In der Ausstellung darf seine Position natürlich nicht fehlen.
 


Lost hours and Days nennt sich eine ausgestellte Arbeit des Künstlers Arnold Mario Dall'O. Sie zeigt ein Kaleidoskop des Alltags – mit „unendlich vielen Details, die zur Entschlüsselung auffordern“. Margareth Dorigatti präsentiert großformatige Ölbilder aus ihren Diari romani, römische Belege über einen Ort, in dem sie seit vielen Jahren lebt und arbeitet. Mit einem Tagebuch und einer Kamera begleitete Judith Neunhäuserer die Arbeit der Forschungsstation Neumayer III, Stefan Fabi ist mit seinen Halbjahresbüchern dabei. 
 


Hansi Linthaler und Benno Simma zeigen jeweils Reisetagebücher, bildgewaltige Geschichten aus fernen Ländern. „Außersprachliche mit sprachlichen Mitteln“ kombiniert Carmen Müller, um „das Vergängliche“ wie sie sagt „zu dokumentieren“. Das Tagebuch im Hier und Jetzt von Hannes Egger besteht aus täglich gescannten Zeichnungen, die der Künstler während der Dauer der Ausstellung frühmorgens an die Besucher*innen sendet. 
 


Eine Komposition von Gottfried Veit, die während Corona als Tagebuch entstand, lässt „eine etwas andere Fanfare“ ertönen. Die Besucher*innen können sich das Instrument dazu gut vorstellen, wenn sie das nebenan positionierte Kunstwerk einer "zielsicheren Trompete" von Carlo Speranza betrachten. In Buchkunst – Kunstbuch gibt es viel zu sehen, zu entdecken, nachzulesen und mitzuverfolgen, was Tagebücher so alles zutage fördern.