Società | Kommentar

Es lebe die Sensation!

Wird sich der Disziplinarrat der Journalistenkammer mit der erfundenen Vergewaltigung von „Alto Adige“ und „Dolomiten“ beschäftigten? Wohl kaum. Denn vor den großen Platzhirschen hat man Angst. Verurteilt werden nur die Kleinen.
Gewalt an Frauen
Foto: Pexels
  • Axel Bisignano ist kein Mann der großen Worte.
    Der leitende Bozner Staatsanwalt ist einer, der in Ausübung seines Amtes auf Zurückhaltung setzt und öffentlich kaum Erklärungen abgibt. Doch am Montag scheint es selbst Bisignano zu bunt geworden zu sein.
    Die Staatsanwaltschaft verschickte deshalb eine kurze und prägnante Presseaussendung:

    In Bezug auf die Presseartikel, die über den mutmaßlichen sexuellen Übergriff am Freitagabend des 25. Oktober erschienen sind, hält es die Staatsanwaltschaft unter Wahrung der Vertraulichkeit der Ermittlungen für notwendig, darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Tatsachen berichtet wurden, die nicht mit den bisher durchgeführten Ermittlungen übereinstimmen. Insbesondere entspricht es, beim derzeitigen Stand der Ermittlungen, nicht der Wahrheit, dass:

    1. es sich um eine Vergewaltigung im herkömmlichen Sinne handelt, sondern um einen tätlichen Angriff. Dem Beschuldigten wird vorgehalten, das Opfer befummelt zu haben, wobei eine solche Tat in jedem Fall eine Straftat darstellt
    2. das Opfer hinter einen Busch gezerrt wurde 
    3. die Gewalt mindestens 15 Minuten gedauert hat
    4. der Beschuldigte versucht hat, zu flüchten.

     

    Im Klartext: An den Schlagzeilen der vom „Alto Adige“ und den „Dolomiten“ groß gebrachten Vergewaltigung an einer 14-Jährigen im Bozner Stadtteil Casanova stimmt rein gar nichts.
    Dabei hat die traurige Sensationsmeldung italienweit für Entsetzen gesorgt und war sogar von Transportminister Matteo Salvini aufgegriffen worden. Dass die Bozner Stadtregierung sofort eine Stadtratssitzung in das Viertel Kaiserau verlegt hat, macht deutlich wie sich die Politik von einem mächtigen Medienhaus vor sich hertreiben lässt.

  • Foto: Seehauserfoto
  • „Dass die Bozner Stadtregierung sofort eine Stadtratssitzung in das Viertel Kaiserau verlegt hat, macht deutlich, wie sich die Politik von einem mächtigen Medienhaus vor sich hertreiben lässt.“

     

    Interessant aber wird eine Frage: was jetzt?
    Während sich RAI Südtirol, die die Nachricht am Montag übernommen hatte, bei den Hörern und Hörerinnen öffentlich entschuldigt, tun die Urheber der „Falschmeldung“ so, als sei nichts passiert.
     „Alto Adige“ und „Dolomiten“ berichten am Dienstag zwar von einer „Klarstellung der Staatsanwaltschaft“, doch so, als würde es sich nur um ein paar Details handeln.
    Vor allem aber verhält man sich jetzt so, als hätte man mit der Ursprungsmeldung nichts tun.
    Wir Journalisten und Journalistinnen sind verpflichtet, jährlich Fortbildungen zu besuchen. Darunter sind bestimmte Stunden im Bereich „Deontologie“ Pflicht. Deshalb müssten gewisse Kolleginnen und Kollegen inzwischen wenigstens das Wort kennen und wissen, was Berufsethik ist. 
    Dieser traurige Fall macht deutlich, wie manche sie anwenden.

     

    Es gibt aber Institutionen, die von Amts wegen genau darüber wachen müssen. Etwa die Journalistenkammer, wo es einen eigenen Disziplinarrat gibt, der Verstöße gegen die Berufsethik ahndet.
    Es ist ein rühriges Gremium. Das kann der Autor dieser Zeilen belegen. So hat die gesamte Redaktion des Alto Adige gegen mich vergangenen Jahres eine Eingabe wegen eines Kommentars („Servi del padrone“) gemacht. Ich wurde auch verurteilt: wegen unkollegialen Verhaltens.
    Bei Artikeln zur sexuellen Gewalt sind die Journalistenkammer und der Disziplinarrat besonders aufmerksam. Nicht nur meine Kollegen und Freunde Arnold Tribus und Artur Oberhofer können mehr als ein Lied davon singen.

  • Staatsanwalt Axel Bisignano: „Dem leitenden Staatsanwalt ist es zu verdanken, dass das Spiel diesmal nicht aufgegangen ist.“ Foto: Tageszeitung
  • Dass die Journalistenkammer dabei gerne gegen die Kleinen vorgeht und bei den Großen das Hosenflattern bekommt, wird immer als „üble Nachrede“ dargestellt. 
    An diesem Fall der „Vergewaltigung“ wird sich jetzt zeigen, was Sache ist. 
    Während sich die Präsidentin des Kommunikationsbeirates, Judith Gögele Schmid, auf RAI Südtirol offen und kritisch gegen diese Art der Berichterstattung ausspricht, hört man von der Journalistenkammer bisher kein Wort. 
    Kann ja noch kommen?
    Vielleicht. 

     

    „Wenn es einen Disziplinarrat braucht, dann wäre er genau in diesem Fall gefragt. Aber wetten, dass man auch diesmal alle beide Augen und auch die Nase zudrücken wird?"  

     

    Sicher ist: Wenn es einen Disziplinarrat braucht, dann wäre er genau in diesem Fall gefragt.
    Aber wetten, dass man auch diesmal alle beide Augen und auch die Nase zudrücken wird?
    Vor diesem Hintergrund kann man nur einem Mann danken: Axel Bisignano.
    Ihm ist es zu verdanken, dass das miese Spiel diesmal nicht aufgegangen ist.

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Hartmuth Staffler Mar, 10/29/2024 - 13:50

Die Athesia-Presse hat die Vergewaltigung nicht erfunden. So viel Fantasie haben nicht einmal die Athesia-Journalisten. Man sollte als Investigativ-Journalist lieber fragen, wer den Athesia-Medien diese Falschmeldung gesteckt hat, wobei die Antwort auf diese Frage eigentlich ganz einfach ist. Es ist zu billig, jetzt der Athesia die Schuld zu geben. Die verbricht genug anderen Unsinn.

Mar, 10/29/2024 - 13:50 Collegamento permanente
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Peter Gasser Mar, 10/29/2024 - 14:37

Zitat: "Dem Beschuldigten wird vorgehalten, das Opfer befummelt zu haben, wobei eine solche Tat in jedem Fall eine Straftat darstellt":

... und das wäre nun möglicherweise keine versuchte Vergewaltigung, fragt sich`s da an den Autor?

Mar, 10/29/2024 - 14:37 Collegamento permanente
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Hartmuth Staffler Mar, 10/29/2024 - 15:20

In risposta a di Christian I

Seltsam, dass die Journalisten verschiedener Medien, ganz unabhängig voneinander, genau die gleiche "Erfindung" gemacht haben. Und dass die Lobeshymne auf den Quästor, der dagegen natürlich mit aller bekannten Härte einschreiten wolle, auch bei allen Medien gleichlautend vorhanden war. Die Journalisten müssen nichts erfinden, sondern nur ungeprüft das übernehmen, was ihnen mitgeteilt wird, zu Lob, Ruhm und Ehre des Mitteilenden.

Mar, 10/29/2024 - 15:20 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Mer, 10/30/2024 - 06:37

In risposta a di Hartmuth Staffler

Die Methode, PM (die es offenbar gar nicht gegeben hat) bedingungslos zu übernehmen, selbst wenn sie von der Quästur gekommen wäre, ist eine Unart. Gerade Presseaussendungen, als einseitige und bisweilen "interessierte" Quelle, sind zu hinterfragen.
Auf der anderen Seite würde es mir höchst eigenartig scheinen, dass die Polizeibehörde in einer Aussendung von "Vergewaltigung" schreibt, wenn die Fakten anders liegen. Die Gerichtsbehörde schreitet ja aufgrund der Ermittlungen der Polizei ein. Wenn also die Gerichtsbehörde klarstellt, dass keine Vergewaltigung vorliegt, dann muss sie das aus den Ermittlungsakten entnommen haben, also genau jene, die von der Polizei angefertigt wurden.
Ergo, haben Redakteuere selbst die Geschichte so dargestellt, wie sie offenbar nicht war, denn das Opfer der Gewalttat, eine solche war es trotzdem zweifelsfrei, wird es nicht an die Presse weitergegeben haben..

Mer, 10/30/2024 - 06:37 Collegamento permanente
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Brigitte Foppa Mar, 10/29/2024 - 15:07

Tremenda la responsabilità di chi ha dato una notizia non vera sulla violenza a Casanova.
Ci abbiamo messo decenni per far riconoscere la violenza sessuale, dopo che ci dicevano sempre "ma dai che non è nulla!".
Adesso quando si parlerà di stupro si dirà di nuovo "ma dai che non è vero!".
Tremendo.

Mar, 10/29/2024 - 15:07 Collegamento permanente
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Renate Mumelter Mar, 10/29/2024 - 15:23

Ich bin Mitglied des von Christoph Franceschini offensichtlich verachteten Disziplinarrats, der ihn einmal gerügt hat.
Dieser "rührige" Disziplinarrat (Zitat) tut seine Arbeit. Die befasst sich mit Eingaben, die von Einzelnen, Einrichtungen oder von der Journalistenkammer kommen. Entscheidungen werden dann nicht aus dem Bauch (oder wegen der "Flatter") sondern aufgrund der gesetzlichen Vorgaben getroffen.
Persönliches bleibt außen vor, auch jetzt, wo ich mich indirekt als "Kuscherin" beleidigen lassen muss. Jo, wo seimer denn.

Mar, 10/29/2024 - 15:23 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Mer, 10/30/2024 - 07:03

In risposta a di Renate Mumelter

Ich habe keine Einsicht, wie akribisch der Disziplinarrat der Journalistenkammer der Region arbeitet, aber außerhalb der Region sind die Journalistenkammern schon im Dauer-Wachkoma. Da gibt es Redakteuere, die seit Jahren knallhart Lügen verbreiten, ohne dass sie daran gehindert werden, selbst nach einer Reihe Eingaben nicht.

Mer, 10/30/2024 - 07:03 Collegamento permanente
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Stereo Typ Mar, 10/29/2024 - 15:46

Der Journalismus hat ganz allgemein an Glaubwürdigkeit eingebüßt, und auch diese Geschichte wird dazu beitragen. Die gründliche Recherche wäre doch das Herzstück dieses Berufes, vor allem bei Themen dieser Tragweite. Unverständlich, dass Meldungen einfach übernommen werden.

Mar, 10/29/2024 - 15:46 Collegamento permanente
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Salto User
Milo Tschurtsch Mar, 10/29/2024 - 17:48

Ja geht‘s noch!
Da wird eine 14jährige !! hinter einen Busch gezerrt und „mindestens“ eine Viertelstunde lang „befummelt“( was immer man darunter versteht. )
Der Skandal ist aber nicht dieser offensichtlich bestätigte Tatbestand sondern dass es sich nicht um eine „herkömmliche Vergewaltigung“ sondern „bloß“!! um eine Befummelung handelte.
Ja hallo einer Vierehnjährigen wurde Gewalt angetan so oder anders, die Ängste des Mädchens muss man sich mal vorstellen.
Davon nichts im „Skandalbericht“. Dass es also keine vollendete Vergewaltigung war, sondern bloß ein Befummeln, ist anscheinend egal , der Skandal ist nicht der Fall an sich, sondern die Berichterstattung darüber.
Jedenfalls ein Fall für die Frau Clignon, wir werden hören.

Mar, 10/29/2024 - 17:48 Collegamento permanente
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Hartmuth Staffler Mar, 10/29/2024 - 18:12

In risposta a di Arne Saknussemm

Seltsamer Weise will hier niemand verstehen, dass in diesem Fall die Athesia-Medien unschuldig sind. Die Meldung wurde gleichlautend von ganz verschiedenen Medien veröffentlicht. Es muss sich also um eine offizielle (oder halboffizielle) Mitteilung gehandelt haben. Ich kann ja mit dem Kollegen Franceschini mitfühlen, wenn er keine große Sympathie für die Athesia Medien empfindet, aber er sollte nicht so weit gehen, selbst Fake-News zu verbreiten, nur um der Athesia solche vorzuwerfen. Alle mir bekannten Südtiroler Medien haben die gleiche, falsche, Pressemittelung veröffentlicht. Zu tadeln sind daher nicht die Medien, sondern die Stelle, die diese Falschmeldung herausgegeben hat. Franceschini kennt die Abläufe und weiß daher, wer es war. Einen solchen unguten Vorfall sollte man nicht ausnützen, um persönliche Animositäten zu befriedigen. Es gibt genug Anlässe, um begründete Kritik an den Athesia-Medien oder an gewissen Personen, die dort unwidersprochen das große Wort führen dürfen, zu üben.

Mar, 10/29/2024 - 18:12 Collegamento permanente
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Christoph Fran… Mar, 10/29/2024 - 21:31

In risposta a di Hartmuth Staffler

Lieber Kollege Staffler, nicht um Recht zu haben, sondern der Fakten zuliebe: Der Alto Adige gehört bekanntlich zur Athesia-Gruppe und hat am Sonntagmorgen groß getitelt: "Aggredita e violentata a 14 anni". Es war die erste Meldung und sie war exklusiv. Einen Tag später - am Montag - haben die Dolomiten (es wäre Zeit zum Nachfragen gewesen?) dann auf ihrer Titelseite marktschreierisch verkündet: "Bozen unter Schock: 14-jährige bei Bushaltestelle vergewaltigt". Andere Medien sind nachgezogen, das stimmt. Sie haben sich aber - wie es sich gehört - für den Fehler auch entschuldigt. Siehe RAI Südtirol. Während die Athesia-Blätter heute so tun, als sei nichts passiert und die Klarstellung der Staatsanwaltschaft ginge sie nichts an. Was ihre Theorie betrifft: Es hat keine offizielle Aussendung der Quästur oder anderer Polizeiorgane gegeben. Wer immer das durchgestochen hat: Ist es nicht die Aufgabe eines Journalisten/einer Journalistin, die Angaben seiner Quelle zu überprüfen? Auch wenn sie aus der Quästur kommt. Aber wahrscheinlich bin ich zu altmodisch.

Mar, 10/29/2024 - 21:31 Collegamento permanente
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Elisabeth Garber Mer, 10/30/2024 - 09:27

In risposta a di Günther Alois …

Jedem Menschen mit Hausverstand war von Anfang an klar (noch vor Richtigstellung der Sensationsmeldung), dass auf einer Bushaltestelle (!) keine Vergewaltigung sondern eine sexuelle Belästigung stattgefunden haben muss. Die Falschmeldung zeugt vor allem von der Quotengier der Medien, deren notwendige Entschuldigungen dann eher peinlich als überzeugend waren.

Mer, 10/30/2024 - 09:27 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Mer, 10/30/2024 - 11:20

In risposta a di Elisabeth Garber

Na ja, es wurde ja davon geschrieben, dass der Täter das Mädchen in die Büsche gezerrt haben soll, also davon, dass die Tat an der Bushaltestelle begangen worden sein soll stand nie etwas. Das Problem ist vielmehr, dass der ganze Fall falsch dargestellt wurde, was die Frage aufwirft, ob derjenige, der die Meldung an die Presse weitergegeben hat Blödsinn erzählt hat, oder die Presse es eigenmächtig so dargestellt hat, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Mer, 10/30/2024 - 11:20 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Mer, 10/30/2024 - 06:52

In risposta a di Hartmuth Staffler

Herr Staffler, Tatsache ist, irgendeiner war der erste, der diese Meldung kritiklos übernommen hat und in der Folge haben sich alle Medien sensationslüstern drangehängt. Ob es nun die ANSA als Agentur oder der Alto Adige und in der Folge die Dolomiten waren, ist eigentlich unerheblich. Bei korrekter Auffassung der journalistischen Arbeit hätte es gar nicht dazu kommen dürfen und bei korrekter Auffassung der journalistischen Arbeit hätte es zumindest eine detaillierte Richtigstellung gegeben.

Mer, 10/30/2024 - 06:52 Collegamento permanente
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Hartmuth Staffler Mer, 10/30/2024 - 08:05

Kollege Franceschini weiß ganz genau, wie die Abläufe in der "Schwarzen Chronik sind. Staatsanwalt Bisignano hat es im Fernsehinterview auch durchklingen lassen, dass die Quelle der Falschmeldung wohl eine vertrauliche Mitteilung aus Kreisen der Quästur war. Natürlich sollte man nachfragen, aber was bringt das, wenn man bei der Nachfrage genau an dieser Quelle landet. Voll einverstanden bin ich mit der Forderung, die Richtigstellung zu einer derart für Panik sorgenden Falschmeldung zumindest in gleicher Form zu bringen wie die ursprüngliche Falschmeldung. Damit rennt man bei fast allen Medien gegen Gummiwände.

Mer, 10/30/2024 - 08:05 Collegamento permanente