Die Regierungskrise ist eröffnet. Der Staatspräsident hat dem Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer Roberto Fico einen Sondierungsauftrag erteilt. Er soll die Möglichkeit einer Neuauflage der bisherigen Koalition zwischen Fünf-Sterne-Bewegung, Partito Democratico und Italia Viva prüfen. Dafür ist der Grillino der ersten Stunde der geeignete Mann. Als Vermittler und Friedensstifter dürfte er freilich vor allem in den eigenen Reihen auf Granit stossen. Alessandro Di Battista hat bereits unmissverständlich klargestellt: "Mai con Renzi." Auch Nicola Morra und Barbara Lezzi legen sich quer. Seltsam das Schweigen des M5S-Gründers Beppe Grillo. Einer, der keinen Hehl aus seiner Enttäuschung machte, ist Giuseppe Conte. Er hatte bis zuletzt gehofft, den Auftrag zur Regierungsbildung zu erhalten.
In die politischen Fronten kommt jedenfalls Bewegung. Sicher kann es nicht als Zufall gewertet werden, dass die Ex-Präsidentin des Verfassungsgerichts, Marta Cartabia, heute auf der Titelseite der Tageszeitung La Stampa die Schwerpunkte einer zukünftigen Regierung skizziert -die sozialen Aspekte, die drohende Armut und Vernachlässigung: "Ci vuole una risposta a quattro mani, un'attenzione privilegiata alle nuove generazione. Il volto del domani, nostro e dei nostri figli dipenderà in larga misura da coime avremo accompagnati i giovani d'oggi." Der Hintergrund: Cartabia selbst gilt als Kandidatin das höchste Regierungsamt – zusammen mit Mario Draghi und Carlo Cottarelli. Unklar bleibt, ob Giuseppe Conte ein weiteres Mal dazu bereit ist, eine Regierung mit Matteo Renzi als Minister oder Einflüsterer zu führen – beide verabscheuen sich gegenseitig. Eine weitere Möglichkeit, die auch von Lega-Chef Salvini in den Raum gestellt wird, wäre ein governo istituzionale unter der Führung einer angesehenen Persönlichkeit – auch hier fällt immer wieder der Name Draghi. Dass der langjährige Präsident der Europäischen Zentralbank, der in seinem Haus in Umbrien den Ruhestand geniesst, dazu bereit wäre, gilt jedoch als extem unwahrscheinlich. Keine Zweifel an seinen Absichten lässt Renzi. Er fordert für seine Partei gleich drei wichtige Ressorts: Justiz, Unterricht und die Zuständigkeit für den milliardenschweren recovery plan. Als Mann der ruhigen Töne wird Fico zugetraut, die Scherben im Mittelinks-Lager wieder zusammenzukehren. PD-Chef Zingaretti besteht auf einem "programma vincolante e strategico. Indichiamo Conte, basta con gli interessi personali." Renzis Antwort steht noch aus.