Cultura | Neu erschienen

Ackergifte? Nein danke!

"Für eine enkeltaugliche Landwirtschaft" nennt Autorin und taz-Mitgründerin Ute Scheub ihr neues Buch im Untertitel, das am 1. April in Mals vorgestellt wird.

Die Journalistin und Autorin Ute Scheub stellt am 1. April in Mals, im Bio-Hotel Panorama, 20 Uhr, ihr neues Buch vor. „Ackergifte? Nein danke!“ erzählt anhand vieler Beispiele, wer von schädlichen Pestiziden betroffen ist. Das Buch der Berliner Mitgründerin der TAZ, die seit Jahrzehnten journalistisch rund um die Themen Ökologie, Frieden und Frauen unterwegs ist, kann als guter Einstieg in die Pestizid-Thematik gesehen werden. Wer sind die wichtigsten Protagonisten der Pestizid-Lobby? Welche Lügen tischen die Konzerne immer wieder auf? Und vor allem: Worin liegen mögliche Lösungen für eine enkeltaugliche Landwirtschaft? Im Buch belegen zahlreiche Beispiele, dass die Problematik von Abdrift, Verschmutzung von Grundwasser und Gefährdung von Mensch und Tier ein weitverbreitetes ist und dass Politik und Industrie vielerorts zu öffentlichkeitswirksamen Mitteln einer Gegenwehr greifen: Oft werden diejenigen, die auf Probleme aufmerksam machen, als Verursacher des Problems dargestellt. Im Buch wird auch auf das Anti-Pestizid-Referendum in Mals eingegangen.

Wir bringen hier ein Interview mit der Autorin Ute Scheub:

Ute Scheub, Jahrgang 1955, ist Journalistin, Politologin und Autorin. Sie ist Mitbegründerin der Tageszeitung taz, für die sie viele Jahre als Redakteurin tätig war. Seit 1997 wirkt Ute Scheub als freie Publizistin. Sie verfasste zahlreiche Sachbücher zu den Themen Frieden, Frauen und Ökologie. Foto: privat

Frau Scheub, was an der gegenwärtigen Landwirtschaft ist nicht enkeltauglich?

Landwirtschaft im ursprünglichen Sinn ist extrem enkeltauglich und funktioniert seit über 10 000 Jahren. Die Agrarindustrie hingegen gibt es erst seit der Erfindung von schweren ölgetriebenen Maschinen, Kunstdünger, Ackergiften und Gentechnik. Das alles zieht unserem Planeten die Haut ab – die gerade mal fünf bis fünfzig Zentimeter messende hauchdünne Humusschicht, von der die Kaskade allen irdischen Lebens abhängt.

Welche Gefahren gehen von Ackergiften aus?

Viele und vielfältige. Pestizide und Herbizide zerstören das feine Netz der Natur, das uns trägt. Sie wandern vom Boden in Pflanzen, Nahrungskreisläufe und ins Grundwasser. Sie stören den Orientierungssinn von Bienen, können zu Krebsepidemien und chronischem Botulismus führen, die erst nach Jahrzehnten sichtbar werden.

Warum ist das nicht bekannter?

Weil sich diese Wechselwirkung so gut wie nie direkt nachweisen lässt. Das machen sich die Agrokonzerne skrupellos zunutze.

Ein Teufelskreis?

Ackergifte funktionieren ähnlich wie Rüstungsspiralen. Je mehr Waffen man gegen die Natur einsetzt, desto mehr wehrt sie sich. Alles, was wir bekämpfen, wächst im Endeffekt. Alles, was wir unterdrücken, vermehrt sich letztlich. Das ist eine fatale Wechselwirkung: Beikräuter und Insekten werden resistent, und Superunkräuter bilden sich heraus.

Wie begegnen Sie dem Argumten, die Agrarindustrie sei zur Ernährung der Weltbevölkerung notwendig?

Dieser Unsinn ist leider weit verbreitet. Das Gegenteil ist der Fall: Die größte Langzeitstudie, in der über dreißig Jahre hinweg die Auswirkungen von biologischer und konventioneller Landwirtschaft verglichen wurden, stammt vom amerikanischen »Rodale Institute«. Das Ergebnis der 1981 begonnenen Untersuchung ist eindeutig: Bioanbau übertrifft konventionellen. Ökolandbau verbraucht 45 Prozent weniger Energie, ist um 28 Prozent effizienter, erhöht langfristig die Bodenfruchtbarkeit und trägt bei geringerer Erosion stärker zur Erneuerung des Grundwassers bei.

Ist das auch wirtschaftlich rentabel?

Ja! Ökolandanbau ist sogar fast dreimal so profitabel wie der konventionelle. Grund: Verbraucher sind bereit, für eche Bio- Lebensmittel mehr zu bezahlen, gleichzeitig sind die Betriebskosten niedriger, weil der Kauf von Kunstdünger und Pestiziden entfällt. Am meisten bringt Bio-Weizen ein, am wenigsten transgene Pflanzen. Ökolandbau ist insgesamt profitabler, stärkt ländliche Gemeinden und schafft rund 30 Prozent mehr Arbeitsplätze.

Welche praktischen Alternativen Pestiziden und Agrarindustrie gibt es?

A: Es gibt viele lebensfördernde Alternativen: beispielsweise die symbiotische Landwirtschaft nach Karl Ludwig Schweisfurth, die Permakultur nach David Holmgren und Bill Mollison oder Humusaufbau auf ausgelaugten Böden durch Terra Preta. Auch im eigenen Garten gibt es einen bunten Strauß an Lösungen: Gegen Wühlmäuse helfen Holunderzweige, die man in deren Löcher steckt. Gegen Nacktschnecken helfen Laufenten, die – wohl als einzige Lebewesen weit und breit – diese Biester zum Fressen gern haben. Zu viele Käfer einer Sorte picken die Hühner weg oder auch die Spatzen und andere Wildvögel.

Was kann jede und jeder tun?

A: Erstens möglichst nur noch Biokost essen! Zweitens im eigenen Umfeld Aufklärungsarbeit leisten. Drittens an politischen Protestaktionen wie der »Wir haben es satt!«-Demo oder der Kampagne »Ackergifte? Nein danke!« teilnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Das Gespräch führte Matthias Fersterer vom Verlag thinkOya.)

Ackergifte? Nein, danke! Für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, Ute Scheub, Verlag thinkOya, 128 Seiten brochiert, ISBN: 978-3-927369-87-0