Economia | Mensch versus Maschine

Komplizierte Anlagen

Mensch gegen Maschine, so titelt der aktuelle Spiegel in seinem Wirtschaftsteil. Diesen Titel könnte auch mein Beitrag haben, den ich bereits vor 35 Jahren geschrieben habe. Nun versuche auch ich mal etwas aus meiner Schublade auf salto.bz zu posten. Untenstehenden Text habe ich also – wie schon erwähnt - vor 35 Jahren geschrieben. Damals habe ich als Laborgehilfe gearbeitet. Ich hatte gerade die Abendmatura abgeschlossen, bei der ich beinahe wegen Latein gescheiter wäre – ein Fach, für das ich teilweise mehr lernen und üben musste, als für alle restlichen Fächer zusammen. Zum Glück hatte ich einen ausgezeichneten Deutschaufsatz geschrieben. Aus meiner Latein-Schwäche erklärt sich auch, dass ich den Begriff „Devota“ ganz konträr verstanden und verwendet habe.
Dieser amateurhafte literarische Versuch, war ursprünglich für die gesamttirolerische Kulturzeitschrift „Föhn“ – Heft „Arbeit“ – gedacht. Leider haben wir – ich musste meinen handschriftlichen Text erst tippen lassen – den Redaktionsschluss verpasst. Nun ist dieser Text als einziger von mir damals verfassten, unveröffentlicht geblieben.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Als ich lernte, den Analyseautomaten zu bedienen, war ich sehr aufgeregt und angespannt, obwohl es dafür ja keine besondere Begabung braucht. Ja, diese Maschinen mit ihren Automatiken und gespeicherten Programmen, machen mir einen Heiden-Respekt. Ich habe Angst vor der Sturheit ihres Ganges, den sie auch ihren Bedienern aufzwingen – ganz ohne Pardon.
Sind sie nicht richtig eingestellt oder programmiert, richten sie mehr Unheil an, als sie bei gutem Funktionieren leisten. Wenn sie einmal nicht mehr gehen wollen, kann ihnen niemand etwas anhaben, denn die Schuld hat sicher der Mensch, der Diener: der sie programmiert; der wenn sie es will, den richtigen Knopf drückt; der, wenn sie Klingel- und Lichtallarm gibt, für sie springt, für sie die Herzschläge erhöht und für sie auch seine Bedürfnisse vergessen muss.
In unserer Abteilung, hat man sich nun mal für Modernisierung, für Automatisierung entschieden. Die Maschinen sollen die Fehlerquelle Mensch ausgleichen. Maschinen werden nicht krank, brauchen keinen Urlaub und werden vor allem nicht schwanger. So jedenfalls glauben es einige „Köpfe“ in unserem Betrieb.
Aus meiner Erfahrung – die jedoch eine andere ist – möchte ich erzählen, was sich „Devota“, die von mir so getaufte, letztangekommene, von Technik und Elektronik strotzende, vierteilige Anlage, alles leistet. Sie funktioniert kaum richtig: Entweder vergisst sie das Programm oder bringt einfach die Daten durcheinander oder bleibt während des Lesens stehen. Im Ausfindig machen der Ursachen wird unser Abteilungsleiter ungewohnt feinfühlig und fantasievoll. Er meint, sie wäre eine komplizierte und sensible Anlage und man müsste mit Gefühl an ihr hantieren. Vielleicht könnten auch andere elektronische Impulse, wie das Anschalten von Licht oder anderen Geräten, sich negativ auf sie auswirken. Oder die Raumtemperatur könnte nicht die Richtige sein. So entscheidet man Devota zuliebe, diese möglichen Einflüsse zu vermeiden. Aber all diese Feinfühligkeit bringt keine entscheidenden Verbesserungen: Devota vergisst weiter ihr Programm und bleibt mitten beim Lesen stehen.
Unser Abteilungsleiter verbringt Stunden bei ihr mit Schraubenzieher und Gebrauchsanweisung in der Hand. Fast wöchentlich kommt der Techniker aus Mailand. Immer geht sie dann wieder für kurze Zeit – bis sie ihre Laune kriegt und einfach nicht mehr will. Die Arbeit, die sie leisten sollte, wartet nicht. Diese trotzdem nach herkömmlichen Methoden zu bewältigen, bleibt meine Aufgabe. Ich tue mein Möglichstes. Um in der Zeit zu bleiben, mache ich mir selbst Programme – ohne sie zu vergessen – und verändere sie fast täglich, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Plane meinen Arbeitsablauf noch rationeller und nütze die Zeit ganz kleinlich aus. Ich bin sogar stolz, trotz des Ausfalls von Devota termingerecht die Untersuchungsergebnisse zu liefern. Ich fühle mich in meiner eigenen Überforderung fast wohl – bis es auch bei mir „glagg“ macht … denn: Es ist selbstverständlich, dass ich das alles leiste. Niemand kümmert sich darum, ob ich der täglichen Mehrarbeit noch gerecht werden kann. Am halbtäglichen Betriebsausflug unseres Unternehmens sollte unsere Abteilung nicht teilnehmen, denn bei so viel Arbeit können wir uns solche Kapricen – offiziell zu faulenzen – nicht leisten.
Ich bleibe. Die Spannung steigt; zugleich auch die Temperatur – das ist für komplizierte Anlagen äußerst schädlich. Mein Kopf glüht – ohne aber die Schweißperlen zu verdunsten. In mir beginnt es zu kochen: faulenzen?!? „Bin ih a Lopp?“. Dann brennt etwas durch, ohne vorheriges Signal – im Kopf aber klar spürbar.
Der kalte Abendwind vermag meine komplizierte Anlage nicht zu kühlen. Ich hetze gegen seinen Widerstand über die gefrorenen Talferwiesen, getrieben von einer absurden Eifersucht auf Devota, der alles verziehen wird, für die alles getan wird, für die es ein Qualitätsbeweis ist, sensibel zu sein. Wo bleibe in dieser Logik ich: Arbeiter, Diener, Fehlerquelle Mensch? Ersetzbar, krank, schwanger! Der ich Recht auf Freizeit und Erholung verlange?
Am nächste Morgen zeigen sich die Folgen: über Nacht, die fast schlaflos war, habe ich das Programm vergessen. Anstatt zur Arbeit gehe ich zum Arzt. Diagnose: Esaurimento nervoso (nervliche Erschöpfung). Verschreibung: Mindestens sieben Tage abkühlen und allen störenden Einflüssen fern bleiben! Also so, wie bei Devota?! Ob es dem Boss einleuchten wird? „Ich bin mit den Nerven nicht gerade am Besten“ – das mit dem Durchbrennen könnte nicht verständlich sein – „brauche ein paar Tage um mich zu erholen.“ „Was seid denn ihr Jungen für Leute? – so ein „Gschtell“ zu machen. Mit solchen Männern wäre Hitler nicht bis zum Ural gekommen.“

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Sebastian Felderer Mar, 04/30/2013 - 18:34

Weil dieser "gereifte" Beitrag so typisch ist und zum morgigen Tag der Arbeit passt, wie Faust auf das Auge, will ich dir, Sepp, nicht einen Kommentar, sondern ebenfalls einen Beitrag widmen.
Der handelt von großen Maschinen, die Grünland zerwühlen und Asphaltflächen schaffen. Und die funktionieren sehr wohl. Leider. Und weil dies vor meiner Haustür geschah und ganze 3.000 qm umfasste, war ich wütend und habe dieses Gedicht verfasst:

GROSSE MASCHINEN

Große Maschinen.....
sie kosten viel Geld,
aber verändern die Welt.

Eine Grube tief wie das Meer,
in wenigen Tagen
ohne lange zu zagen.

Klötze aus Beton, Wüsten aus Asphalt,
das schaffen sie bald,
schaffen sogar den Regenwald.

Straßen und Brücken,
Türme in den Himmel, Garagen in die Hölle
sind kein Problem.

Verrückte Ideen, auf Kosten der Bürger,
zu Lasten der Natur,
doch wen kümmert das nur.

Profitgier und Zerstörungswut,
Größenwahn und Übermut
taten immer schon nicht gut.

Draußen Maschinen, die Leben zerstören,
drinnen solche, die wieder beleben,
man schafft den Ausgleich eben.

Super Ingenieure, famose Architekten,
scheinheilige Politiker , die lenken,
große Köpfe, die denken .....

ich tröste mich nur,
zum Glück sind Pferde wieder im Trend,
die haben bekanntlich die größeren Köpfe.

1995 Sebastian

Mar, 04/30/2013 - 18:34 Collegamento permanente

Danke Sebastian! Mir war gar nicht bewusst, dass morgen Tag der Arbeit ist - hat mich meine Intuition wiedermal überrascht!
Und auf salto.bz gibt es gar kein Resort bzw. Rubrik zum Thema Arbeit oder Arbeitswelt.
Ja der Terror der Maschinen und derer die sie programmieren, steuern oder auffahren lassen, macht einem oft macht- und hilflos - und wütig.

Mar, 04/30/2013 - 20:22 Collegamento permanente