Società | Marsch von Rechts

Chemnitz geht uns alle an

und somit auch der Widerstand
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Foto: tagesspiegel.de

Die Bilder sind verstörend. Tausende Rechte und Mitläufer*innen ziehen am Montagabend durch die Innenstadt von Chemnitz. NPD, III.Weg, Pegida, Die Rechte, AfD, Neonazis aus dem Umfeld der Gruppe Freital, rechte Hooligans u.v.m. marschieren Hand in Hand. Die braune Masse skandiert faschistische Parolen, zeigt den Hitlergruß, macht Hetzjagd auf Menschen, die in ihren Augen nicht „deutsch“ aussehen.

Das Märchen des besorgten Bürgers ist somit endgültig zerbrochen. Die Fabel des „kleinen Mannes“ der sich bloß um seine Familie sorgt greift nicht mehr. Die ideologische Botschaft dieser Menschen, verlässt jeglichen Hafen der Menschlichkeit und macht keinen Halt vor Hass, Hetze und Gewalt. Eine Jagdstimmung macht sich breit.

Der Mann, dem bei diesem angeblichen „Trauermarsch“ gedacht wird, ist selbst migrantisiert, Antifa Sympathisant und Befürworter der Linken. Die Gedenkveranstaltung wird zur reinen Farce: ein heuchlerisches Mitgefühl vorgeschoben um den Hassparolen Ausdruck zu verleihen, die schon so lange im Hals stecken. Das Opfer ist den Teilnehmenden sichtlich egal.

Das was sich in Chemnitz zeigt, hat Pogrom Charakter. Der rechte Mob bewegt sich durch die Straßen, Videos zeigen, wie immer wieder Menschen bedroht, verfolgt, verjagt werden. Journalist*innen werden angebrüllt, beschimpft und angegriffen. Die Polizei, eindeutig - und wohl bewusst - in der Unterzahl, lässt erst Mal Vieles geschehen – einige der sächsischen Polizist*innen wären ohne Uniform wohl auch gern in dieser Menge.

Der Nachgeschmack dieser Tage ist bitter. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass Faschisten in Europa ein leichtes Spiel haben. Die bundesweite Neonaziszene hat sich unangemeldet ihren Marsch „freigeboxt“, so ein Zeit-Reporter. Knapp 600 Polizist*innen versuchten die 6000 Rechten „unter Kontrolle zu halten“. Die Polizei Niedersachsen bot Unterstützung an, nachdem sie von weiteren Anreisen nach einem abgesagten Rechtsrock-Festival gewarnt hatten. Doch Sachsen lehnte das Angebot wegen „mangelnden Bedarfs“ ab. Der Großteil der Demo blieb unbegleitet, immer wieder brachen Nazis aus der Menge aus, streiften in Kleingruppen durch die Stadt und machten Jagd auf People of Color und Linke.
Im Vergleich dazu wurde am Mittwoch eine spontane Solidaritätsdemo in Stuttgart gegen rechte Hetze von der Polizei gewaltsam mit Schlagstöcken und Pfefferspray gestoppt.

Die rechte Mobilisierung geht weiter und so drängt auch die Notwenigkeit antifaschistischen Widerstands. Das was sich in Chemnitz diese Tag zeigt, ist nicht ein Sächsisches, kein rein Ost-Deutsches, sondern ein europäisches Problem. Der Vormarsch der Rechten wurde über Jahre von der politischen „Mitte“ toleriert, von Mainstream Medien gefördert und am Stammtisch bejubelt. Eine große Menge hat geschwiegen oder heimlich zustimmend genickt. Das Ergebnis sind neofaschistische und rechtsextreme Kräfte in den Parlamenten- in Italien (und nicht nur) sogar in der Regierung- ein an die Oberfläche tretender Rassismus, der in den letzten Monaten zu mehrfachen Morden an Schwarzen Menschen geführt hat, ein antifeministischer Backlash, Missmut und Aggression zwischen den Menschen. Die Stimmung wird immer weiter aufgeheizt und es fängt schon an zu lodern.

Ich möchte eines Tages zurückblicken und der zukünftigen Generation sagen können, dass ich alles versucht habe, um mich diesem Hass zu widersetzen. Dieser Widerstand fängt im Kleinen an: in Alltagsgesprächen, in solidarischen Gesten und darf vor vereintem, organisiertem Widerstand nicht Halt machen. Wir müssen uns mit aller Kraft dieser Hetze entgegenstellen, im Dorf, in der Provinz, überall. Ansonsten werden wir kopfschüttelnd eines Tages zurückblicken und uns fragen, wieso wir nichts unternommen haben.

Wer jetzt schweigt, macht mit.

"Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird.
Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. …“ - Erich Kästner