Bauer = Selbstversorgung? Illusion oder Zukunftsperspektive

Am kommenden Wochenende vom 11.-12. Oktober organisiert das Land auf Schloss Maretsch in Bozen eine zweitägige Konferenz, „Nahrung für die Welt“, zu den Tagen der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei gibt es jede Menge Vorträge, Workshops und eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion am Freitag Abend. Nachdem wir uns hier in unserem kleinen Land nicht vom Rest der Welt abkoppeln können und sollten, habe ich mal nachgefragt was da so passiert und was der Hintergrund der Konferenz ist. Und bin unerwarteterweise doch auf einen sehr konkreten Zusammenhang zwischen der Entwicklungsarbeit und unserer Vision einer Grünen Wirtschaft gestoßen.Nachgefragt habe ich dabei bei Judith Hafner, Mitarbeiterin in der „Auslandsarbeit“ der Caritas Diözese Bozen-Brixen, die die Konferenz mitorganisiert.
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links Judith Hafner

Klaus Egger: Judith, die Tagung läuft unter dem Titel: „Nahrung für die Welt“. Was erwartest du dir von diesen zwei Tagen?
Judith Hafner: Ich erwarte oder besser erhoffe mir, dass wir uns in diesen zwei Tagen das Thema Nahrung und das Thema Entwicklung näher ansehen, mit konkreten Beispielen aus dem Süden der Welt und aus unserem eigenen Land. Ich hoffe wir stellen uns zwei Fragen: „Was bedeutet Entwicklung im Bereich der Ernährung?“ und „Was macht Sinn in der kleinen Landwirtschaft?“ Wir haben versucht, beide Perspektiven einzubringen: die aus dem Süden und die aus Südtirol.

Es werden neben Referenten aus dem Süden der Welt und Persönlichkeiten der Politik wie z.B. Franz Fischler, auch Referenten aus der Südtiroler Landwirtschaft kommen wie der Biobauer Alexander Agethle oder Konrad Meßner von der Vinschger Kornkammer. Warum diese zweifache Schiene aus Südländern und Südtirol?
Weil die Themen dieselben sind! Wir bewegen uns immer im Spannungsfeld zwischen nachhaltiger Grundversorgung und Nahrung als Warenwert. Im Süden werden riesige fruchtbare Ländereien an internationale Konzerne verschleudert. Diese Felder ernähren unsere Supermärkte, unsere Massentierhaltung oder unsere Autos. Hier wird Nahrung zu Geld gemacht, anstatt der Versorgung vor Ort zu dienen.
 


Aber das ist doch bei uns genauso. Bei den beiden genannten Referenten Agethle und Meßner geht es zwar um die Landwirtschaft im Vinschgau. Aber auch im Rest unseres Landes findet ja hauptsächlich nur mehr Monokultur statt. Ob das dann Apfel, Wein oder Milch sind ist einerlei. Man macht sein Produkt zu Geld. Und da stellt sich mir auch die Frage: Könnte ein Bauer heute überhaupt noch davon leben, dass er sich und andere wirklich ernährt?
Eben nur, wenn wir der Ernährung wieder den richtigen Stellenwert geben. Auch dazu soll die Konferenz anregen. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wichtig uns Ernährung ist, ob im Süden oder in Südtirol. Wollen wir sie aus der Hand geben und mit Monokulturen Geld verdienen? Wollen wir im Süden Hybride und Kunstdünger, mit denen Kleinbauern in eine tödliche Abhängigkeit geraten? Unsere Partner im Süden versuchen, altes Saatgut wieder zu multiplizieren, künstliche Dünger zu vermeiden und kleine Kreisläufe zu aktivieren. Vielleicht sollten wir hier dasselbe tun?

Macht das auch wirtschaftlich Sinn?
Ja, es macht absolut Sinn die Ernährung der Welt zu überdenken. Zurzeit geben wir sie aus der Hand und delegieren den Süden an Hilfsorganisationen. Wir selber gehen in den Supermarkt und wähnen uns in der Fülle. Tatsächlich sind wir im Norden und im Süden dabei, die Ernährung auf wenige Konzerne zu reduzieren. Es macht mehr als Sinn hier gegenzusteuern. Im Süden versuchen unsere Partner auf kargen Böden die Vielfalt neu zu beleben. Dieser Wunsch nach neuer Vielfalt sollte den Norden und den Süden verbinden.

Stellst du bei uns in Südtirol ein Umdenken fest? Mir scheint, wir sind doch alle in unserer kleinen Welt gefangen und schon der kurze Blick über den Tellerrand macht Mühe. Da bis nach Afrika zu schauen…
Ich glaube dass mehr Umdenken stattfindet als sichtbar ist. Das zeigen uns auch die Südtiroler Einkaufsgruppen, die bei der Tagung ebenfalls mit einem Stand vertreten sind (http://www.intergasbz.org/): sie versuchen, über direkte Einkäufe beim Biobauern Verantwortung für kleine Kreisläufe in Südtirol zu übernehmen. Auch im oberen Vinschgau wird gegengesteuert. Die Konferenz will auch diese Kräfte bewusst zu Wort kommen lassen.
 


Wie kann diese Konferenz erfolgreich sein?
Das hängt vom Publikum ab! Und von den Fragen, die wir uns und den Referenten stellen. Es beginnt damit, dass wir die Themen Ernährung und Entwicklung, im Süden wie bei uns, nicht delegieren an sogenannte Fachleute, sondern selber ernst nehmen.
Ich hoffe, dass es keine Konferenz wird, in der „Wissende Vorträge halten“, sondern in der ein wirklicher Austausch stattfindet und neue Perspektiven angedacht werden. Deshalb bin ich froh, dass dieses Interview auf deinem Blog landet, wo die Umdenker hoffentlich abonniert sind. Ich möchte sie einladen, an der Konferenz teilzunehmen und kräftig mitzumischen in der Diskussion! Denn letztlich ernährt die Landwirtschaft alle. Oder sollte es zumindest tun.

Danke für das Gespräch Judith