Società | Transparenz

"In eine Schublade gesteckt"

Der Präsident der Anwaltskammer antwortet auf die Kritik der Verbraucherschützer. "Es gibt objektive Gründe, warum nicht a priori Honorare vereinbart werden können."

Seit Anfang dieses Jahres ist Elohim Rudolph-Ramirez Präsident der Südtiroler Anwaltskamer. Als solcher möchte er die Kritik, die die Verbraucherschutzzentrale Südtirol (VZS) vor exakt einer Woche an den hiesigen Anwälten kundgetan hat, nicht so stehen lassen. Die VZS hatte eine Initiative gestartet, in der sie sämtliche Anwälte des Landes kontaktiert und darum gebeten hatte, ihre Fachbereiche, Tarife und eventuelle Vergünstigungen für VZS-Mitglieder transparent und verbindlich mitzuteilen. “Das geht aus ganz objektiven Gründen nicht”, sagt Rudolph-Ramirez. Daher dürfe sich die VZS auch nicht wundern, dass nur 20 der 1.000 kontaktierten Anwälte zur Teilnahme an der Initiative bereit erklärte.

Elohim Rudolph-Ramirez

Herr Rudolph-Ramirez, die Südtiroler Anwälte kommen bei der Verbraucherschutzzentrale nicht gut weg.
Elohim Rudolph-Ramirez: Das ist ein Versuch, uns Anwälte wieder in eine Schublade zu stecken. Aber das Image, das wir haben – dass wir unsere Honorare zu hoch und willkürlich ansetzen – werden wir sowieso nicht los werden. Diese Diskussion will ich auch gar nicht führen. Mir geht es einzig und allein um die sachliche Ebene.

Wie sieht es dort aus?
Es geht nicht, pauschale Beträge im Vornherein festzulegen. Unsere Arbeit ist eine geistige Tätigkeit, die von x Faktoren abhängt und nicht auf Anhieb im Vorfeld abgeschätzt werden kann. Es gibt objektive Gründe, weshalb man im Vorfeld nicht bestimmte Tarife abgibt ohne den genauen Fall zu kennen.

Jemand, der Rechtsbeistand sucht, hat also von Anfang an nicht die Möglichkeit zu wissen, welche Kosten da ungefähr auf ihn oder sie zukommen?
Ich kann natürlich einen Kostenvoranschlag machen. Aber der muss speziell von Fall zu Fall bezogen werden. Da muss ich als Anwalt die Problematik kennen, für die mein Rechtsbeistand verlangt wird. Erst dann kann ich abschätzen, in welchem Ausmaß die Honorare ausfallen werden. Und selbst dort ist es normalerweise sehr schwierig. Aber a priori im Dunkeln, ohne den Fall, ohne den spezifischen Sachverhalt, ohne jegliche Facette zu kennen, eine Kosteneinschätzung abzugeben, tut sich ein Anwalt schwer. Und das wurde durch die niedere Teilnahme an der Initiative zum Ausdruck gebracht.

Das heißt, die Anwälte konnten nicht teilnehmen, auch wenn sie gewollt hätten?
Es war jedem Kollegen frei überlassen, zu sagen, ob er bereit ist, sich mit der VZS auf bestimmte Honorare festzulegen. Aber das Prinzip ist eben, dass die Tätigkeit des Anwalts auf eine platte, immer gleiche, sich wiederholende Tätigkeit reduziert wird. Wie bei einer Zugfahrt, wo man die Kosten von A nach B sehr wohl im Vornherein kalkulieren kann. Doch der Beruf des Anwalts ist mit so einem Verlangen nicht vereinbar. Verstehen Sie, man muss jetzt den Bösen suchen und das soll jetzt meinetwegen die Anwaltskammer sein, das soll jetzt ein Brief sein – denn ansonsten hätten die Anwälte ja en masse auf diese Initiative reagiert, versucht man weis zu machen.

Ich weiß, an dem Image, dass der Anwalt hier derjenige ist, der für wenig viel kassiert, an dem kann der Rechtsanwalt Rudolph-Ramirez nichts ändert. Weil das über Jahre schon so geht.

Stichwort Brief. Stimmt es, dass die Anwaltskammer mit einem Rundschreiben die Anwälte von Teilnahme an VZS-Initiative abgehalten hat?
Nein, das stimmt so nicht. Wir haben als Kammer jedem Anwalt die Entscheidung überlassen, ob er dieser Initiative zustimmt oder nicht. Und es gibt auch überhaupt keine disziplinarische oder berufsethische Konsequenzen, wenn sich jemand dafür entschieden hat. Wir haben lediglich in einem Rundschreiben Bedenken daran geäußert, dass es ungeachtet der Tatsache, die ganzen Elemente eines Falles zu kennen, schwierig sein wird, pauschale Beträge zu nennen – und das verpflichtend Dritten gegenüber. Wir haben Bedenken darüber geäußert, ob es zielführend und machbar ist, haben jedoch jedem unserer Anwälte die freie Entscheidung überlassen, dieser Initiative beizuwohnen oder nicht. Das Problem liegt allerdings woanders.

Nämlich?
Man versucht hier, die Anwälte in eine Schublade zu schieben und so zu tun, als würden wir davon profitieren wollen. Es ist natürlich so, dass mit einer solchen Initiative der Beruf des Anwalts als solcher sehr sehr auf das rein Kommerzielle und Finanzielle abgestuft wird. Mir stellt sich aber die Frage, ist ein Anwalt gut, nur weil er dieser Initiative beiwohnt oder ist ein Anwalt gut, weil er fachlich kompetent ist?

Ihre Antwort?
Ich bin der Meinung, dass die fachliche Kompetenz die erste Voraussetzung sein sollte. Je nach dem natürlich, welche Problematik man anzugehen hat.

Es steckt also keine Böswilligkeit oder Geheimniskrämerei hinter der niederen Teilnahme?
Das Image nach außen, das Klischee des Anwaltes kennen wir. Damit will ich mich aber nicht lange auf dem Niveau abgeben. Es geht mir aber keinesfalls darum, eine Kampagne gegen die VZS zu starten, das ist nicht mein Anliegen. Deshalb bin ich auch nicht von selbst an die Öffentlichkeit getreten. Aber ich bin bereit, mich mit der VZS zu konfrontieren und ihr auch noch einmal zu erklären, wie unsere Tätigkeit aussieht – falls sie daran interessiert ist. Weil vielleicht weiß sie zu wenig über unseren Beruf. Die Rechtsanwälte haben jedenfalls ganz klar gezeigt, schau, das können wir nicht, das geht einfach nicht, so wie sich die Gegenseite das vorstellt.

Sie sehen die VZS als Gegnerin?
Die “Gegenseite” war jetzt ein beruflicher Versprecher. Für mich ist die VZS keine Gegenseite, das möchte ich schon betonen. Es ist so, dass es rein objektive Aspekte sind, die zu berücksichtigen sind. Ein anderer Aspekt ist natürlich die Verpflichtung Dritten gegenüber.

Das, was ich jetzt nicht will, ist eine Polemik mit der Verbraucherschutzzentrale anzufangen. Das will ich absolut nicht. Und ich will auch nicht die Rechtsanwälte schützen, da bin ich wiederum dagegen.

Ist es nicht vielmehr so, dass Anwälte und VZS an einem Strang ziehen? Ihnen liegen doch beiden die Interessen der Klienten am Herzen.
Ich kann ihnen versichern, dass wir als Anwaltschaft für die Legalität sehr aktiv sind, zum Schutze des eigenen Mandanten, des Bürgers. Wir haben Sprechstunden, die Prozesskostenhilfe, die Amtsverteidigung, den Bürgerschalter, an den sich die Menschen, die Rechtsbeistand suchen, wenden können. Es wird vieles gemacht vonseiten der Anwälte. Also ja, da sind wir eigentlich auf der gleichen Seite, wenn man so will, wie die Verbraucherschutzzentrale. Die Anwaltschaft ist da jetzt nicht der Böse, der gegen die Verbraucher ist, um Gottes Willen.

Die VZS hat aber doch angekündigt, besagtes Schreiben der Anwaltskammer der Antitrust-Behörde vorlegen zu wollen. Halten Sie das für gerechtfertigt?
Das Einzige, was ich sage, ist Folgendes: Die VZS müsste sich zumindest darüber Gedanken machen, dass die Anwälte vielleicht einen Kopf haben, dass sie vielleicht autonom sind. Dass die Anwälte selbst diese Initiative einfach nicht geteilt haben. Ich habe den Eindruck, dass ihnen der Zweifel gar nicht gekommen zu sein scheint. Es wird hingegen versucht, irgendwo den Bösen zu finden. Aber nochmals: Ein Anwalt ist unabhängig im Kopf, der ist ein unabhängiger Freiberufler.

Auf Online-Portalen und in Internet-Foren sind die Anwälte durchaus auf Verständnis gestoßen…
Ich bin überzeugt, diejenigen, die es verstehen wollen, verstehen es. Und die anderen werden ihre Meinung eben weiterhin behalten, dass die Anwälte in die Schublade derjenigen, die bevorteiligt werden, hineinzustecken sind.