Die Stille nach dem Sturm
Die Betroffenheit steht den fünf Männern in ihre ernsten Gesichter geschrieben. Eigentlich, gesteht Regierungskommissär Vito Cusumano, hätte er gerne berichten, wie gut man die letzten Stunden und Tage gemeistert habe. “Ma non ce la faccio.”
Die Trauer überschattet den reibungslosen Ablauf der Einsätze nach den Unwettern, die zwischen Samstag und Dienstag das Land in Atem gehalten haben. Heftiger Niederschlag, Sturm, Schneefall und Hochwasser – alle Player waren darauf vorbereitet, das System Südtirol mitsamt Zivilschutz, Landes- und staatlichen Behörden, Rettungskräften, privaten Unternehmen und den tausenden Freiwilligen hat sich bewährt. Wieder einmal. Doch das Schlimmste ist trotzdem eingetroffen: Ein Feuerwehrmann hat in der Nacht auf Dienstag sein Leben verloren.
Bei Aufräumarbeiten im Gadertal, wo die Situation aufgrund von Überschwemmungen und orkanartigen Sturmböen eine der kritischsten im ganzen Land war, wurde Giovanni Costa von einem Baum erschlagen.
Giovanni Costa, 52 Jahre alt, stammt aus Kampill/Longiarù im Gadertal und war seit über 30 Jahren als Freiwilliger bei der Feuerwehr von St. Martin in Thurn aktiv. “Wir haben einen sehr erfahrenen Kollegen verloren”, sagt der Präsident des Landesverbandes der Freiwilligen Feuerwehren Südtirol, Wolfram Gapp. “Es ist ein sehr trauriger Moment.” Nicht nur einen Kollegen, auch einen Freund und Familienvater gibt es zu beklagen. “Costas Sohn ist auch Feuerwehrmann und war bei dem Unglück anwesend”, berichtet Landesrat Florian Mussner geknickt. Einer nach dem anderen spricht den Angehörigen sein Beileid aus, Landesrat Arnold Schuler auch im Namen des Landeshauptmannes, der sich am Dienstag Vormittag im Ausland aufhält. “Wir sind eine einzige Familie”, fügt Rudolf Pollinger hinzu. Als Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz stand er die vergangenen Tage und Stunden im Dauereinsatz. Wie tausende Rettungskräfte im ganzen Land. Ihnen, aber auch den zahlreichen Vorbeugemaßnahmen – , in die das Land Südtirol seit Jahren investiert, wie Zivilschutzlandesrat Schuler erinnert, ist es zu verdanken, dass Südtirol die Unwetterfront schadlos überstanden hat. Der für den Straßendienst zuständige Landesrat Mussner spricht von einem “Jahrhundertereignis” mit bislang nicht da gewesenen Ausmaßen. Die Runde nickt.
Die “enormen Mengen an Niederschlag”, die es flächendeckend im ganzen Land gegeben hat, beziffert Landesrat Schuler auf 200 Liter pro Quadratmeter. “Mit Spitzen von bis zu 370 Liter pro Quadratmeter.” Dank genauester Prognosen des Landeswetterdienstes und hydrologischer Modelle konnten sich die Zuständigen in den Landesämtern, die Freiwilligen Feuerwehren – über 200 und damit zwei Drittel aller Freiwilligen Feuerwehrkompanien waren in den vergangenen Tagen im Einsatz –, aber auch Ordnungskräfte und Straßenarbeiter bestens vorbereiten, auf das, was seit Samstag vom Himmel kam.
Was bleibt?
Die heftige Unwetterfront ist vorbeigezogen. Bereits am Dienstag Morgen gibt es eine erste Entwarnung. Was bleibt zu tun? Das erklärt Rudolf Pollinger auf der Medienkonferenz am Dienstag Vormittag. “Der Zivilschutzstatus wurde gesenkt, Wachsamkeit ist wegen des anhaltenden Windes nach wie vor angebracht, für die Einsatzkräfte. Risiken für die Bürger sind so gut wie nicht mehr vorhanden. Wir sind dabei, die Schäden zu beheben, die Straßen der Hauptverkehrsachsen, Landstraßen und Hofzufahrten für den Verkehr wieder zu sichern, auch die Stromausfälle werden in den nächsten Stunden behoben.”
Große Schäden haben die Windböen und Niederschläge auch in den Wäldern angerichtet – jenen Wäldern, die bei der Verhinderung von Erdrutschen, Muren und Überschwemmungen eine immens wichtige Rolle spielen. “Wir schätzen, dass an die 150 Millionen Kubikmeter Wasser durch den Wald aufgehalten wurden”, meint Landesrat Schuler.
Bis Ende der Woche soll eine Schadenerhebung bei den vom Hochwasser betroffenen Gewässern – große Schäden gab es vor allem um den Gader, den Grödner und den Eggentaler Bach, die Rienz und die Drau, nur geringe Schäden beim Eisack und kaum welche bei der Etsch – durchgeführt werden und erste Maßnahmen beschlossen werden.
Was bleibt nach diesen Tagen ist tiefer Dank für die unzähligen und unermüdlichen Einsatzkräfte, die Freiwilligen, die privaten Unternehmen, die umgehend mit Räumgeräten ausrückten. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass Südtirol für alle Fälle gerüstet ist und im Ernstfall die Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordination zwischen allen betroffenen Stellen des Landes, des Staates und der Gemeinden funktioniert. Was bleibt ist aber auch eines: Die Gewissheit, dass es Menschen im Land gibt, die bereit sind, freiwillig ein großes Risiko auf sich zu nehmen, um in gefährlichen Situationen der Allgemeinheit zu dienen. Im Wissen, ihren Einsatz für die Sicherheit aller mit dem Leben bezahlen zu können. “Und dafür gilt euch der allergrößte Respekt.” Arnold Schuler spricht an diesem Tag für das ganze Land.