salto.music | BASIS Vinschgau

High Speed Zeitlupe

Zwei laute Bands in der zur Zeit besten Livelocation des Landes. Wir waren letzten Freitag in der BASIS Vinschgau in Schlanders und haben es nicht bereut.
Deadsmoke (2b)
Foto: rhd
Deadsmoke (1)
Langsam und wuchtig: Deadsmoke aus Bozen boten mit ihrem zäh fließendem Set fast schon Funeral Doom. Foto: rhd

 

Zum Glück war am vergangenen Freitag Abend kaum Verkehr Richtung Schlanders, denn wir waren zu spät gestartet: Das gemeinsame Konzert von Deadsmoke (Bozen) und Shame On Youth! (Salurn) sollte immerhin um 21 Uhr in der BASIS Vinschgau beginnen. Das war dann doch nicht der Fall, weil man noch auf einen Bus voller Fans aus Bozen warten wollte und sich alles um eine satte Stunde nach hinten verschob. Das waren good News, denn so konnten wir in aller Ruhe diese Location, die wir in den vergangenen Monaten bereits mehrmals besucht hatten, erstmals im regulären Konzertbetrieb erleben: Der Eingang zum „Kasino” – so nennt sich sinnigerweise der Konzertsaal – ist nicht mehr vorne, sondern liegt hinter dem Gebäude und verlangt einen zusätzlichen kurzen Fußweg von den BesucherInnen ab, was nicht weiter schlimm ist. Der Eingangsbereich ist von außen gut einsehbar und wer an der Kassa seinen Job verrichtet sieht, was auf ihn zukommt. Alles ist gut kontrollierbar und übersichtlich. Die Bar bietet angenehm viel Platz zum Smalltalk und liegt direkt am „Kasino”. Sehr viel besser geht es eigentlich nicht für einen Veranstaltungsort in dieser Größenordnung.

 

Shame On Youth (2)
Schnell und rotzig: Shame On Youth! aus Salurn eröffneten für Deadsmoke. Foto: rhd

 

Etwas nach 22 Uhr legten die aus Salurn stammenden Shame On Youth! los. Shame On Youth! hatten letztes Jahr mit „Human Obsolescence” ein explosives Album veröffentlicht und einige der Songs aus dem Album fanden sich im Liveset wieder: „Mr Crasher”, „Uniform” oder das wunderbare „The Show Must Go Wrong“, dem vorletzten Stück. Shame On Youth! waren gut gelaunt an diesem Abend, vielleicht waren sie auch etwas nervös nach gut zwei Jahren ohne Livegigs. Gemerkt hat man davon: Ihre Mischung aus Garage, Stoner, etwas Punk und Rock'n'Roll gepaart mit Energie und Geschwindigkeit wussten zu überzeugen. Eine tolle Band!

 

Shame On Youth (3)
Das Publikum war aufmerksam, wenn auch ein wenig zurückhaltend: Shame On Youth! bemühten sich redlich und wussten auch zu überzeugen. Foto: rhd

 

Nach einer kurzen Umbaupause betraten Deadsmoke aus Bozen die Bühne. Und der Kontrast war beträchtlich. Hatten Shame On Youth! irgendwie prinzipiell auf das Gaspedal gedrückt, lief bei Deadsmoke alles in einer Art Zeitlupe ab. Langsam und schwer wälzten sich die Songs durch die folgende Stunde. Deadsmoke verzichteten weitestgehend auf Melodien, groovten eher selten und boten eine grundsätzlich sehr reduzierte Musik, die sich als Funeral Doom mit psychedelischen Passagen umschreiben ließe.

Im Vergleich zu den bisherigen Releases, Deadsmoke spielten u.a. das monolitische „Dethroned Concrete” aus dem 2020 erschienen Split-Album „Doom Sessions Vol.1 - Conan & Deadsmoke” und das spacige, an die psychedelischen Siebziger erinnernde „Forest Of The Damned II: Enter The Forest”, waren sie noch langsamer, noch reduzierter, noch sperriger.

 

Deadsmoke (2b)
Nach zwei Jahren wieder auf der Bühne ... Deadsmoke (v.l.n.r.): Claudio Rocchetti (Electronics), Gianmaria Tavernar (Bass), Maurice Bellotti (Schlagzeug) und Matteo Lescio (Stimme und Gitarre). Foto: rhd

 

Es dauerte ein wenig, bis eine spürbare, der Musik entsprechende Atmosphäre entstand, was daran liegen mochte, dass der Saal noch nahezu leer war, als die Band ihr Set begonnen hatte. Es mag auch daran liegen, dass der Kontrast zu Shame On Youth! zu groß war, um auf die Schnelle verdaut werden zu können. Es mag daran liegen, dass auch Deadsmoke seit gut zwei Jahren nicht mehr auf der Bühne gestanden sind. Und wenn auch etwas mehr an Lautstärke dem Publikum den Zugang und das Eintauchen in den Gesamtsound etwas erleichtert hätte – die direkte physische Wirkung ist immerhin fester Bestandteil des Doom Metal –, so boten Deadsmoke in ihrem Liveset dennoch eine Musik, die nicht nur sehr weit vom (Metal-)Mainstream entfernt ist, sondern die ZuhörerInnen mit dieser Musik an dunkle, selten gehörte musikalische Grenzen führt. Das geschieht selten genug. Hut ab vor vor so viel Konsequenz!

 

Deadsmoke (3)
Schwer, langsam und tief: Deadsmoke aus Bozen waren die Antithese zu Shame On Youth! was die Geschwindigkeit betrifft. Foto: rhd

 

Deadsmoke (4)
Reichert den Doom-Sound von Deadsmoke mit Samples und elektronischen Soundscapes an:  Claudio Rocchetti (links). Foto: rhd

 

Links:

Deadsmoke: https://deadsmokedoom.bandcamp.com

Shame On Youth!: https://www.godownrecords.com/shame-on-youth

BASIS Vinschgau Venosta: https://basis.space/events/

 

P.S. oder: Zwei Dinge noch...

  1. Die BASIS – also Schlanders – liegt knappe 60 Kilometer von Bozen entfernt, ist also in einer locker machbaren Reichweite, auch wenn man nicht im Vinschgau lebt. Wie zu erfahren war, ist die Arbeit am Booking derzeit im Gange und auch auf die Gefahr hin uns zu wiederholen, das „Kasino”  Booking bietet alles, was vergleichbare Locations in Großstädten wie München oder London besitzen. Es wurde uns in den letzten Monaten mehrfach versichert, dass hier ein sehr breites Spektrum an Musikrichtungen stattfinden wird, deshalb sollten all jene, die Musik – in welcher Form auch immer – live erleben wollen, das „Kasino” fest in die Planung einbeziehen.
  2. Aufgefallen ist uns zudem, dass die Bassisten von Shame On Youth! und Deadsmoke jeweils Rickenbacker gespielt haben, ein Instrument, das seit Jahren kaum (auf den lokalen Bühnen) zu sehen war. Ein klares Statement dieser beiden Musiker!

 

Deadsmoke (8)
Einer der beiden Rickenbacker auf der Bühne an diesem Abend: Gianmaria Tavernar, Bassist von Deadsmoke. Foto: rhd

 

Shame On Youth (4)
Angepunkter Garage-/Stoner-Rock ... Shame On Youth! (v.l.n.r.):  Georg Pomarolli (Gitarre, Stimme), Federico Splendore (Schlagzeug), Matteo Cova (Bass, Stimme) und Tomas Menapace (Gitarre, Stimme). Foto: rhd

 

Shame On Youth (1)
Haben vor fast genau einem Jahr ihr Debüt-Album „Human Osolescence” veröffentlicht: Shame On Youth! haben ihre Show – also vor der Zugabe – mit dem daraus stammenden „The Show Must Go Wrong” abgeschlossen. Foto: rhd