Books | Poesiæ

Von Sugo, Kaffee und Sprache

Gerhard Kofler schafft posthum das scheinbar Unmögliche: Er war gestern gemeinsamer Nenner von ASB und SAAV und dabei sowohl „unser Kofler“ als auch „il nostro Kofler“.
Gerhard Kofler, ASB & SAAV
Foto: SALTO
  • Böse Zungen könnten sagen, dass mit Lyrikern nach dem Tod das passiert, was mit Sportlern passiert, wenn sie Erfolg haben: Sie werden vereinnahmt. Im Falle Gerhard Koflers war damit auch zu rechnen: Ein polyglotter Literat, der aus seiner Liebe zur italienischen Sprache keinen Hehl macht (und von diesem Startpunkt aus zur Sprache kommt), sich zwischen den Sprachen (Italienisch, Deutsch, Südtiroler Dialekt, Neapolitanisch und Spanisch) und Sprachräumen bewegt und sich dabei auch noch selbst in die eigene Muttersprache übersetzt, ist das perfekte „Aushängeschild“ für eine gemeinsame Initiative der Associazione Scrittori Bolzano und der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung, sowie des ZeLT - Europäisches Zentrum für Literatur und Übersetzung. Das ist gut so. Dass der 2005 verstorbene Gerhard Kofler die Rolle einer Brückenfigur erhält, hätte ihn zu Lebzeiten wohl gefreut.

    Die beiden Hauptakteure von „Omaggio alla poesia bilingue di Gerhard Kofler - Hommage an seine zweisprachige Dichtung“ waren indes Furio Brugnolo, Romanistik Professor Emeritus der Universität Padua und Matthias Vieider, studierter Sprachkünstler, sowie Performancekünstler und Musiker. Zuvor führten Gerhard Koflers „Geist“ (Originalaufnahmen seiner Stimme), sowie Johanna Voss und Alberto Stenico als Vertreter ihrer beiden Institutionen in die Materie ein. Übrigens: Auch bei der Grazer Autorinnen- und Autorenvereinigung war Gerhard Kofler langjähriger Generalsekretär. Die GAV lädt heute im Übrigen ab 20 Uhr zur Jahreslesung ihrer Südtiroler Zweigstelle in die Bozner Teßmann-Bibliothek. Klammer zu.

  • ASB & SAAV: Italo Ghirigato, Joanna Voss und Alberto Stenico (v.l.n.r.) bei einem Besuch der ASB in der SAAV entstand die Idee einen gemeinsamen Abend auszurichten. Über das Plakat der Brixner Ausstellung im Hintergrund kam man auf die gemeinsame Wertschätzung Gerhard Koflers. Der gemeinsame Abend soll nur der erste sein, weitere sollen folgen. Foto: SAAV/ASB

    Der gebürtig aus Bozen stammende, seine Lebenszeit mehrheitlich in Brixen und Wien verbringende Dichter ist, da sind sich SAAV und ASB einig, in der Region zu wenig bekannt. „Man lernt eine Sprache nicht, wenn man sie nicht liebt.“, meint Stenico in seiner Einleitung. Gerhard sei ein Beispiel für ein migrantisches Leben zwischen Sprach- und Kulturräumen und damit Vorreiter eines Verständnisses für Sprachen und Kulturen, welches zwar Schritte nach vorne gemacht habe, aber noch weit von seinem Ziel entfernt sei und allen die mehrstimmige Landschaft an Stimmen in unserer Provinz zugänglich mache. Der gestrige Abend in der Sparkassen Academy - ein „neutraler“ Ort, wenngleich einer ohne Stammpublikum, sei ein Schritt in diese Richtung. Es bleibt zu hoffen, dass es dieser Schritte noch viele weitere gibt.

  • Professor Furio Brugnolo wollte in seinem Vortrag zu Kofler „I minuti preziosi“ den Schwerpunkt auf die Gedichte und Poetik Koflers legen, die er anhand 31 ausgewählter Gedichte belegte. Zu den beiden anderen Zugängen zum Opus Koflers, dem „Pingpong fra le linuge“ und seiner „Semplicità, per non dire brevitas“ sei bereits viel und gut gesprochen und geschrieben worden. Brugnolo sieht Gerhard Kofler, entgegen der trügerischen Einfachheit seiner Gedichte als einen komplexen und vielschichtigen Autor. Ausgangspunkt der Gedichte ist dabei häufig das Alltägliche (sehr gerne eine Tasse Kaffee), was zu Missverständnissen in der Interpretation führen kann, mitunter den Anschein eines biographischen - oder Gelegenheitsdichters erweckt. Vom Alltäglichen oder Anlässlichen spannt der Dichter dabei einen weiten Bogen zum Universellen. Aber auch das Ureigene, einen Dichter Ausmachende, das „poetare“ findet bei Gerhard Kofler Platz und wird von Kofler ganz in Tradition des mit Umberto Saba geteilten Begriffs des „Canto“ gesehen. Diese „Musikalität“ bei Gerhard Kofler führt häufig auch ins Synästhetische, wo Sinneseindrücke sich überlagern und verschmelzen. Dann hört man Honig, Bonbons und Nüsse und der Duft von Kaffee legt sich auf die Stimme.

  • Hommage an Gerhard Kofler: Auch zur Klarinette griff Matthias Vieider für seine Kofler Performance. In der Südtiroler Radiolandschaft würde man das am ehesten bei einem kleinen Bozner Radiosender mit dem Geburtsjahr 1977 finden. Foto: SALTO

    Matthias Vieider brachte Koflers Werk mit zwei ausgewählten Gedichten auf andere Weise zur Musik: Seine Performance „Radio Kofler“ (Koflers Vater hatte in Brixen ein Geschäft für Radio- und Fernsehgeräte) ist als Austausch zwischen einem Radiomoderator und Matthias selbst angelegt. Beide Rollen werden von Vieider gegeben, den Radiomoderator versteht man hinter einer Reihe von Stimmeffekten recht schlecht. Die Performance, welche bereits in Brixen zur Ausstellungseröffnung von „Che leggendo si apra DIE BLAUE TÜR DER VERSE“ (noch bis Jahresende im Innsbrucker Literaturhaus am Inn zu sehen) inszeniert wurde, war eine auch humoristische Würdigung des häufig pointiert endenden Lyrikers.

  • Zwischen Fabrizio de André (Via dal Campo) und Beatles (Penny Lane), angeblich Lieblingsmusik von Kofler, finden Gedichte übers Sprechen im Radio Platz, sowie eine Neapolitanische Würdigung an Nudel mit Tomatensugo. Auch die schaffen es schließlich über die Sprachgrenzen. Highlight der Performance, die leichte Schwierigkeiten mit den Saalboxen hat (es kracht, was ignoriert wird), ist dann ein zweisprachiger Zusammenschnitt von Kofler, der von der linken Box in deutscher Sprache und von der rechten Box im neapolitanischen Dialekt zu uns spricht. Beide Versionen des Textes - Vieider sieht hier weniger die Hierarchie zwischen (italienischem) „Original“ und (deutscher) „Übersetzung“ als Brugnolo vor ihm - haben von Kofler gesprochen dieselbe Länge. Sogar das lustvolle „Aaaaaaahhhh…“ von Gerhard Kofler, der die Pasta riecht, fällt in etwa an die gleiche Stelle. Ein Genuss, der dann auch allen Sprachgruppen im Saal schmeckte. Gelacht wurde in beiden Sprachen gleich.

  • Gerhard Kofler, auch in Wien

    Zu Gerhard Kofler wird am 18. Dezember noch einmal ein Abend in der Alten Schmiede in Wien veranstaltet. Dort soll „Radio Kofler“ ein drittes Mal präsentiert werden und auch ein Film von Astrid Koflers mit bisher unveröffentlichten Archivaufnahmen Gerhard Koflers zur Aufführung kommen.