Kampf der Voucherisierung
Zum Jahresausklang werden sie noch einmal zur Chefsache erklärt: „Voucher sind kein Virus, der die Schwarzarbeit verbreitet, doch es ist notwendig, ihren Missbrauch zu unterbinden“, erklärte Ministerpräsident Paolo Gentioloni in seiner letzten Pressekonferenz im Jahr. Die Botschaft: Die Wertgutscheine, mit denen Gelegenheitsarbeiten legal entlohnt und Sozialabgaben abgeführt werden können, ohne irgendeine Form von Arbeitsverhältnis eingehen zu müssen, soll es weiterhin geben. Allerdings kündigte Gentiloni eine „revisione” der Materie an, die das, was offensichtlich schief läuft, korrigiert - ohne das Kind gleich mit dem Bade auszuschütten.
Eine Ankündigung, auf die man bei der Abteilung Arbeit in Bozen umgehend reagierte. Sie nahm Gentilonis Äußerungen zum Anlass, die Verwendung der Gutscheine in Südtirol genauer unter die Lupe zu nehmen. Knapp 90.000 Meldungen zur Beschäftigung mit Voucher seien demnach seit Beginn der Meldepflicht vor rund zwei Monaten im Arbeitsinspektorat des Landes eingegangen. Dorthin müssen Betriebe und Unternehmen, die Arbeitnehmer mit Wertgutscheinen beschäftigen, vor Arbeitsbeginn die wichtigsten Informationen mittels E-Mail übermitteln. Getan haben dies in den vergangenen zwei Monaten rund 4.500 Betriebe, die knapp 11.000 Personen mit Vouchern beschäftigten. Interessant ist aber vor allem ein Fakt, der durch eine genauere Analyse der Daten durch die Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt deutlich wurde: Fast ein Viertel der gesamten Voucherbeschäftigung konzentriert sich demnach auf nur 44 Betriebe. Mit anderen Worten: Ein Prozent der Betriebe, die mit Wertgutscheinen entlohnte Arbeitnehmer gemeldet haben, decken 25 Prozent der Gesamtbeschäftigung mit dieser Form ab.
Mehr als 1000 Menschen sind in Südtirol täglich auf Basis von Vouchern beschäftigt
Durchschnittlich arbeiten laut der Landesabteilung auf Basis der Daten in diesem Zeitraum pro Tag rund 1.040 Menschen in Südtirol mit diesem prekären Vertrag, das entspricht 0,5 Prozent der abhängigen Beschäftigung. Die Arbeitsdauer beträgt im Schnitt etwas mehr als die Hälfte eines herkömmlichen Arbeitstages, nämlich 4,4 Stunden. Insgesamt entsprechen die Vouchertätigkeiten einem Arbeitsvolumen von 760 Arbeitnehmern mit einem Vollzeitvertrag.
Die Beschäftigung mit Wertgutscheinen schwankt stark zwischen den einzelnen Wochentagen. Die meisten Anstellungen mit Vouchern erfolgen jeweils am Freitag und Samstag. Die zwei größten Sektoren, die Beschäftigungsverhältnisse mit Vouchern meldeten, sind laut den Daten der Abteilung Arbeit das Gastgewerbe (33 Prozent aller Stunden) und der Handel (26 Prozent). Insgesamt werden dabei mehr Frauen als Männer eingesetzt. Weniger als die Hälfte der Meldungen betreffen Arbeitnehmer zwischen 30 und 60 Jahren, während fast ebenso viele der Arbeitnehmer unter 30 Jahre alt sind. Nur 14 Prozent entfallen auf ältere Arbeitnehmer über 60 Jahre.
Zuwachs von über 25 % gegenüber 2015
Zumindest was die Sektoren betrifft, hatte der SGK/Uil erst kürzlich andere Daten veröffentlicht, laut denen das Gastgewerbe und der Dienstleistungssektor Haupteinsatzgebiete der Gutscheine sind. Abteilungsdirektor Helmuth Sinn präzisiert allerdings auch, dass sich die aktuellen Daten seiner Abteilung auf einen besonderen Zeitraum beziehen, da die ersten Wochen im Gastgewerbe zur Nebensaison zählten und dann die vorweihnachtliche Hochsaison einsetze. „Während der Advent- und Weihnachtszeit wurden die Voucher im Handel und im Gastgewerbe verstärkt eingesetzt. Der Höchstwert wurde am 9. Dezember (Black Friday) mit 2.260 Stunden erreicht und der Tiefstwert von weniger als 80 Stunden am 25. Dezember."
Aus einem aktuellen Dossier der Gewerkschaft SGK-Uil zum Thema wird dagegen auf Basis von Hochrechnungen prognostiziert, dass 2016 insgesamt 145 Millionen Voucher ausgegeben wurden, das wären 26 % mehr als im Vorjahr. Südtirol rangiert demnach mit 3,6 Millionen unter den Top-10 der Provinzen, in denen die Gutscheine die größte Verbreitung finden.
Dennoch gibt es auch hierzulande genügend Stimmen, die vor der Verteufelung des Instruments warnen. Claudio Corrarati, Vorsitzender des CNA Trentino Alto Adige, mahnt beispielsweise zu einer pragmatischen und vorurteilsfreien Diskussion des Themas. „Die Alternative zu den Vouchern wäre ein kompletter Rückfall in die Schwarzarbeit", erinnerte er an die ursprüngliche Funktion der Gutscheine. Und das würde laut ihm nicht nur die Arbeitnehmer selbst, sondern auch Betriebe in Schwierigkeiten bringen, da sie mit weit nehr unlauterer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert wären.