Società | Sanität

Die Impfoffensive

Mit einer Informationskampagne und stetem Druck auf Südtirols Familien wollen Sanitätsbetrieb, Land und Ärztekammer die staatlichen Impfvorgaben durchsetzen.
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Foto: Sabes

Sechs hochkarätig besetzte Informationsveranstaltungen in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck, die Erarbeitung von umfassendem Informationsmaterial zu den neuen Impfbestimmungen und vor allem ein genau definiertes Prozedere, wie im Laufe des kommenden Schuljahres der Großteil der heimischen Kinder und Jugendlichen ab dem Geburtsjahrgang 2001 alle zehn bzw. neun staatliche vorgesehenen Pflichtimpfungen erhalten soll: Mit dieser Offensive wollen der Südtiroler Sanitätsbetrieb, der Dienst für Hygiene und öffentliche Gesundheit sowie die Ärztekammer die Umsetzung des umstrittenen Impfdekrets vorantreiben. „Impfung schützt“ ist das Mantra, das Generaldirektor Thomas Schael, die Koordinatorin des Dienstes für Hygiene Dagmar Regele sowie die Brixner Kinderärztin Emanuela Pedevilla als Vorstandsmitglied der Südtiroler Ärztekammer am Donnerstag den Argumenten der Impfkritiker und –skeptiker im Land entgegenstellten.

Das Target, das sie dabei vor allem im Augen haben: Rund 30.000 Familien, deren Kinder nicht geimpft sind oder - weit häufiger - nicht alle nun vorgeschriebenen Pflichtimpfungen erhalten haben. Also ein Drittel der insgesamt rund 90.000 betroffenen Kinder und Jugendlichen, deren Eltern in diesen Wochen vom Sanitätsbetrieb eine Übersicht erhalten, welche Impfungen ihre Kinder bereits erhalten haben und welche fehlen. Das bringt jedoch noch keinerlei Handlungszwang mit sich, wie Dagmar Regele beruhigte. Denn zumindest im anstehenden Schuljahr wird es noch keine direkten Sanktionen wegen fehlender Impfungen geben. „Sie haben ein Jahr Zeit, die Sache in Ordnung zu bringen“, rief auch Generaldirektor Schael zur Ruhe auf. Das heißt, auch wenn so manche Übersicht die nun zugeschickt wurde, nicht mehr dem aktuellen Stand entspricht oder dabei die Impfbefreiung von Kindern nicht berücksichtigt wurde, bleibe ausreichend Zeit, die Fakten zu berichtigen.

Dennoch sollte in Kitas und Kindergärten nun innerhalb 10. September die Impfdokumentation für alle 0-6-Jährigen vorgelegt werden. Für Schulen wurde diese Frist erst für 31. Oktober angesetzt. Als Nachweis kann dabei laut Regele auch die Mitteilung des Sanitätsbetrieb über ausständige Impfungen dienen. Sind die Kinder nicht geimpft oder haben nicht alle Pflichtimpfungen erhalten, müssen die Bildungsinstitutionen darüber in jedem Fall Meldung an den Sanitätsbetrieb machen.

„Jetzt impfen wir einmal 98 Prozent durch – und um die restlichen zwei Prozent kümmern wir uns danach.“

Alle impfsäumigen Familien werden dann in einem mehrstufigen Prozedere zu einer Impfung gedrängt. Erster Schritt ist die Einladung zu einem Impftermin. Wird dieser nicht wahrgenommen, folgt laut Dagmar Regele in einem Abstand von rund zwei Monaten eine weitere Einladung zu einem Impfgespräch mit anschließenden Impfungen. Wird auch dieser Termin boykottiert, gilt das als Übertretung der Impfpflicht. „Die Eltern erhalten dann noch eine letzte Frist, um ihr Kind impfen zu lassen“, erklärte Dagmar Regele. „Doch wenn auch diese nicht eingehalten wird, werden Verwaltungsstrafen ausgestellt und Kinder zwischen Null und sechs Jahren müssen aus Gemeinschaftsstrukturen wie Kindergarten oder Kinderhort entfernt werden.“

Damit Eltern etwaige Zweifel ausräumen könnten, arbeitet man beim Sanitätsbetrieb nicht nur „Tag und Nacht“, um so bald wie möglich vor allem auf Deutsch Informationsmaterial zu den neuen italienischen Bestimmungen bereitzustellen. Zwischen 12. und 15. September wird es auch sechs hochkarätig besetzte Informationsveranstaltungen in Bozen, Meran, Bruneck und Brixen geben. Bei den jeweils auf Deutsch oder Italienisch abgehaltenen Veranstaltungen wurde nicht auf lokale Experten zurückgegriffen, sondern auf hochkarätige auswärtige Kräfte gesetzt. Für die deutschen Veranstaltungen kommt Sabine Reiterer aus dem Berliner Gesundheitsministerium, auf Italienisch wird der Arzt, Universitätsprofessor und Präsident der dritten Sektion des Istituto Superiore di Sanità Walter Ricciardi von der Notwendigkeit des Impfens zu überzeugen zu versuchen.

Gegen die es „leider täglich Falschinformationen und Polemiken gibt“, wie die Kinderärztin Emanuela Pedevilla sagt. Südtirols Ärztinnen und Ärzte würden die Familien dagegen mit Kompetenz und wissenschaftlich fundierten Informationen bei allen Fragen rund um Impfungen begleiten. „Die Menschen sollten sich aber auch darüber im Klaren sein, dass Impfen gewissermaßen eine soziale Pflicht ist, da damit nicht nur die Gesundheit unserer Kinder, sondern auch aller jungen wie alter Menschen geschützt wird, die aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht gegen diese Krankheiten geimpft werden können“, erklärte sie. Als Beleg führte Pedevilla an, dass in Italien in diesem Jahr bereits wieder 4200 Fälle von Masern gemeldet wurden, wobei ein Großteil davon Sanitätspersonal betraf.

Zerstreut wurden auf der Pressekonferenz auch Meldungen über eine Verletzung von Datenschutzbestimmungen durch die Verbreitung der Informationen zu den Impfungen. Die Datenschutzbehörde habe ausdrücklich unterstrichen, dass ein Zusenden solch sensibler Daten an die Eltern der Kinder keine Verletzung der Privacy darstelle. Auch in der Schule gehöre der Umgang mit sensiblen Daten zum Alltag; die Impfinformationen der Kinder müssten dort eben gemäß den entsprechenden Bestimmungen behandelt werden, hieß es auf der Pressekonferenz.

„Sicher ist: Auch wenn die Eltern eine Verwaltungsstrafe zahlen, heißt das nicht, dass ihre Kinder deshalb nicht geimpft werden müssen“, unterstrich Kinderärztin Emanuela Pedevilla dort ganz klar. Vielmehr müssten solche Familien  sowohl zahlen als auch impfen. Mit welchem Zwangsmaßnahmen das erreicht werden soll, ließ zumindest Generaldirektor Thomas Schael noch offen. „Jetzt impfen wir einmal 98 Prozent durch – und um die restlichen zwei Prozent kümmern wir uns danach.“