Mein Museion
„Ich muss mich jetzt neu aufstellen. Jetzt plötzlich werden meine Vormittage frei, da muss ich nun sehen, wie ich das angehe und was ich da machen werde“, wagt ein nachdenklicher aber optimistischer Andreas Hapkemeyer einen ungefähren Blick in die nahe Zukunft, an seinem letzten Arbeitstag im Museion. Der langjährige und großgewachsene Kunsthistoriker, Germanist und Museumsexperte nimmt nach über drei Jahrzehnten Abschied von einer Institution, die er wesentlich mitgeprägt hat.
Wir waren hier sozusagen der kleine Cousin
Am 1. November 1988 begann Hapkemeyer seine Arbeit im Museion, zunächst noch als Assistent. „Da war eigentlich fast nichts“, erinnert er sich, „wir waren im Alten Spital in Bozen und mussten mit den vorgegeben ebenerdigen Räumen zurrechtkommen. Das Ganze war auch noch sehr regional, eine Art Provinzmuseum, beruhend auf der geografischen Achse Ala-Kufstein und der zeitlichen Eingrenzung 1900 bis in die Gegenwart.“ Er erzählt von zögerlichen Gehversuchen des Museion in den 1990er Jahren, von Kooperationen mit dem Ferdinandeum in Innsbruck, sowie von der Trentiner Grande Dame der zeitgenössischen Kunst Gabriella Belli, die das Museion von Anfang an sehr unterstützte. „Wir waren hier sozusagen der kleine Cousin“ fügt er hinzu. Sein Chef war zu Beginn Pier Luigi Siena. „Siena arbeitete vor allem mit italienischen Künstlern aus seinem Bekanntenkreis, aber es war ihm auch ein wichtiges Anliegen über das Regionale hinauszugehen“, erzählt Hapkemeyer, der sich nach einem Probejahr bereits 1989 wieder aus Bozen verabschieden wollte. Doch nach einem Gespräch mit dem damaligen Museion-Direktor Karl Nicolussi-Leck blieb er. Bis zum heutigen Tag.
Das schrullige Führungstandem von damals karikiert Hapkemeyer gewohnt behutsam und liebevoll: „Sie waren, so kann man fast sagen, ein Gleichgewicht des Schreckens, sie haben sich gegenseitig anerkannt und eingeschränkt. Sie waren ja beide zudem sehr dezidierte Herren und nachdem ich nicht so dezidiert bin, war es nicht immer ganz einfach.“ Bis 1995 war Hapkemeyer Assistent im Museion, dann fungierte er als Vizedirektor und ab der Jahrtausendwende besetzte er bis zum Jahr 2006 den Posten des Direktors. Gemeinsam mit dem Präsidenten Alois Lageder entwickelte er das Museion zum Museum für moderne und zeitgenössische Kunst weiter.
Als ich Anfang der 1990er an diesen Schwerpunkt Kunst und Sprache gedacht habe, da hatten nur sehr wenige Künstler dieses Charakteristikum in ihrer Arbeit. Heute ist Sprache in der Kunst überall präsent.
„Mein Museion war das kleine, drüben in der Spitalgasse“, hebt Hapkemeyer nostalgisch hervor, „das war wie ein Kunstverein, da war irgendwie alles noch sehr intimer. Mittlerweile ist aus dem Museion eine große Institution geworden. Es gab mit dem neuen Haus natürlich eine Weiterentwicklung, zunächst mit Corinne Diserens, die einen wichtigen Schritt Richtung Globalisierung setzte, dann mit Letizia Ragaglia und Bart van der Heide, die den Diversity-Aspekt vertieften.“
Hapkemeyer war es auch, der dem Gegenstand Sprache in der Kunst im Museion einen zentralen Stellenwert einräumte. In den frühen Jahren, als dieser Schwerpunkt „noch ein Nischendasein führte“, begann er mit dem Auf- und Weiterbau der Museion-Sammlung. Diesem Bereich will der junggebliebene Pensionist treu bleiben und dazu wohl noch einige Publikationen vorlegen. Daneben wird er weiterhin für die Universitäten Innsbruck und Bozen tätig sein und mehr Zeit im Haus Nummer 6 verbringen, seiner historischen Bleibe in Gries, der der Kunsthistoriker und Verehrer experimenteller Literatur vor kurzem mit einem prachtvollen Buch ein Denkmal setzte. Nun ist er selbst eines.