Società | Gastbeitrag

„Wir alle sind die Gesundheitsreform“

2015 war eine seelische Achterbahn. Und wie geht es nun weiter in Sachen Gesundheitsreform? Neujahrswünsche der Innichner Vize-Bürgermeisterin Simone Wasserer.

Seit 30 Monaten verfolge ich die Geschehnisse rund um die Gesundheitsreform direkt, zunächst als zuständige Referentin und dann als Vizebürgermeisterin von Innichen. Es ist unmöglich, die zahlreichen Ereignisse dieser Zeit zusammen zu fassen. Es gab unzählige Stunden am Telefon, bei Sitzungen, Veranstaltungen vor allem zum Thema Schließung der Geburtenstationen in den Kleinkrankenhäusern.

Zu vieles an Negativem rund um die eigentlich notwendige Gesundheitsreform hat das gesamte Hochpustertal im vergangenen Jahr regelrecht bluten lassen. Die zermürbenden vergangenen zehn Jahre hatten bereits massiven Schaden angerichtet, die ständige negativ behaftete mediale Präsenz des Krankenhauses führte zu Verunsicherungen bei der Bevölkerung, aber auch bei den zahlreichen Mitarbeiterinnen.

Ende Februar kam es dann zur Ernte des über viele Jahre Gesäten und somit zur tiefsten Talfahrt für das Krankenhaus Innichen, für die Bevölkerung des  Hochpustertals und auch für mich ganz persönlich: die Schließung der Geburtenstation! Die Gründe dafür waren wiederum zahlreich.  Ausschlaggebend waren letztendlich aber der Abgang des letzten Vertragsarztes, die davor abgegebenen Erklärungen verschiedener ranghoher Beamte und Ärzte, nicht mehr länger die zivilrechtliche Verantwortung für Zwischenfälle im Kreissaal von Kleinkrankenhäuser zu übernehmen  und der ÄrztInnenmangel.

Diese Bombe traf uns hart, ihre Erschütterungen waren besonders in Innichen noch ins ganze weitere Jahre hinein spürbar. Nichtsdestotrotz arbeitete eine kleine Arbeitsgruppe weiter an dem Konzept, ein Frauengesundheitszentrum aufzubauen. Ursprünglich war dies mein Vorschlag gewesen, um das angeschlagene Krankenhaus wieder attraktiver für Ärztinnen und Patienten zu machen und somit die Arbeitsplätze und die Grundversorgung für die einheimische Bevölkerung, aber auch für die Touristen zu garantieren. Teil dieses Konzeptes war und ist immer noch die Geburtenstation.

Hart wurde trotz Schockstarre an dem Konzept weitergearbeitet und ich hatte erstmals das Gefühl, dass tatsächlich wieder Hoffnung da ist. Schließlich konnte auch Ende Oktober das Frauengesundheitszentrum mit einigen Angeboten unter dem Namen „Frauen Gesundheit Pustertal“ starten. Zwei neue Ärztinnen konnten begeistert werden und stärken nun das Team. Mit Januar 2016 werden dann alle weiteren Dienste geöffnet.

Da war sie, die endlich ersehnte Bergfahrt.

Doch Ruhe sollte nicht so schnell einkehren: Die EU-Richtlinie über die Arbeitsregelung für Ärztinnen holten uns schnell wieder nach unten. Dadurch stand nun plötzlich die Versorgung mit dem Notfalldienst während der winterlichen Hochsaison wieder in Frage. Wieder mussten wir laut werden, wieder konnten wir nur mehr RE-agieren. Wie so oft im abgelaufenen Jahr!

Wenige Auf und viele Abs – so lief es das gesamte 2015 hindurch. Doch wir sind immer noch nicht durch. Die Gesundheitsreform ist noch im vollen Gange.

Die Rufe werden nicht aufhören. Im gesamten vergangenen Jahr haben WIR es leider nicht geschafft, eine „sachliche Diskussion“ (hier zitiere ich gerne Reinhold Messner, denn auch in der Gesundheitsreform scheint mir dieser Ausdruck passend zu sein) zu führen. Die Betonung liegt hier aber ganz auf dem „WIR“. Was mich im vergangen Jahr sehr beschäftigt und frustriert hat, war die Unfähigkeit, koordiniert und sachlich zu kommunizieren, zu informieren, sich auf Augenhöhe zu treffen und mit aussagekräftigen Fakten zu argumentieren. Und dies betrifft alle Beteiligten!

Weder von Seiten der Landespolitik konnte volksnah die Notwendigkeit der Gesundheitsreform kommuniziert werden, noch kamen von den Führungskräften des Sanitätsbetriebes lösungsorientierte Vorschläge, um eine Reform landesweit akzeptabel zu machen. Das Mit-Einbeziehen der lokalen Kräfte musste hart erkämpfte werden und kam vermutlich zu spät.

Doch auch auf lokaler Ebene war und ist es sehr schwierig, über die Notwendigkeit bzw. Art der Gesundheitsreform ergebnisoffen zu diskutieren, um dann zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Die Diskussion darüber wird nicht zugelassen. Der Standpunkt ist: alles muss so bleiben wie es ist!

In dieser verfahrenen Situation befinden wir uns – heute.

So kommen wir aber nicht weiter.

Darf man sich zu Neujahr auch was wünschen oder gelten da nur noch Vorsätze?

Wie auch immer, ich wünsche mir, dass von allen Seiten endlich die Einsicht eintritt, zum Wohle der sich verändernden Gesellschaft zu handeln. Dass wir zumindest versuchen sollten, uns gegenseitig anzuhören, die jeweiligen Ängste und Argumente ernst nehmen, stärker mit der Bevölkerung zu kommunizieren. Wir alle sind die Gesundheitsreform. Wir sind schlussendlich die Nutznießer und die, die sie dringend brauchen.

Ob wir es wollen oder nicht, Veränderungen wurden schon eingeläutet, die Welt befindet sich im ständigen Wandel. Wir müssen uns darauf einstellen, und je besser wir darauf vorbereitet sind, umso weniger schmerzlich wird die Zukunft für uns in diesem Bereich sein.

Eines darf aber in dieser Diskussion nicht zu kurz kommen. Es darf nicht sein, dass Menschen, die nicht in Ballungszentren leben, eine gesundheitliche Benachteiligung in der Betreuung erfahren. Wenn das passiert, haben wir auf der ganzen Linie versagt, die „Peripherie“ (mein persönliches Unwort des Jahres) wird so peu à peu zugrunde gehen. Das will niemand.

Die Balance in dieser Diskussion zu finden, ist einen riesige Herausforderung, die uns nun bevorsteht und die Gesundheitsreform als solche darf zu keinem Pyrrhussieg werden.

Es wird noch viele schlaflose Nächte für uns geben, die hier Mitverantwortung tragen. Doch Durchhaltevermögen, ein klarer Kopf und das Herz für das Allgemeinwohl - der ländlichen Bevölkerung miteingeschlossen - werden uns hoffentlich allen helfen, die bestmögliche Lösung zu finden.