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Kirchenaustritt: Wie geht das?

Der Kirchenaustritt ist Sinnbild für das Sterben der „Volkskirchen“ in Deutschland. Wie stark trifft dies die Südtiroler Kirche? Wie sieht ein solcher Austritt aus?

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich stiegen auch 2013 die Austritte aus der katholischen und evangelischen Kirchengemeinschaft. Bereits 36 Prozent der deutschen Bevölkerung gehören formell keiner Konfession an. Die Anzahl der Austritte aus der katholischen Kirche nahm sogar um 50 Prozent zu. Schuld daran sind nicht zuletzt neue Skandale wie jener um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz von Elst oder die vertuschten und geheim gehaltenen Kindesmissbrauchsfälle. Hinzu kommt die Tatsache, dass in Österreich und Deutschland eine Kirchensteuer zu entrichten ist. Dies bewegt nicht nur Ungläubige zum Austritt.

Und wie sieht es hierzulande mit den Kirchenaustritten aus? Etwa 95 Prozent der Wohnbevölkerung Südtirols sind katholisch getauft. Als ländlich geprägter Raum war Südtirol seit jeher ein Land mit  starker christlich-katholischer Tradition. Die Messen und Prozessionen sind im Verhältnis zu den Nachbarländern immer noch stark besucht. Zugegeben, die Individualisierung beeinflusst auch in Südtirol den praktizierenden Glauben und so werden die Messen zu Ostern und Weihnachten häufiger frequentiert als im restlichen Jahr. Hat die hiesige Kirche aber auch die Abwanderung einiger ihrer Schäfchen zu beklagen?

 „Zunächst muss hier ganz klar zwischen aktiven Mitgliedern und formell der Kirche Zugehörigen unterschieden werden“, meint der Kanzler der Diözese Leo Haas. “Da es in Italien keine Kirchensteuer gibt, fällt der finanzielle Aspekt für einen Austritt weg. Auch wenn also Kirchenmitglieder keine Verbindung mit der Glaubensgemeinschaft pflegen, sehen die meisten wahrscheinlich keine Notwendigkeit, auch formell aus der Kirche auszuscheiden“. Austritte aus Überzeugung und Protest gibt es in Südtirol kaum. Meist ist der Grund hierfür ein Wechsel zu einer anderen Religion oder Konfession. Beispielsweise zu den Zeugen Jehovas, die einen Austritt ihrer Anwärter verlangen. Auffällig ist laut Haas außerdem, dass Gläubige, die ihren Wohnsitz nach Deutschland und Österreich verlegen, sich gleichzeitig für einen Austritt entscheiden. Meist aus finanziellem Grund. „Diese Personen sind meist nicht bereit, plötzlich eine Kirchensteuer zu bezahlen.“ Insgesamt handelt es sich lediglich um ca. zehn Austritte pro Jahr. Eine bescheidene Zahl bei etwa 465.000 katholisch Getauften.

Moderat oder radikal?

Beim Austritt gibt es unterschiedliche Wege. Der erste ist der Gang zur heimischen Pfarrei, um diese davon in Kenntnis zu setzen, dass man aus der Kirche ausscheiden möchte. Dabei wird in einem pastoralen Gespräch von Seiten der Kirche versucht,  die betreffende Person über den gewünschten Kirchenaustritt aufzuklären, beispielsweise, dass dadurch auch auf Eheschließung nach Kirchenrecht und auf eine kirchliche Beerdigung verzichtet werden muss. Des Weiteren wird Austrittswilligen eine Frist von drei bis vier Wochen eingeräumt, die als Bedenkzeit fungieren soll. Wird der Austritt innerhalb dieser Zeit nicht revidiert, so ist man nach dem Kirchenrecht nicht mehr Teil der Glaubensgemeinschaft. Im Taufbuch wird der Austritt dann vermerkt.  „Allerdings ist eine sogenannte Reversion des Austritts jederzeit möglich“, sagt Leo Haas. Jeder Austritt kann somit rückgängig gemacht werden. Die zweite Möglichkeit ist eine schriftliche Mitteilung an die Kirche. Vorgefertigte Formulare finden sich im Internet, wie auf der Webpage der „Unione degli Atei degli Agnostici Razionalisti“. Das Formular enthält außerdem eine Klausel, die es der Kirche untersagt, sich mit dem Unterzeichner in Verbindung zu setzten. Übergangsfristen und Bedenkzeit sind dann nicht mehr vorgesehen.

In der  Diözese Bozen-Brixen gab es trotz der Skandale, die die katholische Kirche heimsuchten, aber keine merkliche Zunahme solcher Austritte. Zumindest von dieser Front gute Nachrichten zum 50. Geburtstag der Diözese Bozen-Brixen.