Junge Bücherwelten
Textauszug von Andrea Michaela Hellweger
(Alex findet den richtigen Weg)
Nach den Winterferien geht Alex wieder in die Schule.
Auf dem Nachhauseweg entdeckt er einen jungen kleinen Hund durch die Felder und Wiesen streunen.
Alexander hat sich schon immer einen solchen Hund gewünscht und ruft ihm zu: „Kleiner, komm her! Ich will dir nicht wehtun.“
Der Welpe hastet bellend und so schnell er kann zu Alex. Als Alex sich zu ihm niederbückt, schleckt er ihm die ganze Hand ab.
(„Wie gerne hätte ich einen Hund gehabt, als ich noch klein gewesen bin!“, denkt Alex. „Und genau so einen wie diesen! Das ist der süßeste Hund, den ich je gesehen habe!“.)
In den Feldern außerhalb Berlins steht ein großes Haus, fast schon eine Villa. „Waisenhaus für Kinder“ steht auf dem Eingangstor. Ein Gebäude wie ein Schuhkarton mit ganz vielen kleinen Löchern.
[…]
Trotzdem ist der Schuhkarton bewohnt, dort leben nämlich sehr viele Kinder. Einer von ihnen ist Alexander. Er ist elf Jahre, 4 Monate und 7 Tage alt. Mit vier Jahren ist er hier abgegeben worden. Jetzt lebt er schon sieben Jahre lang in diesem langweiligen Schuhkarton-Gebäude: weiße Wände, hohe Räume, runde Säulen vom Fliesenboden bis zur schmutzigen Decke, braune Fensterrahmen, quietschende Holztüren, rostige Eisenbetten, harte Kindermatratzen, riesen große Schreibtische, alte Kleiderschränke und, und, und……..
Gedanken einer armen Haut
Im Haus war nicht viel. Ich hatte nur Nudeln, Zwiebeln, etwas Tee, Mehl, Muskatnuss, Rindswürfel, etwas Tomatenmark und eine leere Flasche Olivenöl. Ich dachte daran, ins Wirtshaus zu gehen, hatte aber keine Lust darauf und ich beschloss in den Supermarkt zu gehen, da ich das Gefühl hatte, dass mir dabei etwas einfallen würde. Ich wollte aber keinen größeren Einkauf machen, was mir in diesem Moment zu anstrengend erschien.
Über die Beobachtung seltsamer Szenen hinaus passiert es mir sehr oft, dass ich in Supermärkten zu viel Zeit verbringe, weil ich unentschlossen bin, ob ich ein Produkt kaufen soll oder nicht. Die vielen Regale sind zu viele Eindrücke für mich, die mich komischerweise dazu veranlassen, oft mehrere Minuten lang stehen zu bleiben und ins Leere zu blicken. Außerdem finde ich die Anordnung der Produkte bemerkenswert, und was es alles gibt. Ich mache ungern große Einkäufe, es macht mich verrückt. Umso angenehmer erschien es mir heute, ohne Druck einkaufen zu gehen, da es im Grunde egal war, was ich kaufte.
Irgendwie hatte ich Lust auf Fisch. Als ich zur Kühltheke kam, waren oben auf der linken Seite verschiedene Arten von geräuchertem Fisch. Ich entschied mich für Räucherlachs, war aber noch nicht ganz sicher. Ich hatte Münzen im Wert von zwölf Euro im Sack. Ich wollte als Vorspeise noch ein Sandwich kaufen, vielleicht mit Tomaten und Mozzarella und dazu ein kleines Fruchtsäftchen.
Nun zweifelte ich aber, was den Lachs anging. Denn es sollte auf jeden Fall ein wilder Lachs sein, der artgerecht gefischt wird. Und dieser Lachs kostete fünf Euro. Ich hatte die Idee, danach zum Markt zu gehen, da ich doch einen warmen Fisch auch wollte, Tintenfisch, oder Ähnliches, ja ich hatte einen unbeschreiblichen Hunger. Ich beschloss, den Lachs also nicht zu kaufen, da mir sonst das Geld für den Tintenfisch fehlen würde, der mir schon wichtiger war. Ganz glücklich war ich nicht, den Lachs zurücklassen zu müssen, aber es ging nicht anders.
Als ich somit mit dem Sandwich und dem Fruchtsaftgetränk aus dem Supermarkt kam, aß ich mein Sandwich und war immer noch hungrig und damit umso motivierter, mir nun meinen Tintenfisch erstatten zu können. Leider waren die Stände am Markt aber bereits geschlossen. Auf der Wand des Fischstandes war ein Plakat mit dem Titel: Fische und Meeresfrüchte. Was es da alles gibt! Wirklich sehr interessant. Bilder, Beschreibungen, eine ganze Menge: Scholle, Heilbutt, Seezunge, Seeteufel, Thunfisch, Brasse. Sogar von den Garnelen gibt es fünf oder sechs verschiedene Arten. Es gibt auch eine große Meeresspinne. Dieses Tier sieht aus wie eine Spinne, ist aber ein Krebs. Wollte ich nun zurück, meinen Lachs holen? Ich würde mich nur beobachtet fühlen.
Lieber ging ich zu einem zweiten Supermarkt, eventuell einen neuen Lachs suchen. Mir war schlecht, ich fühlte mich körperlich sowie geistig miserabel. Ich fühlte mich geradezu gedemütigt. Es hatte nicht geklappt, Fisch zu kaufen. Konnte ich denn überhaupt was richtig machen? Zwischen den Regalen hektisch suchend, kam ich dann vorerst zu einer Käsetheke und sah einen sehr guten Käse mit Wahlnussstücken. Ich hatte noch acht Euro, ein fünfzig Cent Stück und ein paar Reste. Beim Lachs gab es nur eine größere Packung Wildlachs. Er kostete sieben Euro, ich konnte mir den Käse also nicht leisten, was mich kränkte. Ich kann mir den Käse nicht leisten. Wie unfähig bin ich eigentlich, die praktischen Alltagssituationen des Lebens zu meistern? Das tut doch jeder mit Lockerheit, ich aber nicht. Das Einfachste wirkt für mich unglaublich schwer und nicht zu bewältigen. Was bin ich schon wert? Ich hab ja nicht einmal etwas Öl. Einen Dreck bin ich wert, Scheiße.
Vielleicht werde ich eines Tags supermarktverrückt und ertrinke in allerlei Zwangsvorstellungen. Vielleicht kommt eines Tages der Moment, von dem an ich jeden erdenklichen Markt zu meinem geistigen Wohl meide, da ich sonst komplett auszucke. Denn wenn ich einen Supermarkt betreten würde, würde ich zuerst nervös herumschwirren, Packungen anschauen, lesen, dann irgendwo anders mit zitternden Händen zurückgeben. Ich würde mich beobachtet und bedroht fühlen und von allen Seiten Druck verspüren. Schließlich würde ich mich wie ein Croissant irgendwo schwitzend und frierend zwischen die Regale legen und würde da liegen bleiben. Was bin ich schon wert? Ich habe ja nicht mal etwas Öl!