Über Jahre war die Reduzierung des aufgeblähten Parlaments mit seinen fast 1000 Mitgliedern ein politisches Dauerthema. Doch im Laufe der Jahrzehnte widersetzten sich Kammer und Senat allen Vorstössen, die Zahl der Volksvertreter und damit die oft endlosen Debatten und Prozeduren auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren. Nun scheint der Weg dazu plötzlich geebnet. Letzthin hat der Senat in zweiter Lesung jene Reform verabschiedet, mit der die Zahl der Parlamentarier um ein Drittel reduziert werden soll.
In der Kammer soll sie von derzeit 630 auf 400 sinken, im Senat von 315 auf 200.
Da es sich um eine Verfassungsreform handelt, war eine viermalige Lesung erforderlich – eine lustlose Debatte vor nahezu leeren Rängen. Anfang September soll die letzte Abstimmung endgültig den Weg zur Reform ebnen. Die Initiative dazu stammt von der Fünf-Sterne-Bewegung, die Lega hat sich dem Vorhaben angeschlossen. Der Partito Democratico und LEU haben dagegen gestimmt. Auch die SVP hat sich trotz einiger Zweifel dem Vorhaben angeschlossen, mit dem in der Region Trentino-Südtirol die Zahl der Senatoren von sieben auf sechs und jene der Abgeordneten von elf auf sieben schrumpfen würde.
Di Maios Bewegung hat bereits angekündigt, auf die von der Verfassung ermöglichte Volksabstimmung zu verzichten. Die Reform macht nicht nur eine Abänderung der teilweise barocken Geschäftsordnungen von Kammer und Senat notwendig, sondern voraussichtlich auch ein neues Wahlrecht mit grossen Wahlkreisen – nach dem Rosatellum die fünfte Abänderung in wenigen Jahren.
M5S-Chef Luigi Di Maio zeigte sich im Parlament euphorisch über die Genehmigung der von seiner Bewegung initierten Reform: "Mancano 7 settimane all'approvazione del taglio dei parlamentari. La prossima volta che andremo a votare ci saranno 345 poltrone di meno, 345 stipendi di meno, 345 portaborse di meno. Parlamentari che tagliano se stessi non li ho mai visti. Il taglio cambierà la politica per sempre. Abbiamo il numero più alto di parlamentari di parlamentari d'Europa e ne consegue un numero spropositato di leggi spesso inutili."
Zweifel gibt es daran, ob die Lega geschlossen mitzieht – mit Blick auf jene Abgeordneten, die um ihre Wiederwahl bangen müssen. Der Partito Democratico stimmte nach der gescheiterten Reform Renzis mit verschiedenen Einwänden gegen die Kürzung der Parlamentarier. Der wahre Grund ist, dass der Gesetzentwurf vom M5S vorgelegt wurde und von Lega und Forza Italia mitgetragen wird – drei gegnerischen Parteien.
Die vom Parlament angehörten Verfassungsexperten äusserten Zweifel an der Wirksamkeit der Reform. Es wäre sinnvoller gewesen, gleichzeitig auch das aufwendige Zwei-Kammern-System abzuschaffen. Auch über die Ersparnisse durch die Reduzierung der Parlamentarier gibt es unterschiedliche Schätzungen. M5S-Minister Riccardo Fraccaro: "Con il taglio dei seggi il parlamento dimostra la capacità di autoriformarsi allineanadosi agli altri Stati europei e risparmiando 500 milioni a legislatura."
Nach einer Hochrechnung von Experten bringt die Reform eine jährliche Einsparung von 82 Millionen – also 408 Millionen pro Legislatur. Damit entfällt in Zukunft in Italien ein Parlamentarier auf 96.000 Einwohner. In Grossbritannen kommt einer auf 101.000, in Deutschland einer auf 117.000 und in Spanien einer auf 113.000.